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Wie Lidl Lebensmittel vor dem Müll rettet – und was noch zu tun ist

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Der Discounter Lidl aus Neckarsulm ergreift in seinen Märkten Maßnahmen, um Lebensmittelabfälle zu vermeiden. Warum das Umweltbundesamt trotzdem noch Potenzial sieht.


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Noch ist das dreistöckige Regal in der Lidl-Filiale in der Hohenloher Straße in Neckarsulm gut gefüllt. Sechs Rettertüten warten an diesem Montagvormittag auf Käufer, die dafür sorgen, dass der Inhalt nicht in der Mülltonne landet.

Denn die Tüten sind mit Obst und Gemüse gefüllt, das zwar Macken und Schönheitsfehler hat, aber immer noch gut essbar ist. Mehrmals täglich kontrollieren Mitarbeiter die Regale und sortieren aus. Vorgegangen wird nach Augenmaß: Was man selbst nicht mehr kaufen würde, darf in die Rettertüte.

Drei Euro kostet das Stück, der Kunde bekommt zwischen drei und fünf Kilo Obst und Gemüse. Miriam Schroer, Leiterin des Bereichs CSR und Nachhaltigkeit bei Lidl, geht davon aus, dass die Tüten in dieser Filiale bald verkauft sein werden, das zeige die Erfahrung. „Die Rettertüte hat sich bewährt.“

Mehr als 6,5 Millionen Rettertüten wurden seit Einführung verkauft

Das bestätigen Zahlen, die Lidl im vergangenen Jahr veröffentlicht hat: Demnach wurden rechnerisch 6,5 Millionen Tüten verkauft, seit sie 2022 eingeführt wurden. 45.000 Tonnen Lebensmittel sind damit vor der Mülltonne bewahrt worden. Von jeder verkauften Tüte gehen obendrein 20 Cent an die Tafeln, 1,3 Millionen Euro sind so zusammengekommen. „Die Tafeln sind für uns ein sehr wichtiger Partner“, betont Schroer. Entsprechend gebe es keine Überlegungen, die Rettertüte abzuschaffen. 

In der Obst- und Gemüseabteilung führen die Mitarbeiter mehrmals täglich Frischekontrollen durch. Miriam Schroer und Marktleiter Felix Seeger zeigen, worauf geachtet wird.
In der Obst- und Gemüseabteilung führen die Mitarbeiter mehrmals täglich Frischekontrollen durch. Miriam Schroer und Marktleiter Felix Seeger zeigen, worauf geachtet wird.  Foto: Christiana Kunz

In einer Studie hat sich das Umweltbundesamt kürzlich damit befasst, wie nachhaltig deutsche Supermärkte sind. Beim Thema Vermeidung von Lebensmittelabfällen im Betrieb schnitt Lidl sehr gut ab, gelobt wurden neben der Rettertüte eine moderne Bestandsüberwachung und Preisreduzierung.

Was das in der Praxis bedeutet, erklärt Schroer: Wenn Mitarbeiter neue Ware bestellen, werden sie durch verschiedene Prognosen unterstützt. Wie viele Mangos werden normalerweise verkauft? Wird die Nachfrage in den nächsten Tagen höher sein? Wie beeinflusst das Wetter das Kaufverhalten?

Geringerer Preis, je näher das Verfallsdatum rückt?

Aber bei Lebensmittelabfällen geht es nicht nur um Obst und Gemüse. „Wir versuchen alles, was wir können, um Lebensmittelabfälle zu vermeiden“, sagt Schroer beim Rundgang durch die Filiale. Recht bekannt: Ware, die sich dem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) nähert, wird mit einem Rabatt versehen. „Wir prüfen das Mindesthaltbarkeitsdatum täglich, zum Beispiel beim Einräumen.“

Dem Umweltbundesamt reicht das nicht, in seiner Studie bemängelt es, dass allen deutschen Supermärkten ein System fehlt, das das Verfallsdatum digital verwaltet. So könnten Produkte, die sich dem MHD nähern, automatisch im Preis reduziert werden.

Solange der Vorrat reicht: Übrige Aktionsware verkauft Lidl in "Rette Mich"-Boxen zu einem reduzierten Preis.
Solange der Vorrat reicht: Übrige Aktionsware verkauft Lidl in "Rette Mich"-Boxen zu einem reduzierten Preis.  Foto: Kunz, Christiana

Dafür müsste allerdings das Haltbarkeitsdatum jeder Charge erfasst werden. Aktuell passiert das bei Lidl nicht, erklärt Schroer, und die Idee sei nicht ganz einfach umzusetzen. Es sei normal, dass ein Produkt mal nach hinten rutscht und sich Chargen vermischen, wenn sie in einen Karton gepackt werden.

Stattdessen versucht der Discounter, die Ware sichtbar zu machen. Die Rabattaufkleber sind leuchtend orange und im Regal gut zu sehen. Nicht verkaufte Aktionsware landet in einer gesonderten „Rette Mich Box“. An diesem Montag liegt dort zum Beispiel Markenbutter, die übrig geblieben ist - super zum Einfrieren, findet Schroer. Die Boxen würden regelmäßig leergekauft werden.

Unverkaufte Ware, die sich dem Ablaufdatum nähert, gibt Lidl an die Tafeln weiter. So gut wie alle Lidl-Filialen arbeiten mit den Tafeln zusammen, erklärt Schroer, das lobt auch die Umweltbundesamt-Studie. „Wir prüfen, ob wir auch Ware an die Tafeln rausgeben könnten, die erst kürzlich abgelaufen ist. Das ist rechtlich aber schwierig.“

Kritik an Lebensmittelabfällen entlang der Lieferkette

Weniger gute Noten gibt es vom Umweltbundesamt in einem anderen Bereich: Lebensmittelverluste entlang der Lieferkette. Gemeint ist, wie sehr sich Unternehmen dafür einsetzen, dass Lebensmittelabfälle vermieden werden, noch bevor sie im Markt ankommen.

So nimmt Kaufland den Landwirten auch krumme, zu kleine oder übergroße Karotten sowie Äpfel mit Flecken und Schönheitsfehlern ab. Verkauft werden sie unter dem Markennamen „Die etwas anderen“ zu einem günstigeren Preis. Andere Supermärkte wie Aldi und Penny machen es ähnlich.

„Wir haben solche Ware nicht standardmäßig im Sortiment“, sagt Schroer. Manchmal gebe es Äpfel mit Wetterschäden oder krumme Möhren, aber als Aktionsware. Ware, die wegen ihrer Form oder Größe nicht von Lidl abgenommen wird, werde aber anderweitig verwertet: Unpassende Tomaten etwa werden passiert. Innerhalb der Schwarz-Gruppe mit ihren Produktionsbetrieben sei das möglich. Generell sei es aber schwierig, die Lieferkette zu beeinflussen, sagt Schroer. „In unseren Filialen können wir Maßnahmen einfacher umsetzen.“

Lebensmittelabfälle bis 2030 halbieren ist das Ziel

Bis 2030 hat sich Lidl das Ziel gesetzt, seine Lebensmittelabfälle zu halbieren. Bis Jahresende 2025 sollen 30 Prozent weniger erreicht sein. Zusammen mit den anderen großen Supermärkten hat Lidl das im „Pakt gegen Lebensmittelverschwendung“ vereinbart. Ob dieser eingehalten wird, prüft das Thünen-Institut und zieht bisher ein positives Fazit. 2023 hatten alle Unternehmen ihre Lebensmittelabfälle insgesamt um 24 Prozent reduziert.

Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts wurden in Deutschland im Jahr 2022 insgesamt 10,8 Millionen Tonnen weggeworfen. Den Großteil verursachen private Haushalte mit 6,3 Millionen Tonnen (58 Prozent), danach kommt die Gastronomie mit 2 Millionen Tonnen (18 Prozent). Weitere 1,6 Millionen Tonnen Lebensmittel gehen bei der Verarbeitung verloren (15 Prozent). Der Handel verursacht lediglich 0,8 Millionen Tonnen (7 Prozent) der Lebensmittelabfälle, 0,2 Millionen Tonnen gehen in der Landwirtschaft verloren (2 Prozent). Die Zahlen umfassen nicht essbare Bestandteile wie Schalen, Knochen und Kaffeesatz. Auch die Universität Stuttgart hat in Studien gemessen, dass die Lebensmittelabfälle in deutschen Haushalten kaum sinken: Seit vielen Jahren werden rund sieben Millionen Tonnen weggeworfen.

„Wir sind da auf einem guten Weg“, ist Miriam Schroer überzeugt, ohne absolute Zahlen zu nennen. Wird es mit dem 2030-Ziel klappen? Auch da sei sie sehr optimistisch. 

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