Ungewöhnlicher Vorgang in Talheim: Fotografierverbot bei Kandidatenvorstellung
Das Fotografierverbot bei der öffentlichen Kandidatenvorstellung vor der Bürgermeisterwahl in Talheim wirft Fragen auf. Bürgermeister Gräßle nennt es einen Abwägungsprozess, das Landratsamt Heilbronn verweist auf das Hausrecht der Gemeinde.
Es sei keine Lex Talheim, sagte Bürgermeister Rainer Gräßle in seiner Begrüßung zur offiziellen Kandidatenvorstellung für die Bürgermeisterwahl in Talheim, die am 23. Oktober in der Kulturhalle stattfand. Den etwa 550 Besuchern verkündete er, dass Foto-, Video- und Audioaufnahmen nicht erlaubt seien. Eine Einschränkung der Pressefreiheit und damit ein ziemlich einmaliger Vorgang – also doch eine Lex Talheim. Selbst jahrzehntelangen Stimme-Redakteuren ist ein solcher Vorgang in Heilbronn und in den Kommunen des Landkreises Heilbronn nicht in Erinnerung. Das Verbot hatte der Gemeinderat im Juli erlassen, als er die Regularien für die Bewerbervorstellung festlegte.
Talheimer Bürgermeister Gräßle zu Fotografierverbot: „Es war ein Abwägungsprozess“
Gräßle sah offenbar keinen Anlass, am Beschlussvorschlag seiner Verwaltung etwas zu ändern. Warum dieser äußerst ungewöhnliche Passus? Es sollte keine Wettbewerbsverzerrung stattfinden und jeder sein Recht am eigenen Bild und an dem, was er sagt, wahrnehmen können, erklärte der scheidende Gemeindechef in der Versammlung.
„Es war ein Abwägungsprozess“, sagt Gräßle auf Nachfrage der Heilbronner Stimme zum Vorgang. Begründen will er ihn nicht, verweist nur auf die Sitzungsvorlage. Es handle sich um eine „Einschränkung in der Bildbeschaffung“, wird dort eingestanden. Aber: Diese sei „hinnehmbar und geboten“ gegenüber dem Schutz der Teilnehmer. Mögliche Rechtsverstöße sollten vermieden werden, wenn etwas aufgenommen werde ohne Zustimmung von Betroffenen.
Talheimer Bürgermeister Gräßle: Kandidatenvorstellung nicht vergleichbar mit anderen öffentlichen Veranstaltungen
„Die Gemeindeverwaltung hat diese Persönlichkeitsrechte höher bewertet“, heißt es weiter und stellt diese über die Möglichkeit von Bild- und Tonaufnahmen. Explizit erwähnt wird der Schutz der Persönlichkeitsrechte der Kandidaten, der Verwaltungsmitarbeiter und der Bürger. Das Verbot diene auch einem geordneten Ablauf der Veranstaltung.

Gräßle verteidigt die Regulierung auch damit, dass schließlich vor und nach der Veranstaltung Fotos und Interviews mit den Kandidaten möglich gewesen seien. Die Vertreter der Medien „dürften selbstverständlich“ an der Veranstaltung teilnehmen und „im Nachgang berichten“, ist in der Vorlage nachzulesen – was eigentlich ein unnötiger Verweis ist. Denn die Kandidatenvorstellung war öffentlich.
Ob denn nun in Talheim bei anderen öffentlichen Terminen der Gemeinde, wie Neujahrsempfang oder Seniorennachmittag, solche Restriktionen erlassen würden? Das seien ganz andere Veranstaltungen und nicht vergleichbar, antwortet Gräßle.
Landratsamt Heilbronn zu Fotografierverbot: Nach Kommunalrecht zulässig
„Kommunalrechtlich ist dies tatsächlich zulässig“, lautet die Auskunft aus der Rechtsabteilung des Landratsamts Heilbronn zu dem Vorgang. Die Gemeinde könne ihr Hausrecht ausüben.
Die Heilbronner Stimme hat ihren Fachanwalt für Presserecht gefragt: „Einschränkungen sind nur dann zulässig, wenn sie sachlich begründet sind“, etwa wenn Redner Bildaufnahmen ihrer Person untersagt haben, oder die Gemeinde durchs Fotografieren Störungen im Ablauf befürchtet, und dies „nachprüfbar begründen“ kann.
Und weiter: „Die Aussagekraft von Bildern, die während der Veranstaltung gemacht werden, kann eine ganz andere Qualität haben als (gestellte) Fotos vor oder nach einer Veranstaltung.“ Vor und nach der Veranstaltung Aufnahmen zuzulassen, reiche allein nicht aus als Begründung für das Verbot.



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