Was man zur Corona-App des RKI wissen muss
Um die Ausbreitung des Coronavirus zu erforschen, können Nutzer ihre Daten aus Fitness-Apps und Smart Watches an das Robert-Koch-Institut übermitteln lassen. 30.000 Menschen haben das bisher schon getan.

Um die Ausbreitung des neuen Coronavirus einzudämmen, hat das Robert-Koch-Institut (RKI) die App "Datenspende" veröffentlicht. Sie greift auf Fitness-Armbänder und smarte Armbanduhren zu und soll helfen, das Virus Sars-CoV-2 zu erforschen. Ist das sicher? Wir haben Fragen und Antworten gesammelt.
Wie funktioniert die App?
Die Datenspende-App des RKI kann freiwillig auf dem Handy installiert werden. Nutzer werden darüber aufgeklärt, welche Daten erhoben werden und wie lange sie gespeichert werden. Konkret sind das gerundete Angaben zu Geschlecht, Alter, Größe und Gewicht. Außerdem sollen Puls, Blutdruck, Temperatur, Schritte und Ruhezeiten sowie die Postleitzahl erfasst werden. Die Angaben sind verpflichtend.
Was wird mit den Daten gemacht?
Laut den Angaben soll die Datenspende eine Vorhersage des bundesweiten Erkrankungsverlaufs mit Covid-19 ermöglichen. Außerdem erhofft sich das RKI eine "verbesserte Steuerung von Eindämmungsmaßnahmen" und eine bessere Abschätzung der Dunkelziffer von Coronavirus-Erkrankten. Diese Vorhersagen könnten durch die Angabe der Postleitzahl sehr viel genauer als bisher getroffen werden, nämlich bis auf Kreis- und Stadtteil-Ebene. Wie wahrscheinlich es ist, dass jemand an Covid-19 erkrankt ist, soll die App durch wissenschaftliche Modelle berechnen. Mit Ruhepuls, Schlafdauer und Aktivitätslevel sollen bereits Aussagen über Symptome möglich sein. Die Werte würden sich durch eine "grippeähnliche Erkrankung" wie Covid-19 verändern.
Woher kommen die Daten?
Die Daten sollen von Fitness-Armbändern und smarten Armbanduhren kommen. Moderne Geräte können in der Regel den Puls messen, Schritte zählen und Bewegungen im Schlaf überwachen, oft weit mehr. Diese Infos werden per Bluetooth ans Handy übertragen und dort in einer App gespeichert. Apple und Google bieten eigene Apps an, in denen die Daten verschiedenster Geräte eingepflegt werden können. In einem Test des Autors konnten etwa die Daten eines fünf Jahre alten Fitness-Armbands über die hauseigene App von Apple als Datenspende eingepflegt werden.
Sind die Daten anonym?
Nein. Die Nutzung ist nicht anonym, sondern pseudonym. Jedem Nutzer wird eine zufällige Nummer zugewiesen, ein sogenannter Token. Diese verändert sich nicht und soll dazu dienen, dass App-Nutzer sich melden können, etwa wenn ihre Daten gelöscht werden sollen. Ob gewährleistet ist, dass Nutzer dadurch nicht identifiziert werden können, ist unklar. Das RKI betont, die App habe zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf identifizierende Daten wie Name oder Adresse. Die Daten würden nur auf Servern in Deutschland gespeichert und verarbeitet.
Gibt es Kritik?
Der Chaos Computer Club (CCC) hatte im Vorfeld zehn Kriterien aufgestellt, die eine solche App aus Sicht des Vereins erfüllen muss. Mehrere der Kriterien erfüllt die RKI-App nicht oder nur teilweise. So ist etwa der Quelltext nicht öffentlich einsehbar. Das sei jedoch nötig, damit Interessierte die Funktionsweise der App überprüfen und nachvollziehen könnten. Der CCC lehnt auch eindeutige Nutzerkennungen, durch die Einzelpersonen erkannt werden können, ab. Falls Identifikationsnummern verwendet werden, müssten diese wechseln und durch einen privaten Schlüssel, den nur der Nutzer kennt, ergänzt werden.
Ist die App also zu empfehlen?
Aufgrund solcher offenen Fragen würde Stefan Leibfarth vom Stuttgarter CCC die Anwendung nicht nutzen. "Grundsätzlich finde ich die Idee gut, diese App würde ich aktuell nicht empfehlen." Er hoffe, dass noch nachgebessert und mehr Transparenz geschaffen werde. Leibfarth betont jedoch auch: "Der Nutzen ist nur vorhanden, wenn genug Menschen mitmachen." Ohnehin wird aber nur ein Teil der Bevölkerung die App nutzen können. Denn eine repräsentative Online-Umfrage des Splendid-Research-Instituts kommt zum Ergebnis, dass nur 33 Prozent der Deutschen Gesundheitsdaten elektronisch aufzeichnen. Nur etwa ein Viertel nutzt dafür Armbänder und Uhren. Und die sind im Schnitt jünger als 30 Jahre. Die Zielgruppe der 50- bis 60-Jährigen, die laut RKI als Risikogruppe für eine Ansteckung mit dem Coronavirus gilt, lehnt die Nutzung von Gesundheits-Apps laut Umfrage ab.
Könnte es daran scheitern?
Nicht unbedingt. Anfang März ergab eine andere Studie der Oxford University, die in mehreren Ländern durchgeführt wurde, dass viele Menschen in Deutschland bereit wären, eine App zur Bekämpfung des Coronavirus freiwillig zu installieren. Eine knappe Mehrheit hätte es sogar befürwortet, dass eine App automatisch auf dem Smartphone installiert wird − wenn man sie deinstallieren kann. Als Gründe nannten diese Befragten, Freunde und Familie schützen zu wollen und das Bedürfnis, zu wissen, ob man selbst infiziert ist. Dagegen sprachen sich Menschen aus, die eine Überwachung durch den Staat nach Ende der Pandemie befürchteten oder besorgt waren, gehackt zu werden.
Wie geht es weiter?
Für die Datenspende-App hatten sich laut RKI bis Dienstagabend 30.000 Menschen angemeldet. Nach Ostern soll es in acht Ländern zudem eine europäische Corona-Warn-App geben. Das Projekt namens Pepp-PT soll Infektionsketten über Grenzen hinweg sichtbar machen. Die App soll freiwillig sowie anonym sein und den Datenschutz gewährleisten. Hat man sie installiert, tauscht sich das eigene Handy mit anderen App-Nutzern per Bluetooth aus, um Kontaktpersonen zu ermitteln. Wer Kontakt zu Infizierten hatte, soll gewarnt werden. Die Bundeswehr hat das Konzept in Deutschland erprobt.
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