Welche Corona-Maßnahmen nun gelockert werden
Bund und Länder haben erste zaghafte Lockerungen beschlossen. Kleinere Geschäfte sind ab Montag wieder offen, es gibt aber keine Großveranstaltungen bis 31. August, weshalb das Heilbronner Weindorf fraglich ist. Echte Normalität ist also noch weit entfernt.

Nach wochenlangen Einschränkungen durch strenge Corona-Regeln kann Deutschland langsam wieder durchatmen: Bund und Länder einigten sich am Mittwoch nach zähen Verhandlungen auf einen Stufenplan für erste vorsichtige Lockerungen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte zwar die Einigkeit der Beteiligten.
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) machte anschließend aber bereits deutlich, dass er zumindest in Details eigene Wege gehen wird. Grundsätzlich sollen die zur Eindämmung der Corona-Pandemie verhängten Kontaktbeschränkungen weiter gelten, und zwar bis zum 3. Mai.
Keine Großveranstaltungen bis zum 31. August
Restaurants, Kneipen und Bars bleiben demnach geschlossen. Religiöse Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen und Synagogen sind weiterhin untersagt. Auch Großveranstaltungen bleiben weiter grundsätzlich untersagt - und zwar bis zum 31. August. Davon werden wohl auch Fußballspiele betroffen sein.
Lockerungen sieht der Bund aber im Handel vor. Ab dem 20. April dürfen demnach Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von bis zu 800 Quadratmetern wieder öffnen. Dies allerdings nur unter strengen Hygiene- und Zugangsbeschränkungen, wie Merkel betonte.
Schulen werden am 4. Mai für Abschlussklassen geöffnet

Ab dem 4. Mai, so der Bund, kann auch in den Schulen der Betrieb wieder beginnen - zunächst für Schüler der Abschlussklassen. Die Kultusminister sollen ein Konzept erarbeiten, wie im Unterricht, aber auch im Schulbus, eine Verbreitung des Coronavirus verhindert werden kann. Hier dürfte es angesichts unterschiedlicher Bedarfe einen Flickenteppich geben.
Merkel räumte ein, dass dies "für die Eltern weiter Verzicht bedeutet". Merkel sprach angesichts der leicht rückläufigen Infektionszahlen von einem "zerbrechlichen Zwischenerfolg" und betonte: "Es darf jetzt kein falsches Vorpreschen geben". Die Menschen in Deutschland müssten so lange mit dem Virus leben, wie es keine Medikamente und insbesondere keinen Impfstoff gebe.
Erste Reaktionen aus Heilbronn
Den Weg der Regierungen hält der Heilbronner Oberbürgermeister Harry Mergel für "vernünftig und angemessen". Er sei eine "gute Balance" zwischen dem Schutz der Bürger, der Sicherung der medizinischen Versorgung und des Einzelhandels. "Schwer vorstellbar" ist für Mergel Stand heute, dass das Weindorf vom 10. bis 20. September stattfinden kann.

Die Schutzmaßnahmen seien notwendig gewesen, um den Kliniken Zeit zu verschaffen und vor allem die Intensivmedizin für die Versorgung einer großen Zahl von schwer kranken Patienten zu rüsten, heißt es von SLK. "Um diese Entwicklung nicht zu gefährden und Covid-19-Patienten auch weiter gut versorgen zu können, erscheint uns eine Verlängerung der sozialen Distanzierungsmaßnahmen angemessen", sagt SLK-Chef Thomas Weber. Sofern sich die Situation weiter stabilisiere, sei eine schrittweise Lockerung medizinisch vertretbar - das dürfe jedoch nicht dazu führen, dass Hygieneregeln außer Acht gelassen werden, so Weber weiter.
Der Vorsitzende der Heilbronner Stadtinitiative, Thomas Gauß, übt Kritik an der Regelung für den Einzelhandel, wonach Läden bis zu einer Größe von 800 Quadratmetern öffnen dürfen. "Ich sehe darin keinen Sinn." Die einzig sinnvolle Bemessungsgrundlage sei es, eine Kundenanzahl pro Quadratmeter festzulegen. Dass der Lebensmittelhandel Elektroartikel, Sportsachen und Mode verkaufen dürfe, größere Fachmärkte aber geschlossen bleiben müssen, sei eine Wettbewerbsverzerrung.
"Verantwortungsvoll und mit Augenmaß getroffen", nennt Ralf Schnörr, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Heilbronn-Franken, die Maßnahmen. Vor allem für die gebeutelten Friseure und Fahrradhändler sei die Perspektive auf baldige Öffnung ein gutes Zeichen.
Kommentar: Offene Fragen
Von Jürgen Paul
So sehen sie also aus, die mit Spannung erwarteten ersten Schritte zurück zu einer neuen Normalität. Die Lockerungen, die die Bundesregierung gemeinsam mit den Ministerpräsidenten am Mittwoch beschlossen hat, wird die Diskussion über Sinn und Unsinn der Corona-Maßnahmen eher verschärfen denn beruhigen. Das zeigt die Kritik, die schon kurz nach Veröffentlichung der nächsten Schritte laut wurde.
Der Handel kritisiert zu Recht, dass nur Geschäfte mit einer Verkaufsfläche bis zu 800 Quadratmetern öffnen dürfen, während die riesigen Baumärkte in den meisten Bundesländern die ganze Zeit geöffnet sind. Warum sollen Hygiene- und Abstandsregeln in kleinen Geschäften besser funktionieren als in großen? Wo ist die Perspektive für die Gastronomie, die vor einer gewaltigen Pleitewelle steht? Sind Schulen und Lehrer in der Lage, in gut zwei Wochen zumindest für die Abschlussklassen regulären Unterricht unter verschärften Hygieneregeln abzuhalten? Diese offenen Fragen müssen beantwortet werden.
Klar ist seit Mittwoch, dass die Kontaktbeschränkungen mindestens bis 3. Mai bestehen bleiben und Großveranstaltungen bis 31. August verboten sind. Von einer echten Normalität sind wir also meilenweit entfernt. Bitter, aber wohl unvermeidbar. Ebenso klar ist aber auch, dass die Politik bald nachjustieren muss.