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Spannung im Böckinger Gartenstreit: Verwaltungsrichter macht sich Bild vor Ort 

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Müssen Kleingärten in Heilbronn-Böckingen abgeräumt werden, weil sie widerrechtlich im Landschaftsschutzgebiet ausgebaut wurden? Darüber tobt ein erbitterter Streit, der jetzt ein Gericht beschäftigt. 


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„Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.“ Die alte römische Weisheit wird heute noch gerne zitiert, wenn es um schwierige Gerichtsverfahren geht. Beim Böckinger Gartenstreit um ein Grundstück im Landschaftsschutzgebiet Weinbergweg/Weingartsweg könnte es sich um ein schwieriges Verfahren handeln.

Dort ist nun tatsächlich am Vormittag des 1. September der Richter am Zug.

Gerichtstermin im Böckinger Gartenstreit steht bevor: Verhandlung auf dem Grundstück angesetzt

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat eine mündliche Verhandlung auf dem Gartengelände von Joachim Schnepf angeordnet. Der Böckinger Gartenbesitzer hatte gegen eine Anordnung der Stadt Heilbronn vom Dezember 2021 geklagt, wonach er seinen 2000 Quadratmeter großen Garten, der im Schutzgebiet liegt, zurückbauen soll.       

Der Garten von Joachim Schnepf zählt zu den Vorzeigegärten im Schutzgebiet. Er soll  nach dem Willen der Stadt zurückgebaut werden. Foto: Thomas Zimmermann
Der Garten von Joachim Schnepf zählt zu den Vorzeigegärten im Schutzgebiet. Er soll nach dem Willen der Stadt zurückgebaut werden. Foto: Thomas Zimmermann  Foto: Zimmermann, Thomas

Schnepf hatte das Grundstück 2017 gekauft und in dreijähriger Arbeit zu einer prachtvollen Gartenanlage mit Schutzhütten, kleinem Gewächshaus, Wassersammelanlage und sogenanntem Sandarium, einem Sandbeet für Wildtiere, ausgebaut.

Gartenstreit in Heilbronn-Böckingen: Ausbau zum Vorzeigegarten

Dass die Gartenanlage tatsächlich im Landschaftsschutzgebiet liegt, das die Stadt Heilbronn im Dezember 1998 ausgewiesen hatte, wusste er nicht, und es stand auch nicht im notariell beglaubigten Kaufvertrag.

Die Stadt Heilbronn war aber, wie sie gegenüber der Heilbronner Stimme mitteilte, nach einem Konzept vom 5. Juli 2021 gegen bauliche Anlagen in einzelnen Böckinger Gärten vorgegangen, die gegen rechtliche Vorgaben der Landschaftsschutzverordnung verstoßen.

Stadt verweigert weitere Auskünfte wegen laufendem Verfahren – mehrere Gärten betroffen

Nach welchen Kriterien sie die Gärten auswählt und wie viele in dem weitläufigen Gebiet, das zwischen Ziegeleiparkt und Westfriedhof liegt, betroffen sind und angeschrieben wurden, sagt die Stadt nicht. Sie äußert sich seither auch generell nicht mehr, mit Verweis auf das schwebende Gerichtsverfahren.

Nach Stimme-Informationen sollen in Böckingen ein halbes Dutzend Gärten betroffen sein. In der ganzen Stadt Heilbronn sollen 40 Verfahren laufen.

Psychische Belastung durch jahrelangen Rechtsstreit – Gartenbesitzer zeigt sich erschöpft

Für Jochen Schnepf geht das jahrelange Verfahren inzwischen an die Substanz. „Wir leiden sehr unter den Strapazen dieser Auseinandersetzung mit der Verwaltung“, betont der 60-Jährige. Er hat als Reaktion auf die Forderungen der Stadt inzwischen den alten Wohnwagen entfernt, der noch auf dem Gelände lagerte.

Die restlichen Gebäude stehen unverändert in der weitläufigen Gartenanlage. „Wir hatten vor wenigen Tagen einen Diplom-Ökologen bei uns“, schildert Schnepf. „Er hat uns gesagt, dass unser Garten der Natur und Tierwelt gegenüber vorbildlich sei“, so der Besitzer.             

Vom Urapfel zum Landschaftsschutzgebiet

Blickt man ins Jahr 1998 zurück, als das Gebiet zum Landschaftsschutzgebiet umgewandelt wurde, fällt auf, dass der Maßnahme lange Diskussionen vorausgingen. „Das war schon damals umstritten“, erinnert sich Herbert Tabler (SPD), der zu der Zeit bereits im Gemeinderat saß. Es habe zuvor lange Diskussionen mit dem Obst- und Gartenbauverein gegeben. „Ursprünglicher Anlass war der Urapfel, den man als versteinertes Fossil im Gebiet gefunden hatte“, ergänzt Stadtrat Urgestein Alfred Dagenbach (Pro Heilbronn).

Im Böckinger Landschaftsschutzgebiet gibt es zahlreiche Gärten. Nicht alle sind in einem guten Zustand. Die Stadt geht bisher nur gegen eine Handvoll Gartenbesitzer vor.  Foto: Ralf Seidel
Im Böckinger Landschaftsschutzgebiet gibt es zahlreiche Gärten. Nicht alle sind in einem guten Zustand. Die Stadt geht bisher nur gegen eine Handvoll Gartenbesitzer vor. Foto: Ralf Seidel  Foto: Seidel, Ralf

Zudem seien damals vielfach Obstanlagen gerodet worden, um daraus Ackerflächen zu machen, erinnert sich Dagenbach. „An die Gärten hatte 1998 eigentlich gar niemand gedacht“, betont der Stadtrat, der am 17. August einen Fragenkatalog zum Vorgehen der Verwaltung an die Stadt gestellt hat. Diese sind bis heute noch nicht beantwortet.             

Böckinger Gartenstreit Antrag auf Ortstermin

Auch Stadträte anderer Fraktionen haben sich in den vergangenen Wochen mit dem Böckinger Gartenstreit beschäftigt. Dabei gab es auch Überlegungen, einen Antrag im Gemeinderat zu stellen, die Gartenflächen aus dem Landschaftsschutzgebiet wieder herauszunehmen. Die meisten Räte wollen aber zunächst die Verhandlung abwarten.

„Man muss jetzt erstmal sehen, was das Gericht entscheidet“, so beispielsweise Herbert Tabler. Lediglich die AfD hat am 24. August einen Antrag auf einen Vor-Ort-Termin des Bau- und Umweltausschusses im gesamten Areal gestellt. „Der Ausschuss soll sich ein Bild über die dortige Situation machen können“, schreibt deren Fraktionsvorsitzender Raphael Benner zur Begründung.      

Richter weist auf mögliche Täuschung beim Verkauf hin

Kurz vor dem anberaumten Ortstermin hat sich nun auch der Richter schriftlich zu Wort gemeldet und auf einige Besonderheiten des Verfahrens hingewiesen. So weist er gegenüber beiden Parteien auf eine mögliche Täuschung beim Weiterverkauf der Gärten hin. Viele der Böckinger Anlagen sind heute nicht mehr im Besitz der ursprünglichen Besitzer von 1998.

Ob beim Weiterverkauf auf die Tatsache hingewiesen wurde, dass die Flächen im Landschaftsschutzgebiet liegen, sei eine spannende Frage. Auch warum im Schutzzweck nicht nur Streuobstwiesen, sondern auch Nutzgärten aufgeführt sind, sei zu klären.


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