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Wer trägt die Verantwortung für das Corona-Desaster in der SRH-Klinik?

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Fünf Menschen sind im Zusammenhang mit dem Virus in der SRH-Klinik verstorben. Doch wer ist verantwortlich? Das Landessozialministerium verweist auf die Regelung: Die Klinik ist für Infektionsschutz zuständig, die Kontrolle erfolgt durch das Gesundheitsamt.

Seit Mitte März gilt in Baden-Württemberg die Corona-Verordnung. Wie sie im Gesundheitszentrum Bad Wimpfen umgesetzt wurde, dazu gibt es widersprüchliche Aussagen von Klinik und Patienten.
Foto: Mario Berger
Seit Mitte März gilt in Baden-Württemberg die Corona-Verordnung. Wie sie im Gesundheitszentrum Bad Wimpfen umgesetzt wurde, dazu gibt es widersprüchliche Aussagen von Klinik und Patienten. Foto: Mario Berger  Foto: Berger, Mario

Es gibt keinen vergleichbaren Fall in der Region. Fünf Patienten des SRH Gesundheitszentrums in Bad Wimpfen, bei denen das Coronavirus festgestellt worden war, sind nach Angaben des Landratsamts Heilbronn verstorben. Insgesamt wurden im April mehr als 200 Patienten und Mitarbeiter mit Covid-19 infiziert.

Im Sozialministerium Baden-Württemberg hat man zwar nicht alle Zahlen aus allen Einrichtungen im Land parat, aber dort heißt es: "Das sind viele." Wer im Zusammenhang mit der Corona-Verordnung welche Verantwortung trägt, ist laut Ministerium klar geregelt.

Gesetzliche Vorgaben beachten

Die Verantwortung für die Sicherheit und den Schutz der Reha-Patienten trägt die jeweilige Einrichtung, teilt der Sprecher des Sozialministeriums auf Stimme-Anfrage mit. Die Klinik müsse die Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes beachten und ihre Entscheidungen mit der zuständigen Behörde - insbesondere dem Gesundheitsamt - abstimmen. Das Gesundheitsamt ist außerdem für die Kontrolle zuständig. "Die Reha-Einrichtungen unterliegen der infektionshygienischen Überwachung durch das jeweilige Gesundheitsamt."

Wie kontrollierte das Landratsamt Heilbronn, ob und wie die Klinik in Wimpfen die Corona-Vorschriften einhielt? "Mit der SRH stand und steht das Gesundheitsamt in einem intensiven Kontakt", teilt Sprecher Manfred Körner mit. Es sei mehrmals am Tag telefoniert worden. "Wir telefonieren regelmäßig mit den Einrichtungen und fragen gezielt nach, um zu überprüfen, ob bestimmte Maßnahmen ergriffen worden sind und wirken." Gegebenenfalls würden dann weitere Anordnungen erlassen.

Patienten harren in Zimmern aus

Vor mehr als einer Woche, am 17. April, wurde das Wimpfener Gesundheitszentrum unter Quarantäne gestellt. 191 Patienten und Mitarbeiter waren positiv auf das Virus getestet worden. Die Zahl stieg auf mehr als 200. Infizierte Mitarbeiter befinden sich in häuslicher Isolierung. Die betroffenen Patienten müssen in ihrem Einzelzimmer ausharren. In der Folge äußerten Patienten und deren Angehörige massive Kritik an der Klinik.


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"In den sozialen Medien und in der Presse kursieren viele Geschichten. Bei uns im Landratsamt ist aber nichts eingegangen", hieß es dazu noch am vergangenen Freitag. Gestern teilte die Behörde mit, dass es "vereinzelt Hinweise in Telefonaten gab im Rahmen unserer Kontaktermittlungen". Auf diese sei sofort mit weiteren Maßnahmen reagiert worden und wegen der Eile zunächst telefonisch.

Wie berichtet, gab es nach Informationen unserer Zeitung gravierende Missstände in der Reha-Klinik im Umgang mit der seit Mitte März geltenden Corona-Verordnung. Den Vorwürfen trat die SRH Holding mit Sitz in Heidelberg stets entgegen: Schutzregeln würden penibel eingehalten.

Fünf Menschen sind verstorben

Wie am Wochenende bekannt wurde, ist ein 81 Jahre alter Mann aus dem Kraichgau mit Covid-19 verstorben. Die Hinterbliebenen sind der Meinung: Hätte der Senior das Virus nicht bekommen, wäre er noch am Leben. Der 81-Jährige ist nicht der einzige Todesfall im Zusammenhang mit dem Corona-Ausbruch in der Klinik. Vier weitere Patienten, davon drei aus anderen Landkreisen, sind nach Angaben des Heilbronner Landratsamts inzwischen verstorben.


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Infizierte aus Wimpfener Reha-Klinik auf Intensivstation


Fassungslos sind Patienten und Angehörige. Dies geht aus Äußerungen gegenüber der Stimme-Redaktion hervor. Grundsätzlich könne man sich bei Beschwerden auch an die Kostenträger wenden, teilt das Sozialministerium mit, gemeint sind die jeweiligen Krankenkassen der Patienten. Beim Infektionsschutz sei aber vorrangig das Gesundheitsamt die richtige Stelle.

Um das Virus in der Klinik in den Griff zu bekommen, werden seit gut einer Woche keine neuen Patienten aufgenommen. Außerdem nimmt das Gesundheitsamt weitere Tests vor. Nach Angaben von Sprecher Manfred Körner wurden alle zuvor negativ getesteten Patienten in den zurückliegenden Tagen erneut getestet. Gestern sei bei allen negativ getesteten Mitarbeitern nochmal ein Abstrich gemacht worden.

Bürgermeister: Aufarbeitung notwendig
Die Ereignisse in der Bad Wimpfener Reha-Klinik beschäftigen viele Bürger. Aus Sicht von Bürgermeister Claus Brechter ist "eine Aufarbeitung der Vorgänge im SRH Gesundheitszentrum im Zusammenhang mit der Infektionsentwicklung selbstverständlich notwendig". Dies sehe auch das Unternehmen so. Die Bewertung der Situation erfolge durch das Gesundheitsamt des Landratsamts als zuständige Fachbehörde. Dies betreffe auch die Anordnung der Maßnahmen im Zuge des Infektionsgeschehens. Die Stadt steht laut Brechter im Dialog mit dem Gesundheitsamt und wird über die wesentlichen Anordnungen informiert. Die Einhaltung der Vorgaben werde gemeinsam durch das kommunale Ordnungsamt und das Landratsamt im Rahmen der jeweiligen Zuständigkeiten überwacht. Bei Kontrollgängen von Mitarbeitern des Ordnungsamts würden auch die öffentlichen Außenbereiche des SRH Gesundheitszentrums mit einbezogen.

 

Kommentar: Skandalös

Hat die Reha-Klinik in Bad Wimpfen alles getan, um die ungehemmte Ausbreitung von Covid-19 zu verhindern? Die Zahl von mehr als 200 infizierten Patienten und Mitarbeitern binnen kurzer Zeit lässt nur eine Antwort zu: Nein.

Die Berichte von Patienten und Angehörigen unterscheiden sich nur im Detail. Einfachste Vorschriften wie Abstand halten, drinnen bleiben, Kontakte vermeiden wurden ignoriert. Pflegepersonal, Ärzte und Therapeuten hatten zu wenig Schutzausrüstung. Das sorglose Verhalten einiger Patienten trug zum Corona-Chaos bei. Und offenkundig hat keiner versucht, dem gefährlichen Treiben Einhalt zu gebieten. Das ist skandalös.

Infizierte Reha-Patienten und Pflegekräfte liegen im Krankenhaus, einige werden intensivmedizinisch behandelt. Fünf Patienten mit Covid-19 starben. Angesichts des Leids, das der Corona-Ausbruch einigen Betroffenen und Angehörigen gebracht hat, ist es nicht hinnehmbar, dass sich niemand glaubhaft verantwortlich zeigt. Die Klinik behauptet, sich an Auflagen und Hygienevorschriften gehalten zu haben. Das Gesundheitsamt des Landratsamts Heilbronn tut gerade so, als ginge es das alles nichts an. Es reicht nicht aus, nur telefonisch Kontakt aufzunehmen statt sich – unangekündigt – persönlich ein Bild vor Ort zu machen. Patienten und Mitarbeiter wurden im Stich gelassen. Die Pandemie wird nicht so bald verschwinden. Vorgänge wie in Wimpfen dürfen sich nicht wiederholen. Der laxe Umgang mit dem Virus kostet Menschenleben.

 

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