Stimme-Diskussion: Bei Luftreinigern gehen Meinungen auseinander
Vor dem Unterrichtsstart im Herbst hat die Stimme-Redaktion eine Online-Diskussion veranstaltet. In diesem Gespräch forderte ein Impf-Experte aus Schwaigern vor allem die Impfung der Erwachsenen.

Viele Kommunen in der Region setzen in den letzten Wochen vor dem Schulstart darauf, Luftreiniger zu bestellen. Auch das Land fördert die Anschaffung, während beim Impfen offenbar die Luft raus ist. "Impfungen, Luftreiniger, Masken: Ist im Herbst eine Rückkehr zum normalen Unterricht möglich?" Darum ging es bei einer Online-Diskussion der Stimme, an der sich der 16 Jahre alte Lou Seemund, Jana Kolberg von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie der Impfexperte und ehemalige Kinderarzt Ulrich Enzel aus Schwaigern beteiligten.
Dem 16-jährigen Gymnasiasten ist die eigene Impfung wichtig - auch für seine Mitmenschen
Lou Seemund war sich schnell sicher, dass er geimpft werden will - und ist das inzwischen auch vollständig. Es ging ihm dabei auch um seine Mitmenschen, die Großeltern zum Beispiel und die Jugendlichen, denen er am Albert-Schweitzer-Gymnasium in Neckarsulm unter anderem bei seiner Mitarbeit im Schulsanitätsdienst begegnet. "Es war mir wichtig", sagt de 16-Jährige, der in diesem Jahr von seiner Schule die Albert-Schweitzer-Medaille für soziales Engagement erhalten hat. "Das Impfen hat so krass eine Auswirkung."
Impf-Experte sieht es als ethisch-moralische Pflicht an, dass sich Lehrer impfen lassen

Wie hoch die Impfquote unter Lehrern ist, darüber liegen keine Zahlen vor. Jana Kolberg, GEW-Vorsitzende im Kreis Main-Tauber/Hohenlohe, kennt nach eigenen Angaben nur sehr wenige Lehrer, die nicht geimpft sind. Ein Rektor hat die Quote im Gespräch mit unserer Zeitung kürzlich auf rund 60 Prozent geschätzt. Eine solch niedrige Quote ist aus Sicht von Ulrich Enzel "eine Katastrophe". Als Lehrer habe man eine Verantwortung den Schülern gegenüber. "Der Lehrer ist der Gefährder der Kinder", erklärt er, dass eher vom Lehrer aus Corona in eine Klasse eingetragen werden als umgekehrt, über die Schüler. Es sei eine ethisch-moralische Pflicht der Pädagogen, sich impfen zu lassen. "Die Kinder spielen bei Covid eine ganz untergeordnete Rolle."
Eine Impfplicht für Lehrerinnen und Lehrer lehnt Ulrich Enzel hingegen ab. "Jeder Druck führt zu Widerstand." Man finde immer einen Arzt, der ein Attest faxe und damit das Umgehen einer Impfung möglich mache. Enzel setzt stattdessen auf Aufklärung und Gespräche. Er unterstützt die Haltung der Ständigen Impfkommission (Stiko), die bislang keine generelle Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche ausgesprochen hat. Die Diskussion darüber lenke davon ab, dass bei den 18- bis 45-Jährigen zu wenig geimpft seien. Vor allem in dieser Gruppe gebe es nämlich die "Superspreader", also Personen, die sehr viele Mitmenschen mit dem Virus infizieren.
Jugendlicher hat Verständnis für Verunsicherung
Lou Seemund appelliert an die Älteren, sich für den Piks zu entscheiden. "Es müssen alle mitmachen." Nur so bekämen die Kinder und Jugendlichen jene Rechte zurück, die sie auf sich allein gestellt nicht wiedererlangen könnten. "Wir mussten alle Abstriche machen." Angesichts der heftigen Diskussionen über Für und Wider einer Impfung von Jugendlichen betont er aber auch: "Ich kann verstehen, dass viele verunsichert sind."
Aufzeichnung der Diskussion
Unter diesem Link ist die Online-Diskussion zum Anschauen verfügbar.
Lehrer-Vertreterin: Es ist nicht einfach, passenden Luftreiniger zu finden
Alle setzen darauf, dass ab Mitte September wieder Präsenzunterricht stattfindet. Jana Kolberg ist skeptisch, ob das tatsächlich klappt. "So richtig glaube ich noch nicht dran." Zurzeit wollen sich immer mehr Städte und Gemeinden Luftreiniger für Klassenzimmer kaufen. Jana Kolberg begrüßt diesen Ansatz, allerdings erwartet sie einen zeitlichen Verzug. "Zum Start des Schuljahrs werden Geräte nicht da sein." Die GEW-Kreisvorsitzende kennt Schulstandorte, die entsprechende Geräte bereits ausprobiert haben. "Etwas Passendes zu finden scheint gar nicht so einfach zu sein", sagt sie. Außerdem sei der Zeitpunkt in den Sommerferien ungeschickt, um Anlagen zu bestellen. Solche Anschaffungen sind zwar Aufgabe der Kommunen, allerdings würden Rektoren eingebunden - doch die seien gerade in der unterrichtsfreien Zeit. Viele Schulleitungen bräuchten die Erholung. Sie kämen auf dem Zahnfleisch daher. "Sie haben jetzt keinen Nerv, nach passenden Reinigungsgeräten zu schauen."
Das Albert-Schweitzer-Gymnasium in Neckarsulm bekommt für manche Räume Luftreiniger, sagt Lou Seemund. Für Ulrich Enzel stehen die Apparate nicht oben auf der Prioritätenliste. Stoßlüften reiche. Geräte könnten aber in Zimmern sinnvoll sein, die nur unzureichend gelüftet werden können.
Auf Masken im Sportunterricht kann seiner Ansicht nach verzichtet werden, auch in den Sporthallen. Jana Kolberg setzt dabei auch auf Einsicht der Behörden. Sie kennt Fälle, in denen Klassen beim Sportunterricht im Freien von der Polizei angehalten wurden und zum Masketragen verpflichtet wurden. "Man ist als Lehrer fassungslos." Fürs kommende Schuljahr hat Lou Seemund keine Verbesserungsvorschläge, aber einen Wunsch: "Wir brauchen klare Ansagen."