Vor der Klasse: Junglehrer erzählen vom Alltag an Schulen
Erst seit wenigen Jahren im Dienst: So ist es, als neuer Pädagoge vor den Kindern zu stehen. Das sind Erfahrungen von zwei Lehrern, die an einer Heilbronner Realschule sind.

Kommen nun tatsächlich wieder mehr Nachwuchslehrer an die Schulen? Die landesweiten Zahlen für den sogenannten Vorbereitungsdienst im Jahr 2024 zeigen nach oben, doch selbstdas Kultusministerium ist zum jetzigen Zeitpunkt weiterhin vorsichtig: Wie viele Studenten ihren Dienst im laufenden Schuljahr antreten, ist nicht abzuschätzen. Mancher besteht die Prüfung nicht, andere werden schwanger und fallen deshalb wieder weg. Shannen Sommerer und Jakob Werner haben alles geschafft, Studium, die Zeit als Referendar danach - und seit drei Jahren gehören sie zum Team der Heinrich-von-Kleist-Realschule in Heilbronn. Lehrer: ein Job mit Herausforderungen und vielen positiven Überraschungen.
Für Jakob Werner beginnt die Zeit an der Realschule als Klassenlehrer einer fünften Klasse. Die Kinder sind neu, der Lehrer, der vor ihnen steht, auch: Wer in diesem Moment nervöser war, das weiß der heute 28-Jährige nicht mehr. Aber auf jeden Fall alle, sagt er. Diese erste eigene Klasse hat dem Geographie-, Technik- und Sport-Lehrer viel bedeutet. Es geht gerade nicht nur um den Stoff, sondern eben auch um die Gemeinschaft. Verhaltensregeln der Realschule lernen, den Umgang miteinander hinbekommen: Die Grundsteine an der weiterführenden Schule werden in der Fünften gelegt. "Man sieht dann, welche Früchte das alles trägt", erzählt Jakob Werner. Die ersten Schüler von Shannen Sommerer steckten in der Pubertät, mit Achtern hat sie begonnen. "Wir sind Lebensbegleiter", erzählt sie von dieser Zeit. "Man sieht, wie die Kinder erwachsen werden." Sie begeistert am Beruf die Abwechslung und dass man von Schülern viel zurückbekommt. Mit Schülern ging es nach London oder Berlin, alle lernen sich dabei anders kennen.
Als junger Lehrer vor einer Klasse: Mit diesen Erfahrungen tritt man den Dienst an
Das Studium und den Vorbereitungsdienst sehen die Junglehrer als eine Zeit an, in der sie viele Möglichkeiten für den Unterricht mitbekommen. Jakob Werner spricht von einem Werkzeugkoffer. Den perfekten gebe es nicht, aber je mehr Bestandteile er hat, desto besser sei man für Herausforderungen gewappnet. Elternarbeit ist neu, eine Umstellung bedeutet das Lehrersein: Das Referendariat brachte 13 Wochenstunden mit Unterricht, daraus wurden dann als Lehrer 27. Die Vorbereitung des Unterrichts, das Korrigieren, die E-Mails am Nachmittag zu beantworten, das kommt oben drauf. Hier die Balance zu finden, war zunächst schwierig.
Jakob Werner überschlägt die Zeit, die er in den ersten Wochen und Monaten arbeitete. 60 bis 70 Wochenstunden seien zusammengekommen. Sich Grenzen zu setzen, "das musste ich auch lernen". Shannen Sommerer nahm den Tipp auf, sich einen Tag komplett rauszunehmen. "Bei mir ist es der Samstag." Das ist auch an anderer Stelle wichtig, um sich nicht immer mehr aufzubürden. Sie kennen die Zahlen, wissen um die Lücken in Lehrerzimmern. Man müsse aufpassen, sagt sie, dass man nicht in eine Spirale gerate und am Ende mit Burn-out ausscheide.
In der Ausbildung erhalten angehende Lehrer viele Informationen mit, wie man Regeln durchsetzen soll. Positives belohnen, Negatives sanktionieren, das kann natürlich funktionieren. Vor allem die Jüngeren freuen sich über Aufkleber im Heft als Lob. Shannen Sommerer bemerkt, dass ein anderer Punkt allerdings besonders wichtig ist: "dass man authentisch bleibt."
Die Kinder geben den Lehrern viel zurück
Vergangenes Schuljahr unterrichtete Jakob Werner eine zehnte Klasse. Verantwortung für die Kinder hat man immer, doch die Schüler, die vor einem Abschluss stehen, sind dann doch anders. "Das ist ein ganz anderes Maß an Verantwortung und Druck." Erleichtert und auch stolz sind dann auch die Lehrer bei der Zeugnisübergabe. Das sind jene Momente, bei denen die Schüler zeigen, was die Pädagogen ihnen tatsächlich bedeutet haben. "Wir wollen mit euch unseren Abschluss feiern", das hat Shannen Sommerer gehört. Diese besondere Beziehung hält an. Manchmal hat sie ihre Ehemaligen auf Festen getroffen, die kamen auf sie zu und redeten drauflos. "Das ist schön", sagt sie. "Es ist einem gar nicht bewusst, dass wir einen solchen Einfluss haben", erzählt die 29-Jährige, die Englisch, Gemeinschaftskunde, Geschichte und seit diesem Schuljahr noch Sport und Musik gibt.
Solche Momente gibt es immer wieder. Jugendliche, selbst in der Pubertät, können einschätzen, wenn Stunden besonders wichtig sind. Einmal hatte sich Schulleiterin Melanie Haußmann zu einem Unterrichtsbesuch angekündigt, erzählt Jakob Werner. "Die Kinder haben den Unterricht toll mitgetragen." Wie besonders dieser Unterricht war, hat er selbst erst später realisiert. Shannen Sommerer kennt ebenfalls solche Situationen, wenn selbst ansonsten "quatschende Klassen" plötzlich mucksmäuschenstill sind. "Das erwartet man nicht. Die Schüler machen es für einen." In diesen Augenblicken erkennt sie, was dann doch tief in den Jugendlichen drin ist, unter der Coolness, die sie manchmal nach außen tragen. "Wir sehen: Sie können es." Ähnlich sieht es aus, wenn Jugendliche bei einem Ausflug von einem Museum so begeistert sind und vieles wissen wollen. Dass diese Klasse so dabei war, davon konnte sie nicht ausgehen. "Ich war schockiert", sagt sie - und meint das im positiven Sinn. "Der Unterricht hat tatsächlich gefruchtet."