Stimme+
Region
Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

Wenn Waschmittel zu teuer ist: Wie eine alleinerziehende Mutter in Heilbronn einkauft

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Von der Herausforderung, mit knappem Budget der Preissteigerung zu trotzen und der Angst, dass alles noch teurer wird.

Anhand der Angebote entscheidet Jutta Käfer, was sie einkauft.
Anhand der Angebote entscheidet Jutta Käfer, was sie einkauft.  Foto: privat

Die Inflation von derzeit 7,9 Prozent spürt Jutta Käfer (Name von der Redaktion geändert) empfindlich am Geldbeutel. Statt 110 Euro die Woche muss sie jetzt 150 Euro ausgeben für Käse, Gemüse, Joghurt und Fleisch. Doch, es gibt noch Fleisch für sie und ihren 15-jährigen Sohn. Kein Steak natürlich, sie lacht: unbezahlbar. Aber Hackfleisch und Ähnliches, wenn es im Sonderangebot ist und die Hälfte vom Normalpreis kostet. Das kommt in den Gefrierschrank, der ist ihr Budget-Retter.

 


Mehr zum Thema


Jutta Käfer kauft im Winter Sommersachen, im Sommer Wintersachen, das ist billiger

Jutta Käfer sagt: "Mein Sohn ist 1,80 groß und isst wie ein erwachsener Mann." Um 14 und um 18 Uhr sowie kurz vorm Schlafengehen hat er Hunger. Drei Mal im Jahr braucht er Kleider, Unterhosen, Jeans, alles: "Er wächst so schnell." Damit es billiger wird, kauft sie antizyklisch: im Sommer Wintersachen und im Winter Sommersachen. Manchmal sind fünf T-Shirts im Angebot, dann tut sie sich mit Nachbarn zusammen, und sie teilen die Kleider auf.

Die alleinerziehende Mutter ist niemand, der jammert

Jutta Käfer ist kein Typ, der jammert. Sie ist top organisiert und versucht klarzukommen mit den 1100 Euro, die sie in Teilzeit verdient, auch wenn sie gern mehr arbeiten würde. Und sie ist froh, dass es geklappt hat, die Stelle aufzustocken. Um sieben Prozent nur, aber immerhin. Dazu kommen 400 Euro für eine Stelle als Reinigungskraft. Plus 300 Euro Unterhalt für den Sohn und 200 Euro Kindergeld.

An Ausgaben schlagen 700 Miete zu Buche, in 50-Euro-Raten stottert sie die Waschmaschine ab, weil die alte kaputtgegangen ist, 600 Euro braucht sie fürs Essen, 110 Euro für sich und den Sohn für die Busfahrkarten - vor Einführung des 9-Euro-Tickets, 100 Euro gehen für Nachhilfe, 75 Euro für Internet und beide Handys drauf.


Mehr zum Thema

Anna Paula Tasilwa von der Eis-Manufaktur Buonissimo.
Stimme+
Heilbronn
Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

Heilbronner Eisdielen ziehen ein erstes Zwischenfazit zur Saison


Für die Nebenkostennachzahlung legt sie monatlich Geld zur Seite

Zwei Mal wöchentlich hat der Sohn Nachmittagsschule, und weil es keine Mensa gibt, benötigt er 15 Euro die Woche, um sich etwas zu essen zu besorgen. Dringend sucht er einen Nebenjob. Zusätzlich versucht die gelernte Köchin, monatlich 50 Euro für die Nebenkostennachzahlung zur Seite zu legen und, wenn möglich, noch mehr zu sparen. "Ich habe Angst vor der Zukunft. Angst, dass alles noch teurer wird."

Wie immer hat sie vor ihrem Einkauf Prospekte studiert und arbeitet jetzt die Angebote ab, läuft zügig durch die Gänge des Discounters, den Blick auf Schnäppchen-Preisschilder und den Inhalt von Retterkisten voller Lebensmittel mit nahendem Verfallsdatum geheftet. Oft schüttelt sie den Kopf: "Immer noch zu teuer." Und verlässt den ersten Discounter, ohne irgendetwas gekauft zu haben.

Einen Haushalt wirtschaftlich zu führen, aus dem Wenigen das Beste herausholen, über diese Kunst könnte sie Kurse geben. Bananen, das Kilo für einen Euro, Leerdamer für 1,25 statt 2,60 Euro, ein Päckchen Hähnchenleber für 1,25 Euro: Im nächsten Laden sind die Preise besser. Ein Päckchen Blaubeeren für einen Euro und ein Becher Naturjoghurt, das ist günstiger und gesünder als fertiger Früchtejoghurt, findet sie. Dazu Cherry-Tomaten für 69 Cent, die sonst 1,69 kosten, Salat für 59 Cent. Sieben Produkte für 7,15 Euro. Jutta Käfer ist zufrieden. Für heute wird es reichen.


Mehr zum Thema

Robert Habeck, Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, hat erneut zum Energiesparen aufgerufen.
Stimme+
Moskau/Berlin (dpa)
Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

Gazprom drosselt Gas-Lieferungen - Energiespar-Debatte


Spontankäufe sind nicht drin

Ihre Planung erfordert Zeit und Disziplin. Ohne Auto ist sie darauf angewiesen, drei, vier Mal die Woche einzukaufen. Was sie kocht, überlegt sie anhand der Angebote genau. Spontankäufe? Fehlanzeige. Am Regal einem Impuls nachgeben? Nicht drin.

Im Drogeriemarkt fällt ihr ein, dass sie im Discounter Toilettenpapier vergessen hat. Dort hat es zuletzt 2,10 Euro gekostet. Nochmal zurückgehen? Zu aufwendig. Zähneknirschend greift sie zu den teuren Rollen: 2,39 Euro. Dafür mit Superhelden, welche Ironie.

Für die Zahnbehandlung muss sie einen Kredit aufnehmen

Sorgen macht ihr, dass sie dringend eine Zahnbehandlung braucht: Bis zu 4000 Euro wird die Rechnung betragen, hieß es. "Dann muss ich einen Kredit aufnehmen." Und monatlich 150 Euro zurückzahlen. Ob das geht? Wo kann sie noch sparen?

Nicht am Urlaub, der ist ja schon längst nicht mehr drin. Sie winkt ab. "Und mein Sohn hat andere Interessen." Waschmittel versucht sie jetzt selbst zu machen. Mit Kernseife, Soda, Essig. Auf dem Balkon pflanzt sie Paprika, Salat und Gurken, um Ausgaben zu reduzieren.

Jutta Käfer hat es nicht leicht gehabt im Leben, war früh auf sich allein gestellt, jetzt sorgt sie für sich und ihr Kind. Auch das schafft sie: allein. Ein Lichtblick ist die Gaffenberg-Freizeit. Dort kann sie 700 Euro steuerfrei verdienen. "Wenn etwas übrig bleibt, gehe ich von dem Geld zum Friseur. Als Belohnung."


Zu wenig Lebensmittelspenden für die Heilbronner Tafel

Während in Discountern Retterkisten mit reduzierten Lebensmitteln, deren Haltbarkeitsdatum bald abläuft, gefragt sind, ist die Lage bei den Tafeln in der Region weiter angespannt. Sie brauchen mehr Lebensmittel-Spenden, es mangelt an Mehl, Öl, aber auch an Hygieneprodukten. Gleichzeitig steigt der Bedarf, bis zu zwei Stunden warten die Menschen vor der Tür auf Einlass. "Die Preiserhöhung ist ein großes Problem", sagt der stellvertretende Tafel-Chef Marco Schönberger. Täglich stellt sein Team rund 30 neue Tafel-Ausweise für Bedürftige aus, die zum Einkauf berechtigen.

Kommentare öffnen
Nach oben  Nach oben