Bad Wimpfener Firma Solvay leitet TFA in Neckar – scharfe Kritik in ARD-Sendung
Die Chemikalie Trifluoressigsäure (TFA) gilt als Gefahr für die Gesundheit. Darum ging auch im Wirtschaftsmagazin Plusminus. Auch der Bad Wimpfener Konzern Solvay kam darin vor.
In der Mittwoch-Sendung von „Plusminus“ in der ARD zum Thema TFA ging es nicht nur um den Aspekt, dass die Konzentration im Trinkwasser, in der Nahrung, in Weinen und in Medikamenten seit Jahren kontinuierlich steigt, was zu Erkrankungen führen könne. Sondern auch darum, dass es trotz der Risiken von Gesetzesseite her keine verbindlichen Grenzwerte für TFA gibt.
Dabei lasse sich TFA, einmal in die Umwelt gelangt, nicht einfach wieder abbauen. Daher gilt die chemische Verbindung auch als Ewigkeitschemikalie, die sich immer weiter anreichert. In den Fokus der Kritik rückte in diesem Zusammenhang auch zum wiederholten Mal der Chemiekonzern Solvay in Bad Wimpfen, der täglich eine Menge von 24 Kilogramm TFA in den Neckar leiten darf.
Forscher in ARD-Sendung: TFA-Konzentration in Weinen exorbitant hoch
Der Professor für Pharmazeutische und Medizinische Chemie der Universität Freiburg, Michael Müller, forscht seit Jahren zu TFA-Werten in Weinen unterschiedlicher Jahrgänge. Während in älteren Weinen kaum bis gar kein TFA-Gehalt nachzuweisen ist, sei ab der 2000er Jahre ein deutlicher Anstieg zu erkennen. „Zwischen 2005 und 2010 geht der TFA-Wert richtig hoch“, sagt Müller.
Neue Weine hätten eine Konzentration von bis zu 300 Mikrogramm pro Liter (µg/l). „Der Anstieg ist exorbitant hoch, und wir werden dadurch irgendwann toxikologische Probleme bekommen. Das steht fest. Wann und in welcher Form, ist noch unklar.“ Nicht nur der Chemiker, auch Wasserversorger sind besorgt über die steigende Konzentration in Gewässern. Denn durch die TFA-Verschmutzung der Flüsse werde auch das Trinkwasser irreversibel kontaminiert, warnt beispielsweise die Arbeitsgemeinschaft Wasserwerke Bodensee-Rhein (AWBR).
„Plusminus“-Stichprobe zeigt: Auch abgefülltes Mineralwasser ist mit TFA belastet
„Plusminus“ ließ daraufhin sieben Proben Leitungswasser aus privaten Haushalten und öffentlichen Gebäuden sowie drei Proben Mineralwasser bekannter Marken untersuchen. Das Ergebnis: Alle sind TFA-belastet. Dr. Ulrich Borchers vom Institut für Wasseranalytik IWW ordnet die TFA-Belastung von teilweise 1,8 µg/l zwar nicht als Gesundheitsgefahr ein, er hält sie aber für fragwürdig, da gemäß Mineral- und Tafelwasserverordnung (Min/TafelWV) natürliches Mineralwasser eigentlich von ursprünglicher Reinheit sein müsse, um anerkannt und abgefüllt zu werden.
Doch weder beim Mineral- noch beim Wasser aus der Leitung sind in Deutschland Grenzwerte vorgeschrieben. Es gibt lediglich einen Leitwert vom Umweltbundesamt, der bei 60 µg/l liegt.
TFA im Neckar: Chemikerin Janna Kuhlmann spricht von einem Skandal
Dieser Orientierungswert sei nach Recherchen von „Plusminus“ seit 2017 von einem auf 60 Mikrogramm pro Liter nach oben geschraubt worden. Grund für dieses Vorgehen: Die Firma Solvay in Bad Wimpfen, die seit Jahren TFA in den Neckar leitet. Nachdem in dem Gewässer eine erhöhte TFA-Konzentration festgestellt wurde, habe das Unternehmen einen Antrag auf Erhöhung des Leitwertes gestellt, was das Umweltbundesamt bestätigt. Dieses sei durch eigene Erhebungen und unabhängig von Solvay zu dem Schluss gekommen, dass bei einem Leitwert von 60 µg/l noch keine Gesundheitsgefahr bestehe, erklärt ein Mitarbeiter des Amtes.
Trotzdem empfehle man allen Wasserversorgern, einen Wert von zehn µg/l nicht zu überschreiten. „Es ist ein Skandal, dass Solvay weiter jeden Tag 24 Kilogramm TFA in den Neckar leiten darf“, sagt Janna Kuhlmann vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Angesichts der neuesten Forschungserkenntnisse müsse dringend geprüft werden, ob der Leitwert weiterhin haltbar sei, erklärt die Chemikerin.
ARD-Sendung zeigt Prozess, wie Solvay TFA in den Neckar leitet
Auf Nachfrage der Heilbronner Stimme bestätigt Solvay, dass das Unternehmen TFA als Rohstoff für die Herstellung von Produkten für die agro-chemische und pharmazeutische Industrie verwende. Der Prozess, bei dem TFA ins Gewässer abgeleitet werde, gestalte sich wie folgt: „Solvay verfügt über eine Wäscheranlage, in der Trifluoressigsäure in eine stabile Salzform (Trifluoracetat) umgewandelt wird. Das anfallende Abwasser wird in der Abwasseraufbereitungsanlage neutralisiert und von Feststoffen gereinigt, bevor es in den Neckar eingeleitet wird.“
Solvay: „Schutz von Gesundheit und Umwelt hat höchste Priorität“
Die Frage danach, welche TFA-Menge so täglich in den Neckar gelangt, bleibt unbeantwortet. Solvay betont aber: „Die Anlage bleibt stets unter den festgelegten Grenzwerten.“ Der Betrieb unterliege strengen gesetzlichen Vorgaben und werde regelmäßig von den zuständigen lokalen Behörden kontrolliert. Der Standort überwache fortlaufend seine Abwasseraufbereitungsanlage und erfülle dabei sämtliche behördlichen Anforderungen zum Umwelt- und Gesundheitsschutz.
Als lokal verwurzeltes Unternehmen nehme man die Angelegenheit sehr ernst und gehe ihr mit der gebotenen Sorgfalt und unter Beachtung aller rechtlichen Vorgaben nach. „Der Schutz von Gesundheit und Umwelt hat für Solvay höchste Priorität“, heißt es. Deshalb habe man „erhebliche Investitionen getätigt“.
Studie von Global2000: TFA-Aufnahme zu 80 Prozent über die Nahrung
Eine Studie von Global2000 zeigt, dass 80 Prozent TFA vom Mensch über die Nahrung aufgenommen werde. So sei bei der Untersuchung von Getreideprodukten teilweise eine Konzentration von 420 mg pro Kilogramm herausgekommen. Dr. Helmut Burtscher-Schaden von Global2000 erklärt im Beitrag von „Plusminus“, dass dies auf den Boden für den Anbau zurückzuführen sei, indem sich TFA-belastetes Grundwasser konzentriere.