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Heute vor 80 Jahren
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281 Tote nach Bombenhagel: Der fast vergessene Fliegerangriff auf Heilbronn im September 1944

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Vor genau 80 Jahren, ein halbes Jahr vor Ende des Zweiten Weltkriegs, am 10. September 1944, sterben in der Kernstadt von Heilbronn und in Böckingen 281 Menschen durch Fliegerbomben.


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Der 4. Dezember 1944 hat sich ins kollektive Bewusstsein der Region eingegraben. An diesem Tag wird die Altstadt von Heilbronn völlig zerstört. Sechs Monate vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs sterben im Bombenhagel und Feuersturm schätzungsweise 6500 Menschen. Die genaue Zahl weiß niemand.

Nach Bombenangriff: Historisches Heilbronner Rathaus brennt tagelang

Was vielen Nachgeborenen weniger oder gar nicht bewusst ist: Heute vor 80 Jahren, am 10. September 1944, kommen bei einem Fliegerangriff auf Heilbronn 281 Menschen ums Leben. Zwischen Böckingen, Südstadt, Bahnhofsvorstadt und Stadtkern werden ab 11.30 Uhr innerhalb einer Stunde über 300 Gebäude zerstört oder unbewohnbar, darunter die Kilianskirche, wo die Gottesdienstbesucher vom Alarm aufgeschreckt werden. Auch das benachbarte Rathaus bekommt einen Treffer ab.

Die Heilbronner Kilianskirche wurde im Zweiten Weltkrieg nicht erst am 4. Dezember 1944 zerstört, sondern schon am 10. September 1944
Die Heilbronner Kilianskirche wurde im Zweiten Weltkrieg nicht erst am 4. Dezember 1944 zerstört, sondern schon am 10. September 1944  Foto: Stadtarchiv Heilbronn

Am Ende spricht die US-Luftwaffe von „sehr guten Ergebnissen“. Die Feuerwehr muss von Wehren aus Nachbargemeinden unterstützt werden. Das historische Rathaus brennt sogar drei Tage lang, obwohl Kreisleiter Richard Drauz darauf drängt, es vor der Kilianskirche zu löschen. Kompetenzgerangel zwischen NSDAP, Polizei und Luftschutz erschweren in der allgemeinen Aufregung die Arbeit.

Warum Heilbronn im Herbst 1944 das Ziel eines großen Bombenangriffs war

Auch dies ist heute manchem nicht bewusst: Auf Heilbronn fallen in den letzten Kriegsmonaten öfter Bomben. Der „Bombenkarle“, der regelmäßig am Himmel auftaucht, wird zum geflügelten Wort. Im Herbst 1944 heulen fast täglich die Sirenen, weil die Stadt von Westen her auf dem Weg zur Nazi-Hochburg Nürnberg liegt.


Ironie des Schicksals: Dass Heilbronn am 10. September so schwer getroffen wird, liegt am schönen Wetter. Am Vormittag fliegen rund 100 Flugzeuge der Air Force in Richtung Günzburg, wo ein Flugzeugwerk steht. Doch Bayrisch-Schwaben liegt unter einer Wolkendecke. Ähnlich sieht es über dem Ausweichziel Ulm aus. Kurzerhand schwenken die Bomber auf Heilbronn ein, dort herrscht an diesem Sonntag im Spätsommer Sonnenschein – bis sich zur Mittagszeit der Himmel durch die US-Flieger verdunkelt.

Filmaufnahmen vom Luftangriff auf Heilbronn und Zeitzeugenberichte

Zum Zeitpunkt des Angriffs befindet sich zufällig ein Filmteam auf dem Kiliansturm. Geistesgegenwärtig hält Kameramann Leo Laforge alles auf Zelluloid fest, doch von den bewegten Bilder fehlt trotz intensiver Recherche rund um den Globus bis heute jede Spur.

Wer sich im Stadtarchiv über die komprimierte „Chronik der Stadt Heilbronn“ näher mit dem 10 . September beschäftigen will, geht trotzdem nicht leer aus. Als Standardwerk gilt „Heilbronn 1944/45. Leben und Sterben einer Stadt“ (1993/2015) von Hubert Bläsi und Christhard Schrenk. Nahe an der Zeit sind Robert Bauers „Heilbronner Tagebuchblätter“ (1949), Erwin Boslers „Aus den Schreckenstagen Heilbronns“ (1950) oder etwa Wilhelm Steinhilbers „Heilbronn. Die schwersten Stunden der Stadt“ (1961), inklusive Fotos, auch aus dem Laforge-Film. Dem Stadtarchiv liegt zudem eine große Menge an Zeitzeugenberichten vor, die zwar nicht immer der historisch-kritischen Prüfung standhalten, aber womöglich gerade durch ihre menschliche Note eine Ahnung vom schier Unfassbaren vermitteln.


Gedenkkonzert in Heilbronn-Böckingen anlässlich der Zerstörung

Der Zerstörung vom 10. September und des Leids der Menschen wird am 80. Jahrestag, Dienstag, 10. September, um 19 Uhr bei einem Gedenkkonzert in der Stadtkirche Böckingen, Kirchsteige 10, gedacht. Es spielen die Geselligkeit Böckingen, der Elektronik-Komponist Lothar Heinle und an der Orgel Thomas J. Astfalk.

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