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Prozess in Heilbronn
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Versuchter Ehrenmord an Schwager? Mehrjährige Haftstrafen für Brüder gefordert

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Im Prozess gegen zwei kurdische Brüder aus Heilbronn wegen versuchten Ehrenmordes an ihrem Schwager wurden am Freitag die Plädoyers gehalten – Anklage und Verteidigung bewerten die Tat völlig unterschiedlich.


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Kamen die beiden angeklagten kurdischen Brüder am 18. Dezember 2024 kurz vor 23 Uhr in der Absicht in die Wohnung ihrer Schwester, um deren Ehemann zu ermorden? Oder wollten sie nach den vorangegangen Streits nur Frieden mit ihrem Schwager schließen? Am Tag davor hatte der jüngere der beiden Brüder das Auto seines Schwagers mit einem Baseballschläger schwer beschädigt. Diese Tat hat der Beschuldigte eingeräumt.

Die Staatsanwältin hält die Angeklagten des versuchten Mordes und der gefährlichen Körperverletzung für schuldig. Dem jüngeren Bruder sei zudem Sachbeschädigung anzulasten. Für ihn forderte sie eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten. Für den älteren Bruder plädierte sie auf eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Der Vertreter des geschädigten Nebenklägers, Rechtsanwalt Talip Öz, schloss sich der Staatsanwältin an.

Versuchter Ehrenmord in Heilbronn? Verteidiger plädieren auf Bewährungsstrafen

Die Verteidiger der beiden Beschuldigten, Volker Fabriz und Sophie Bechdolf-Reif, sahen den Tathergang völlig anders. Ihre Mandanten seien vom Geschädigten angegriffen worden und hätten daraufhin überzogen reagiert. Sie plädierten für beide Beschuldigte auf eine Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

Wegen verletzten Stolz und Familienehre sollen zwei Brüder versucht haben, ihren Schwager zu ermorden. Dafür müssen sie sich vor dem Heilbronner Landgericht verantworten.
Wegen verletzten Stolz und Familienehre sollen zwei Brüder versucht haben, ihren Schwager zu ermorden. Dafür müssen sie sich vor dem Heilbronner Landgericht verantworten.  Foto: Berger, Mario

Fakt ist: Die beiden 33 und 29 Jahre Brüder haben den Gatten ihrer zu diesem Zeitpunkt schwangeren Schwester vor den Augen derer minderjährigen Kinder mit einem Messer und einem Schlüssel verletzt und ihn mit Fäusten offenbar so stark geschlagen, dass der Geschädigte mit akutem Nierenversagen ins SLK-Klinikum am Gesundbrunnen eingeliefert werden musste. Vor Gericht räumten die Brüder die Körperverletzung ein, nicht aber den versuchten Mord. Sie hätten sich vielmehr verteidigt, weil sie von ihrem Schwager angegriffen worden seien.

Prozess in Heilbronn: Staatsanwältin sieht Familienehre als Motiv für versuchten Mord

Laut Staatsanwältin wollten die beiden Brüder dagegen ihren Schwager töten. Das Motiv sei verletzter Stolz und Familienehre gewesen. Denn im Vorfeld soll sich der Geschädigte im Streit mit seiner Ehefrau abfällig über sie und deren Familie geäußert habe. Bei der Anklageverlesung lautete der Vorwurf deshalb gemeinschaftlich versuchterMord, gefährliche Körperverletzung und Sachbeschädigung. 

In ihrem Plädoyer sah sich die Anklagevertreterin von der Beweisführung in der Hauptverhandlung bestätigt. Mit einem Messer und einem Schlüssel in der Faust hätten sie auf den Geschädigten eingestochen. Unter anderem im Kopf- und Halsbereich. Im dynamischen Geschehen eines Kampfes könne man solche Schläge nicht kontrollieren. Die Angeklagten hätten deshalb den Tod des Schwagers mindestens in Kauf genommen.

Versuchter Totschlag kam für die Staatsanwältin dennoch nicht in Betracht. „Denn die Angeklagten wollten den Tod herbeiführen“, sagte die Staatsanwältin. Bei den Messerstichen und den Schlägen habe eine abstrakte Lebensgefahr bestanden. Das Nierenversagen sei dagegen konkret und akut lebensgefährlich gewesen. Als Kriterien für den versuchten Mord nannte die Anklagevertreterin „niedrige Beweggründe“.

Angriff in Heilbronn: Angeklagte sollen verletzten Schwager auf der Straße verfolgt haben

Als die Angeklagten am 18. Dezember die Wohnung betraten, hätten sie laut Staatsanwältin sofort zugeschlagen. Mit Messer und Schlüssel in der Faust hätten sie vielfach auf ihn eingestochen. Sie hätten versucht, ihr Opfer am Verlassen der Wohnung zu hindern. Als ihm die Flucht dennoch gelang, hätten ihn die Brüder auf die Straße verfolgt und weiter gestochen und geschlagen. Abgelassen hätten sie nur deshalb, weil inzwischen Nachbarn aufmerksam geworden seien.

Für den Verteidiger Volker Fabriz spreche die Beweislage eine andere Sprache. Der Tathergang, wie ihn die Anklagevertreterin schilderte, speise sich allein aus der Schilderung des Geschädigten, der sich im Laufe des Verfahrens mehrfach widersprochen habe. Er habe keine Zweifel an der Version seines Mandanten. „Einen Tötungsvorsatz anzunehmen, ist viel zu weit hergeholt“, sagte Fabriz.

Auch für die Verteidigerin Sophie Bechdolf-Reif „ging die Aggression vom Nebenkläger aus“. Ihr Mandant sei in der Nacht in friedlicher Absicht gekommen. Darüber hinaus gebe es „keine objektiven Beweismittel, die uns nahebringen, was geschehen ist“, so die Anwältin. So bestehe auch kein Grund, warum man dem Geschädigten glauben solle, ihrem Mandaten aber nicht.

Versuchter Ehrenmord in Heilbronn? Angeklagte bieten mutmaßlichem Opfer Geld an

Im Laufe des Prozesses haben die Angeklagten im Sinne des Täter-Opfer-Ausgleichs ein Angebot gemacht. Demnach waren sie bereit, 20.000 Euro als Entschädigung an den Angeklagten zu bezahlen. Im Gegenzug solle der Geschädigte seine Anzeige zurückziehen. Im weiteren Verlauf der Verhandlung zogen die Angeklagten das Angebot allerdings wieder zurück, weil die Familie nicht so viel Geld aufbringen könne. Am Freitag haben die beiden Brüder ein weiteres Angebot gemacht. Demnach solle ihr Schwager 5000 Euro erhalten. Der Geschädigte lehnte die Summe ab. Er wolle das Geld nicht.

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