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Gefährlichstes Treibhausgas der Welt – was hinter Solvays SF6-Ausstoß steckt

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Das Bad Wimpfener Solvay-Werk steht seit einigen Wochen in den Schlagzeilen. Der Chemiekonzern soll deutlich mehr Schwefelhexafluorid in die Atmosphäre ausgestoßen haben als angegeben. Aber was genau ist dieses Gas? 


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Der Chemiekonzern Solvay in Bad Wimpfen stellt Schwefelhexafluorid (SF6) her. In den vergangenen Wochen hat die Heilbronner Stimme berichtet, dass Forscher der Goethe-Universität in Frankfurt am Main herausgefunden haben, dass die Firma deutlich mehr Gas ausstößt als sie angegeben hat.

Es ist immer wieder die Rede von dem gefährlichsten Treibhausgas der Welt. Aber was genau heißt das? Die Heilbronner Stimme hat bei Professorin Katja Mannschreck von der Hochschule Heilbronn nachgefragt. Sie ist promovierte Atmosphärenchemikerin. 

Solvay in Bad Wimpfen steht unter Beobachtung: Die Behörden prüfen gerade ein Überwachungskonzept zur Eigenkontrolle, das das Unternehmen vorlegen musste.
Solvay in Bad Wimpfen steht unter Beobachtung: Die Behörden prüfen gerade ein Überwachungskonzept zur Eigenkontrolle, das das Unternehmen vorlegen musste.  Foto: Rudolf Landauer

Heilbronner Professorin warnt vor Solvays Emissionen des Treibhausgases SF6: Schwefelhexafluorid ist reaktionsträge

„SF6 ist ein stabiles Molekül, etwa wie Stickstoff“, sagt Mannschreck. Es ist rein menschengemacht, kommt also nicht natürlich vor und wird aus den Stoffen Schwefel und Fluor gewonnen. Auch ist es farb- und geruchslos. Es gehört zu den Inertgasen, diese sind besonders reaktionsträge. Das wiederum bedeutet, dass das Gas nicht mit anderen Stoffen reagiert. „Es brennt nicht, greift keine Materialien an und reagiert auch nicht im menschlichen Körper.“

Auch in der Atmosphäre reagiert SF6 nicht. Deshalb ist es ein Treibhausgas. Es verweilt in der Atmosphäre und hindert die Strahlen der Sonne daran, die Atmosphäre wieder zu verlassen. „Der Treibhauseffekt ist erstmal positiv, sonst hätten wir eine ganz geringe Temperatur auf der Erde – minus 18 Grad. Das Problem entsteht, wenn zusätzliche Treibhausgase ausgestoßen werden“, erklärt die Chemikerin. Dadurch gerät das ökologische Gleichgewicht ins Wanken und die Temperatur auf der Erde erhöht sich immer weiter. 


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SF6 bleibt 3.000 Jahre in der Atmosphäre und baut sich nicht ab

Da SF6 mit keinem Stoff reagiert und gleichzeitig sehr stabil ist, ist es ein sehr effektives Treibhausgas. „Es ist das wirksamste, das es gibt.“ In der Atmosphäre baut es sich nicht ab, bleibt dort für 3.000 Jahre. Trotzdem ist es mengenmäßig deutlich geringer, als beispielsweise CO2. „Nur, der große Unterschied ist, dass CO2 Senken hat. SF6 hat das nicht.“ Senken wie beispielsweise Bäume binden das Gas und bauen es wieder ab – senken also die Menge des Gases, das in die Atmosphäre entweicht. 

Katja Mannschreck verwendet Schwefelhexafluorid auch in eigenen Experimenten an der Hochschule Heilbronn.
Katja Mannschreck verwendet Schwefelhexafluorid auch in eigenen Experimenten an der Hochschule Heilbronn.  Foto: privat

Anders als andere Fluorverbindungen greift SF6 nicht die Ozonschicht an. „Wäre das der Fall, wäre es schon längst verboten“, sagt Katja Mannschreck. Was die Schicht angreift, sind chlor- und bromhaltige Substanzen, wie etwa die Fluorchlorkohlenwasserstoffe, besser bekannt als FCKW. Diese werden in rund 20 Kilometern Höhe durch UV-Strahlung zersetzt und bilden Radikale, die wiederum die Ozonschicht abbauen.

SF6 hat viele Anwendungsbereiche – Hauptsächlich als Isolation

„Ein Vorteil von SF6 ist, dass es gut zu detektieren ist, beispielsweise in der Atmosphäre.“ Dadurch kann man punktuell schauen, wo sich ein Leck befindet oder wie sich eine bestimmte Substanz in der Luft ausbreitet. Auch in der Medizin wird es verwendet – als Ultraschallkontrastmittel oder bei Operationen am Auge.

Produziert wird SF6 aber hauptsächlich als Isoliergas. In der Mittel- und Hochspannungstechnik wird es beispielsweise als Isolation zweier Schalter verwendet. „Die Schalter sind so dicht nebeneinander, dass Funken sprühen würden, wenn es keine Isolation geben würde“, sagt die Professorin. SF6 leitet nicht und reagiert auch nicht. Anders als andere Isoliermittel gibt es nach längerer Verwendung nicht nach.

Katja Mannschreck ist promovierte Atmosphärenchemikerin. Nach ihrer Professur am Forschungszentrum in Jülich verbrachte sie sechs Jahre auf der Umweltforschungsstation der Zugspitze. Seit zehn Jahren ist sie Professorin für physikalische Chemie und instrumentelle Analytik am Techcampus in Sontheim der Hochschule Heilbronn. Ursprünglich kommt die 54-Jährige aus Regensburg.

Alternativen zu SF6: Umstellung nicht von jetzt auf gleich

„Es gibt aber auch schon Alternativen“, erklärt Mannschreck, diese seien für die Atmosphäre nicht so schädlich. Allerdings stellt sie klar, die Umstellung kann nicht von jetzt auf gleich passieren. Mannschreck: „Der richtige Umgang mit dem Gas ist wichtig.“ So müssen sowohl Anwender als auch Produzenten alles daran setzen, so wenig SF6 zu emittieren wie möglich. 

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