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Aus nach mehr als 150 Jahren
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Texon-Werk in Möckmühl stillgelegt: Produkte für Louis Vuitton, Ikea & Co.

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Das Texon-Werk in Möckmühl, bekannt für Zelluloseprodukte, ist Geschichte. Mehr als 150 Jahre wurde am Standort produziert – zuletzt für einen namhaften Kundenkreis wie Louis Vuitton, Ikea und mehr. 


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Nach mehr als 150 Jahren ist in der Roigheimer Straße in Möckmühl Schluss: In der traditionsreichen Zellulosefabrik Texon ruht seit wenigen Wochen die Produktion. Wie ein Sprecher der britischen Muttergesellschaft Coats Group auf Stimme-Anfrage mitteilte, wurde „letztmalig im April in Möckmühl produziert“. Mit der Schließung verlieren 80 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz. Derzeit sind noch wenige Mitarbeiter damit beschäftigt, den Betrieb endgültig stillzulegen.

Texon in Möckmühl belieferte die internationale Modewelt mit Zelluloseprodukten

Das Texon-Werk hat eine bewegte Geschichte hinter sich. 1873, also vor rund 152 Jahren, startete der Betrieb – anfangs unter dem Namen Papierfabrik Möckmühl. Seit 1967 firmiert das Werk unter dem Namen Texon. In den vergangenen Jahrzehnten wuchs ein erlesener Kundenkreis heran.

Die Möckmühler belieferten international bekannte Marken wie die französische Luxusmarke Louis Vuitton, das Mode-Unternehmen Calvin Klein, den Möbelhändler Ikea oder den Schuhhersteller Doc Martens mit speziellen Zelluloseprodukten – darunter Einlegesohlen sowie die bekannten braunen Etiketten, die an Hosen über dem Gesäß aufgenäht sind.

Bei letzteren Produkten handelte es sich um sogenannte Lederersatzpapiere, gefertigt aus Zellstoff, Altpapier und Latex. Die Herstellung war energieintensiv: Das Werk verbrauchte jährlich rund 35 Millionen Kilowattstunden Strom – das entspricht dem Bedarf von 10.000 bis 12.000 Haushalten*. Nur ein kleiner Teil des Strombedarfs konnte über das betriebseigene Wasserkraftwerk an der Seckach abgedeckt werden.

Texon in Möckmühl: Aufwendige Produktion mit alten Maschinen

Die Produktion war sehr aufwendig: In großen Mixern, sogenannten Pulpern, wurde aus Papierrückständen und Zellstoff ein Brei angerührt, gereinigt, gepresst, getrocknet und mit Latex vermengt. Anschließend wurde das noch immer leicht feuchte Material durch eine Trockengruppe geführt. Diese bestand aus rotierenden Zylindern, die mittels Wasserdampf auf bis zu 170 Grad erhitzt wurden. Durch den aufwendigen Herstellungsprozess wurden besondere Eigenschaften wie eine hohe Reißfestigkeit oder Abriebresistenz erreicht. 

Allerdings wurde bereits vor ziemlich genau zwei Jahren im Rahmen der Stimme-Reportageserie „24 Stunden – 24 Orte – 24 Geschichten“ deutlich, dass es am Standort Möckmühl einen erheblichen Investitionsstau gab. Die Trockengruppe war damals bereits über 50 Jahre alt. Ein Verantwortlicher bezeichnete das Werk damals als „letztes produzierendes Museum“ – ein deutlicher Hinweis auf den veralteten Maschinenpark.

Nachfrageeinbruch und Energiekrise besiegeln das Aus bei Texon in Möckmühl

Bereits zu diesem Zeitpunkt befand sich das Unternehmen in schwierigem Fahrwasser. Neben den Auswirkungen der Corona-Pandemie habe vor allem die sinkende Nachfrage nach Lederersatzmaterialien zu Umsatzrückgängen geführt, hieß es damals. Verschärft wurde die wirtschaftliche Lage durch die energieintensive Produktion und steigende Strompreise. 

Im Oktober 2024, als die Schließung und der damit verbundene Stellenabbau besiegelt war, sagte ein Sprecher der Coats Group, dass externe Faktoren wie Inflation, gestörte Lieferketten und alternative Technologien den Zellulosemarkt stark unter Druck gesetzt hätten. Die Auslastung des Werks habe bereits seit anderthalb Jahren nur noch bei etwa 50 Prozent gelegen.

„Diese Entscheidung wurde nicht leichtfertig getroffen“, teilte der Konzernsprecher mit – dennoch fiel sie nach einer tiefgehenden Analyse des Betriebs. Die anderen Standorte von Coats Footwear blieben von der Entscheidung unberührt.

Stadt Möckmühl plant Nachnutzung – Gelände steht zum Verkauf

Das Gelände mit dem Altbau aus dem Gründungsjahr 1873, weiteren Produktionsgebäuden, kleinem Wasserkraftwerk und Maschinenbestand steht nun zum Verkauf. Die Stadt Möckmühl verfolgt die Entwicklung aufmerksam. Bürgermeister Simon Michler erklärte, man sei an einer „sinnvollen Nachnutzung der Flächen“ interessiert. 

Mit dem Aus von Texon verliert Möckmühl ein industrielles Aushängeschild. Jetzt sind die Lichter in den Produktionshallen erloschen, die Maschinen stehen still – die Ära Texon ist Geschichte.

* Schätzung basiert auf einem durchschnittlichen jährlichen Stromverbrauch von etwa 3.500 kWh pro Haushalt. 

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