Wer nicht bezahlt, geht in den Knast
Mörder, Totschläger, Betrüger gehören hinter Gitter. In den Gefängnissen sitzen aber nicht nur die "schweren Jungs". Auch wer eine Geldstrafe nicht zahlt, dem droht der Knast. Das belastet die ohnehin vollen Justizvollzugsanstalten im Land. Aber wer sind diejenigen, die für kurze Zeit einfahren?

Im Gefängnis sitzen nicht nur Schwerverbrecher. Menschen, die wegen vergleichsweise geringer Vergehen eine Geldstrafe aufgebrummt bekommen und diese nicht bezahlen, wandern in den Bau. Nahezu jede Woche nimmt die Justizvollzugsanstalt (JVA) Heilbronn jemanden auf, der dem Empfinden nach dort gar nicht hingehört. Bei diesen speziellen Insassen handelt es sich um eine illustre Klientel. Sie stellt die Anstalt vor Herausforderungen.
44 Menschen hinter Gittern
Zurzeit verbüßen "nur" zwei Männer eine Ersatzfreiheitsstrafe in der JVA Heilbronn. "Das ist relativ ungewöhnlich", sagt Anstaltsleiter Andreas Vesenmaier. Vergangenes Jahr sind 44 Menschen in Heilbronn hinter Gitter gekommen, weil sie ihre Geldstrafe nicht zahlten.
Dazu gehören Kleinkriminelle. Suchtabhängige Männer, die wegen Betäubungsmitteln mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Alkoholiker, die im Laden wiederholt eine Schnapsflasche mitgehen lassen.
Vesenmaier hat es aber auch mit Menschen zu tun, die es im Alltag nicht geregelt bekommen, den Briefkasten zu leeren. Steckt ein Strafbefehl zwischen den Papieren, geht der einfach unter. "Menschen, die verwahrlosen." Menschen ohne Angehörige, die sich kümmern. Hochbetagte. Und dann sind da noch die "querulatorisch veranlagten" Straffälligen, die den Staat und deshalb auch die Zahlung einer Geldstrafe ablehnen.
Druckmittel, damit Geldstrafen bezahlt werden
Über eine Ersatzfreiheitsstrafe entscheidet die Staatsanwaltschaft Heilbronn. Ein Tagessatz Geldstrafe entspricht einem Tag im Gefängnis. Wer kürzer als sechs Monate in Ersatzhaft kommt, wird aus der JVA Heilbronn nach Offenburg verlegt. In Pandemiezeiten heißt das: Die obligatorisch vorgeschriebenen zwei Wochen Quarantäne sitzen die Betreffenden in Heilbronn ab. "Bei einigen reicht schon die Quarantänezeit, um die Ersatzstrafe abzuleisten", sagt Vesenmaier. In einigen Fällen erkläre sich die JVA bereit, einen Gefangenen auf seinen Wunsch in Heilbronn zu behalten, etwa wenn er seinen Lebensmittelpunkt hier hat und Angehörige nicht in der Lage sind, den Weg nach Offenburg auf sich zu nehmen. "Anträge dieser Art müssen jedoch ausführlich begründet werden und unterliegen einer strengen Prüfung."
Gefängnis statt Geldzahlung ist ein zweischneidiges Schwert. "Der Staat braucht ein Druckmittel, um glaubwürdig zu sein", sagt Vesenmaier. Es gehe um die Durchsetzung des staatlichen Strafverfolgungsanspruchs. Die Kehrseite: Selbst eine kurze Zeit im Gefängnis kann die komplette Infrastruktur eines Menschen zerstören.
Kurze Zeit in Haft kann Leben zerstören
Wer 30 oder 35 Tage im Gefängnis sitze, könne in der Zeit seine Wohnung oder Arbeit verlieren. Unter dem Gesichtspunkt der Resozialisierung hält Vesenmaier eine Ersatzstrafe im Gefängnis für schwierig. Sein Team leistet bei den Betroffenen Hilfe zur Selbsthilfe. "Wir regeln nicht alles für den Insassen." Man leite sie stattdessen an, eigene Anträge zu formulieren. Dabei gehe es beispielsweise um Fragen wie die Übernahme von Mietkosten durch die Kommune. Mitunter sind Haustiere zu versorgen. "Es gibt viele Dinge im Hintergrund zu regeln", fasst Vesenmaier den Aufwand zusammen.
Projekt, um Ersatzfreiheitsstrafen zu vermeiden
Das Justizministerium Baden-Württemberg versucht, diesem Aufwand entgegenzuwirken. Es unternehme erhebliche Anstrengungen, um die Zahl der Ersatzfreiheitsstrafen zu reduzieren, sagt ein Sprecher. "Das spart dem Steuerzahler bares Geld: ein Tag in Haft kostet rund 120 Euro." Justizministerin Marion Gentges sieht in der Ersatzfreiheitsstrafe ein gutes Druckmittel, damit Geldstrafen bezahlt werden. Dennoch: "Diese Menschen sind zu Geldstrafen verurteilt worden und sollten daher eigentlich nicht ins Gefängnis." Stand Ende Dezember befinden sich 510 Menschen in Baden-Württemberg deswegen in einer JVA.
Um das zu vermeiden, gibt es in Baden-Württemberg verschiedene Modelle. Mit "Schwitzen statt sitzen" kann eine Person die Geldstrafe abarbeiten. Landesweit läuft inzwischen ein weiteres Projekt, in dem die Betroffenen vor einem drohenden Arrest gezielt auch bei Hausbesuchen angesprochen werden. Neu ist das "Day-by-day-Modell", wodurch eine Strafe, die bereits angetreten worden ist, auch in der Haft abgearbeitet werden kann. "Die rechtlichen Voraussetzungen dafür haben wir im Sommer geschaffen, derzeit werden Pilotprojekte entwickelt", sagt Gentges. Sie kündigt einen weiteren Ausbau der Modelle an.
Das kommt Andreas Vesenmaier entgegen. "Wir haben in den Gefängnissen eine Überbelegung", sagt er. Es sei wichtig, bei Inhaftierungen die richtigen Schwerpunkte zu setzen.





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