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Was steckt hinter dem Streit um Kinderimpfungen?

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Die Ständige Impfkommission sieht sich wegen ihrer eingeschränkten Empfehlung heftiger Kritik aus der Politik ausgesetzt. Impf-Experte Ulrich Enzel ordnet die Diskussion ein.

Der politische Druck auf die deutsche Ständige Impfkommission (Stiko) nimmt seit Wochen zu. Der Grund: Die Stiko hält an ihrer eingeschränkten Impfempfehlung für Personen unter 18 Jahre fest. Politiker unterschiedlicher Parteien kritisieren das Gremium dafür und befürworten die generelle Covid-Impfung für alle ab zwölf Jahre. Worum es in der Debatte genau geht, haben wir mit dem Schwaigerner Arzt und Impf-Experten Ulrich Enzel nachvollzogen.


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Thomas Mertens ist Vorsitzender der Ständigen Impfkommission.
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Zankapfel Kinder-Impfung - Wie die Stiko arbeitet


Zulassung und Empfehlung

Bevor ein Impfstoff in Deutschland eingesetzt wird, sind normalerweise zwei Schritte nötig: die Zulassung des Präparats durch die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) und die Prüfung und Empfehlung der Stiko. Für die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna gilt: Sie sind in der Europäischen Union - und auch in anderen Ländern wie den USA oder Großbritannien - ab zwölf Jahren zugelassen. Die Empfehlung der Stiko gilt aber nur für Kinder und Jugendliche mit bestimmten Vorerkrankungen, zum Beispiel Adipositas (Fettleibigkeit) sowie für Jugendliche mit Kontakt zu Risikogruppen. Ärzte dürfen den Impfstoff nach individueller Aufklärung und auf Wunsch von Eltern und Kindern trotzdem an alle ab zwölf Jahren verabreichen.

Begründung der Stiko

Die Stiko geht davon aus, dass das individuelle Risiko einer Covid-Erkrankung bei gesunden Kindern nicht höher ist als das Risiko möglicher Impfkomplikationen. Konkret sind, vor allem bei männlichen Jugendlichen, Fälle von Herzmuskelentzündungen in Folge einer Covid-Impfung aufgetreten. Die Stiko hat angekündigt, zunächst jüngere Daten aus den USA auszuwerten und auf dieser Basis eine aktualisierte Empfehlung herauszugeben. Wann das sein wird, ist nicht bekannt. Ulrich Enzel sagt: "Die Stiko arbeitet mit Hochdruck an diesem Thema." Seiner Einschätzung nach ist die bisherige Abwägung "sinnvoll auf Grundlage der derzeitigen Erkenntnisse". Schwere Verläufe bei gesunden Kindern und Long Covid seien "extreme Ausnahmen", so Enzel.


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Diskutieren mit Stimme-Redakteurin Valerie Blass (oben rechts): der Experte in Sachen Impf-Aufklärung Ulrich Enzel, Jana Kolberg von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und der Gymnasiast Lou Seemund.
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Stimme-Diskussion: Bei Luftreinigern gehen Meinungen auseinander


Die Politik

Anfang August haben die Gesundheitsminister der Länder beschlossen, dass alle Bundesländer Impfungen für Zwölf- bis 17-Jährige auch in Impfzentren oder auf andere niedrigschwellige Weise anbieten werden. Dieses Vorgehen ist ein Novum, bisher hat sich die Politik an den Empfehlungen der Stiko orientiert. Das habe auch ganz praktische Gründe, sagt Enzel: "Die Empfehlung ist normalerweise Grundlage für die Bezahlung der Impfung durch die Krankenkassen." Außerdem greife damit die Impfschadensregelung. Das heißt, dass der Staat im Falle eines Impfschadens alle Folgekosten übernimmt. "Die deutsche Regelung ist weltweit die beste und großzügigste", sagt Enzel. Die Einmischung der Politik in die wissenschaftliche Entscheidung der Stiko findet er "unmöglich".

Einfacher Schutz

Masketragen war ein weiteres großes Thema bei der Stimme-Online-Diskussion. Alle drei Teilnehmer waren sich einig: Das Tragen einer Maske ist sinnvoll und zu verkraften, wenn dadurch ein regelmäßiger Unterricht im neuen Schuljahr gewährleistet werden kann. Ulrich Enzel sagt, er verstehe nicht, warum vielerorts das Bedürfnis so groß sei, "auf diesen einfachen und wirkungsvollen Schutz zu verzichten".

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