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Verzicht auf Zucker ist kein Allheilmittel

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Experten diskutieren beim Gesundheitscheck der AOK Heilbronn-Franken und der Heilbronner Stimme über Übergewicht und die Gefahr durch das süße Nahrungsmittel.

 Foto: anaumenko stockadobecom

Zucker macht dick, Zucker macht süchtig, Zucker ist ungesund - diese Glaubenssätze sind weit verbreitet. Beim ersten Gesundheitscheck der AOK Heilbronn-Franken und der Heilbronner Stimme wurde allerdings schnell klar: So einfach ist es nicht. Zum Thema "Süße Sucht: Wie gefährlich ist Zucker?" diskutierten Dr. Cornelia Klug, stellvertretende Forschungsleiterin an der Dualen Hochschule in Heilbronn, Dr. Paul-Martin Pfeuffer, stellvertretender Geschäftsführer des Dachverbandes Süddeutscher Zuckerrübenanbauer, die Eppinger Kinder- und Jugendärztin Dr. Simone Schulze und Professor Kai Kolpatzik, Leiter des Bereichs Prävention beim AOK Bundesverband, der aus Berlin zugeschaltet war. Die Veranstaltung moderierte Tanja Ochs, stellvertretende Stimme-Chefredakteurin.

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Wer auf Zucker verzichtet, nimmt nicht automatisch ab

Bei Übergewicht, das auch bei Kindern immer häufiger vorkommt, spielen viele Faktoren eine Rolle, stellte Cornelia Klug klar. "Zucker ist nicht allein schuld." Wer darauf verzichte, nehme nicht automatisch ab. Beim Zuckerkonsum kommt es auf das richtige Maß an, fand Paul-Martin Pfeuffer, und darauf, wie aktiv ein Mensch ist. "Zucker ist am Ende ein kurzkettiges Kohlenhydrat, das gut schmeckt", fasste er zusammen. "Es gehört zur Ernährung dazu." Was jedoch das richtige Maß ist, wissen viele Menschen und vor allem Kinder und Jugendliche nicht, berichtete Simone Schulze aus ihrem Praxisalltag. Sie bietet seit Jahren Programme für übergewichtige Kinder an.

Süße Getränke wie Softdrinks, Säfte und Eistees gehörten bei vielen jungen Menschen zum täglichen Leben dazu. Diese wegzulassen, bringe oft schon einen großen Erfolg, sagte Simone Schulze, die von einer steigenden Zahl an Patienten mit Übergewicht und Adipositas berichtet. Während die Zahlen vor Corona eher gleichbleibend waren, steigen sie seit Beginn der Pandemie enorm. In der Folge hätten viele Kinder und Jugendliche bereits Diabetes, Gelenkprobleme, Bluthochdruck, Schlafstörungen oder Leberverfettung. "Aus ihnen werden großteils auch übergewichtige Erwachsene", betonte die Kinderärztin.


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Bunte Codes auf der Verpackung sollen bei Kaufentscheidung helfen


Verbraucher verstehen Nährwerttabellen oft nicht

Für Kai Kolpatzik lag der Schlüssel zur Lösung bei der Lebensmittelindustrie. Würde dort weniger Zucker verarbeitet und enthaltener Zucker besser deklariert, wäre das ein Fortschritt. Denn nicht jeder Verbraucher verstehe, was in der Nährwerttabelle steht, sagte er. Eine Einteilung in einfache Farbcodes wie beim Nutri-Score (siehe Text unten) sei da besser nachzuvollziehen. Hersteller bringen diesen derzeit freiwillig auf ihren Verpackungen an. "Das müsste man aber verpflichtend durchsetzen", forderte Kai Kolpatzik. Die Lebensmittelwirtschaft sei ein mächtiger Player, der viele Millionen Euro in die Werbung für ungesunde Lebensmittel, gezielt auch für Kinder, fließen lässt. Dem könne man nur mit Verpflichtung und Mitteln wie einer Zuckersteuer beikommen, so seine Überzeugung.

"Noch mehr auf die Packung zu schreiben, bringt nichts", sagte hingegen Cornelia Klug. Viel wichtiger sei "personalisierte Ernährung". Menschen müssten individuell beraten werden, nur so wirke man auch dem Thema Übergewicht entgegen. Es sei nie nur ein Nährstoff das Problem. Dabei müssten auch Ernährungsexperten daran arbeiten, wie sie Inhalte vermitteln. "Derzeit wird gesund noch oft mit weniger Lebensqualität assoziiert." Auch die Einteilung von Lebensmitteln in gesund und ungesund, sei schwierig. Besser wäre es, mehr Wissen über Ernährung zu vermitteln.


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"Nur auf die Zuckerwirtschaft zu schimpfen, ist zu einfach", sagte Paul-Martin Pfeuffer. Ernährung sei komplex, weshalb sich jeder Mensch damit auseinandersetzen sollte. Hilfreich sei zum Beispiel, selber zu kochen und zu backen. Dann sehe jeder, wie viel Zucker im Essen ist. Das haben während der Pandemie auch mehr Familien gemacht, sagte Simone Schulze. Auch sie plädiert fürs selber Kochen, weiß aber, dass das im Alltag nicht immer möglich sei. Wenn Fertigprodukte weniger Zucker oder auch weniger Salz enthalten würden, wäre das schon ein Fortschritt.

Zuckersteuer funktioniert in Großbritannien

Beim Zucker gehe der Weg am besten über eine Steuer, sagte Kai Kolpatzik. In Großbritannien gibt es seit 2018 eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke. Das habe den Effekt, dass die Hälfte der Hersteller, den Zuckergehalt reduziert habe. Trotzdem werden die Menschen aber nicht schlanker, hielt Cornelia Klug dagegen. "Es gibt keinen kausalen Zusammenhang zwischen Zucker und Übergewicht", betonte sie. Wenn das Ziel, das Übergewicht zu reduzieren, also nicht erreicht wird, ist für Paul-Martin Pfeuffer eine Zuckersteuer unnötig. Allein um Karies zu vermeiden, sei die Steuer sinnvoll, sagte hingegen Kai Kolpatzik. "Der Zusammenhang zwischen Karies und Zuckerkonsum ist unstrittig."

Wichtig beim Thema Zuckerkonsum und Übergewicht ist auch immer die Bewegung, betonen die Experten. Wer viel Sport macht, könne auch mal ein Nutella-Brot essen, sagte Cornelia Klug. "Bewegungsroutine ist ein entscheidender Faktor." Das versucht Simone Schulze, auch ihren jungen Patienten zu vermitteln. "Täglich eine Stunde Bewegung bis man schwitzt", lautete ihre Empfehlung. Ein großes Problem sei, dass in der Coronazeit viele Sportangebote weggefallen seien.

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