Stimme+
Gedenken an „Blutostern“
Lesezeichen setzen Merken

Weinsberg erinnert mit großem Historienspektakel an Bauernkrieg von 1525

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

In Weinsberg wurde am Wochenende der „Sturm auf Weinsberg“ mit einem eindrucksvollen Historienspiel nachgestellt. 500 Jahre nach dem blutigen Bauernaufstand erlebten Hunderte Besucher ein packendes Spektakel mit über 200 Darstellern.

Dicht gedrängt in mehreren Reihen verfolgten Hunderte von Zuschauern auf dem Grasigen Hag, wie die Aufständischen mit ihren Spießen die Landsknechte des Grafen von Helfenstein töteten.
Dicht gedrängt in mehreren Reihen verfolgten Hunderte von Zuschauern auf dem Grasigen Hag, wie die Aufständischen mit ihren Spießen die Landsknechte des Grafen von Helfenstein töteten.  Foto: Lina Bihr

Das Spießgericht hat entschieden: Die mehr als 30 Landsknechte teilen sich in zwei Reihen auf, zehn Schritte voneinander entfernt stehen sie sich gegenüber und strecken ihre meterlangen Spieße aus, so dass sich die eisernen Spitzen berühren. Der zwangsweise seiner Rüstung entledigte Graf Ludwig von Helfenstein (Daniel Dorn) wird zum Spießrutenlauf gejagt. Es ist sein Tod. Er bricht zusammen, alle Aufständischen umringen ihn und durchbohren seinen Leib. Die Szene wird eingefroren. Beifall brandet aus dem Publikum von heute auf. Es ist die Schluss-Szene eines beeindruckenden einstündigen Spektakels, das sich am Samstagnachmittag zu Füßen der Weibertreu abspielt. Mit dem „Sturm auf Weinsberg“ wird an den Bauernkrieg vor 500 Jahren erinnert. 

Hunderte von Besuchern bevölkern den Grasigen Hag, um nachzuerleben, was an Blutostern 1525 in Weinsberg geschah. Mit dem Aufstand der Bauern, die für Freiheit kämpften und durch die der Burgvogt einen brutalen Tod erlitt – das Heer des Schwäbischen Bundes rächte sich, in dem es die Stadt niederbrannte –  geriet der Namen Weinsbergs  jahrhundertelang in Verruf. 500 Jahre später wird die Nachstellung der Historie ebenfalls in die Geschichte Weinsbergs eingehen, diesmal als positives, einmaliges Erlebnis.

500 Jahre Bauernkrieg: 200 Darsteller aus vielen Vereinen in Weinsberg

Es ist beeindruckend, was Regisseur Reiner Kern von „Jackleins Spiesse“ auf die Beine gestellt hat. Rund 200 Darsteller bietet das Historienspektakel auf, mehr als 20 Vereine aus dem Bund Oberschwäbischer Landsknechte sind beteiligt, Gruppen aus der direkten Umgebung, wie die Schützengilde Neckarsulm, die Schlosswache Kirchhausen und die Burgwehr Sulzfeld. Auch Akteure aus Weinsberg, die Renate Lindner-Klodt koordiniert hat, dürfen nicht fehlen, ein Dutzend Kinder und 35 Erwachsene aus dem Theaterverein, dem Männerchor, der Treu-Weibergruppe und den Gästeführern. 

Ihnen ist der Auftakt vorbehalten, das stumme Spiel vor der aufgebauten Stadtmauer, als die Welt noch in Ordnung ist. Kinder spielen mit Eisenreifen, Bäuerinnen bilden Grüppchen und unterhalten sich, Bürgerinnen – sie sind an den blauen Gewändern zu erkennen – spielen Flöte. Jäh bricht diese Dorfplatzszenerie auseinander, als Glockengeläut Unheil verkündet. Das Volk wird hinter das Stadttor gescheucht.


Freiheits-Fahne weht auf der Burg: Das Publikum klatscht

Die Blicke der Zuschauer werden gen Burg gelenkt, wo die Verteidiger Aufstellung nehmen, unterhalb marschiert der Bauernhaufen auf, der sich in Neckarsulm auf den Weg gemacht hat. Dann gewinnt das Geschehen an Fahrt. Mehrfacher Kanonendonner lässt die Zuschauer zusammenzucken, Kinder halten sich die Ohren zu. Aus Handrohren feuern Aufständische Salven auf die Burg ab, die Anführer Jäcklein Rohrbach (Stefan Schulz) und sein Gefolge einnehmen.

Die Moderatoren Anke Golder aus Bad Wimpfen und Markus Schindele aus Kaufbeuren nehmen als beobachtende Zeitzeugen Anna und Veit das Publikum mit ihren Schilderungen so gefangen, dass dieses spontan klatscht, als die Fahne der Freiheitskämpfer auf der Burg gehisst wird. 

200 Mitwirkende bei „Blutostern 1525 – Aufstand zwischen Sulm und Weibertreu“: Moderatoren steigern in ihren Zweigesprächen die Dramatik

So wie die gegnerischen Parteien vor den Stadttoren kämpfen, so liefern sich Luther-Anhängerin Anna und Veit, der auf der Seite der Altgläubigen steht, Zwiegespräche, die die Dramatik zu steigern wissen.


Mehr zum Thema

Stimme+
Historienschauspiel „Blutostern 1525“
Lesezeichen setzen

500 Jahre Bauernkrieg: Marsch von Neckarsulm über Erlenbach zur Burg Weibertreu


Es sind tolle Bilder, die die Choreographie von Reiner Kern schafft: Wie der Bauernhaufen durch die Rebzeilen gen Stadttor marschiert, wie sich Bauern und Helfensteins Ritter Gefechte mit Hellebarden liefern. Ein Kraftakt, diese Waffen zu schwingen, ohne sich zu treffen. Wie sich die Freiheitskämpfer immer wieder zum Angriff formieren, sich mit ihrem Schlachtruf „Blut, eins, zwei, drei“ Mut machen, und wie die Bauern schließlich mit einem Baumstamm das Stadttor aufbrechen. 

„Super. Wahnsinn“, kann ein strahlender Reiner Kern nach der Aufführung allen Akteuren nur ein Lob aussprechen. Es habe alles so geklappt, wie es in seinem Drehbuch steht, sagt er. „Beeindruckend in Szene gesetzt“, ist auch Zuschauer Joachim Kübler begeistert. „So wie es hier dargestellt wurde, hat man uns das Geschehen im Heimatkundeunterricht beigebracht“, erinnert sich der Weinsberger. 


Historisches Schauspiel in Weinsberg: Zuschauer sind beeindruckt

Joachim Schäffer hat vor allem die Belagerung der Burg gefallen. „Die Sprecher waren toll, dadurch ist das Ganze kurzweilig geworden“, sagt der Lehrensteinsfelder. Roland Gärtner glaubt, dass durch solche Aufführungen das Geschichtsbewusstsein geweckt werden könne. Die Nachstellung der ersten Revolution vor 500 Jahren habe bestimmt eine Riesenvorbereitung erfordert. „Es war faszinierend“, lautet das Fazit des Fleiners.

Beeindruckt ist auch Bürgermeisterin Birgit Hannemann, als Bürgersfrau mit Haube gewandet. 500 Jahre später sei Blutostern immer noch ein großes Ereignis, das in dieser Form erst wieder in 500 Jahren kommen werde. Hannemann hofft, dass von den drei Festtagen in Weinsberg etwas nachwirkt, es mal wieder ein historisches Lager auf der Burg gibt und sich der Bauern- und Handwerkermarkt wiederholt. 

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben