Was wird aus Tempo 40 in der Heilbronner Innenstadt?
Die Luftmessdaten bleiben weiter klar unter dem Grenzwert. Macht die Regelung dann noch Sinn? Die Stadt sieht keine Handhabe für Veränderungen am Luftreinhalteplan, die großen Fraktionen haben unterschiedliche Ansichten zu dem Thema.

Nach der Einführung von Tempo 40 an 18 großen Innenstadtstraßen in Heilbronn hat es einige Kritik gegeben. Anlass für den Schilderwechsel im März 2020 war, die Luft zu verbessern, damit Heilbronn vor allem beim Luftschadstoff Stickoxid unter den Grenzwert sinkt und Fahrverbote vermieden werden. Geldmacherei durch Blitzer witterten einige Bürger, andere sahen eine Verschlechterung der Ökobilanz, da viele bei Tempo 40 im zweiten Gang fahren und mehr Sprit verbrauchten; einige monierten, dass die grüne Welle nun viel schlechter funktioniere.
Jetzt liegt Heilbronn seit eineinhalb Jahren unter dem Stickoxidgrenzwert von 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft (Jahresmittel). Die Hauptmessstation Weinsberger Straße Ost zeigte von Januar bis August im Mittel 27 Mikrogramm - alles okay. Ist es da nicht an der Zeit, die Tempo-40-Regelung zumindest zu überdenken? Ist sie noch nötig?
Hinweis auch auf die Verkehrssicherheit
Als wichtigen Bestandteil des vom Regierungspräsidium aufgestellten Luftreinhalteplans stuft Jens Boysen die Tempo-40-Lösung ein. Für den Vizeleiter im Amt für Straßenwesen trägt die Maßnahme dazu bei, die Grenzwerte einzuhalten. Eine geringere Geschwindigkeit bewirke auch immer mehr Verkehrssicherheit, da sich Bremswege reduzieren. Über eine Aufhebung von Tempo 40 könne die Stadt nicht entscheiden. Solange der Luftreinhalteplan Bestand hat, sei man verpflichtet, die Schilder aufzustellen.
Kritik wurde auch daran laut, dass eine Fahrt durch Heilbronn durch den dauernden Wechsel von Tempo 30, 40 und 50 sehr verwirrend sei. Wie sehen die drei großen Fraktionen im Gemeinderat die Tempo-40-Zukunft in der Kernstadt?
Man sollte nicht vorschnell alles verändern, meint CDU-Chef Thomas Randecker
Generell sei auf großen Straßen Tempo 50 die Richtgeschwindigkeit, merkt CDU-Fraktionschef Thomas Randecker an. Aber: Es arbeiteten nach wie vor viele im Homeoffice. Und da die Luftschadstoffwerte auch wieder steigen könnten, "wäre es der falsche Weg, das Tempo dort vorschnell zu verändern". Die Bürger hätten sich nun an die neue Regelung gewöhnt. In den Straßen nehme der Radverkehr zu, es gehe auch um bessere Luft und verminderten Lärm. "Man muss auch die Menschen im Auge haben, die an den großen Straßen wohnen."
Kritik an drei Tempo-Vorgaben: Es ist unübersichtlich, findet Rainer Hinderer (SPD)
Rainer Hinderer (SPD) sieht einerseits eine Beruhigung des Verkehrs durch Tempo 40. Durch den Wechsel von Tempo 50, 40 und 30 in der Kernstadt gebe es aber eine große Unübersichtlichkeit. Es sei auch schwierig, Ampelschaltungen optimal auf diese Wechsel einzustellen. Hinderer kann sich ein System aus Tempo 50 und Tempo 30 vorstellen, wenn man zum Beispiel die Ringstraßen wieder auf 50 erhöht und im Gegenzug in ruhigeren Straßen mehr Tempo 30 einrichtet. "Es wäre besser für den Verkehrsfluss und für die Übersichtlichkeit", findet er. Aber: "Maßgeblich sind die Luftwerte."
Die Grünen haben große Sympathie für eine Entschleunigung, sagt Susanne Bay
Offen für eine Diskussion ist Susanne Bay (Grüne). Vorteile von Tempo 40 sieht sie in weniger Lärm und einer Entschleunigung in der Innenstadt. Dafür hätten die Grünen "eine große Sympathie". Sie kann sich aber vorstellen, dass man in bestimmten Straßen prüft, wieder Tempo 50 einzuführen. Nur: Die Schadstoffwerte sollten nicht steigen. "Gute Luft soll dauerhaft bleiben."
Was die Blitzerzahlen betrifft, hat sich die Beanstandungsquote nach Angaben von Rathaussprecherin Claudia Küpper nach Einführung von Tempo 40 erhöht. Diese sei immer höher, je niedriger die angeordnete Geschwindigkeit ist. Inzwischen aber sei ein Gewöhnungseffekt erkennbar. Die Beanstandungsquote sei rückläufig.
Zu Stickoxidmessungen an anderen Standorten in der Stadt legt die Landesanstalt für Umwelt Halbjahreswerte vor. Sie zeigen: Alle Stationen liegen unter dem Grenzwert, vielfach aber gibt es einen leichten Anstieg im Vergleich zum Jahr 2020. Höchstwerte hier: 32 und 31 Mikrogramm (Weinsberger Straße 22 und Frankenbacher Straße).
Regierungspräsidium will noch abwarten
Nach Angaben des Regierungspräsidiums Stuttgart ist der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft bei Stickstoffdioxid (Jahresdurchschnitt) in Heilbronn an der Hauptmessstelle Weinsberger Straße "erst im Jahr 2020 eingehalten worden" - mit einem Wert von 32 Mikrogramm. Noch im Jahr 2019 habe der Wert bei 47 Mikrogramm gelegen. Dieser Vergleich zeige die Bedeutung des Luftreinhalteplans und den Erfolg der Maßnahmen. "Es bleibt abzuwarten, ob sich diese positive Entwicklung im Jahr 2021 verstetigt. Hierfür maßgeblich ist der Jahresmittelwert 2021 und keine einzelnen Monatsmesswerte", stellt Sprecherin Stefanie Paprotka fest.