Streit über Gemeinschaftsschulen entbrannt
Ergebnisse der Vergleichsarbeiten Vera 8: Der Verband der Gymnasiallehrer spricht von einem "Komplettversagen" der Schulart Gemeinschaftsschule. Die Kultusministerin sieht hingegen "sehr gute" Arbeit. Das sind weitere Reaktionen aus der Region.

Achtklässler in Gemeinschaftsschulen haben nach Darstellung des Philologenverbands bei den jüngsten landesweiten Vergleichstests noch schlechter abgeschnitten als vergleichbare Kinder auf Gymnasien, Real- und Werkrealschulen. Lehrer-Vertreter in der Region lassen diese Kritik so nicht gelten.
Das sagen die Philologen
Der Philologenverband kommt zu einer klaren Einschätzung: Die sieben Prozent der Gemeinschaftsschüler, die auf Gymnasialniveau unterrichtet würden, erreichten bei den jüngsten Vergleichsarbeiten ein klar schwächeres Level als Schüler an Gymnasien, sagt Ralf Scholl, Landeschef des Philologenverbandes, der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Ähnlich sehe es bei den 41 Prozent der Gemeinschaftsschüler aus, die auf Realschulniveau unterrichtet würden. Auch auf dem untersten Level schnitten die Gemeinschaftsschüler etwas schlechter ab als Kinder auf Real- und Werkrealschulen. Scholl sagt dazu: "In meinen Augen ist das ein Komplettversagen der Schulart Gemeinschaftsschule."
Der Gemeinschaftsschulverband kontert
Der Hohenloher Matthias Wagner-Uhl ist Vorsitzender des Vereins der baden-württembergischen Gemeinschaftsschulen und leitet die Gemeinschaftsschule Neuenstein, die zu den Starterschulen gehört. Er ärgert sich: "Herr Scholl vergleicht Äpfel und Birnen." Und: "Würde man Herrn Scholl eine Pizzakarte vorlegen, würde er auch daraus lesen, dass Gemeinschaftsschulen doof sind."
Viele Gymnasien verlieren Schüler
Wagner-Uhl nennt Zahlen vom letzten Schuljahr: Acht Lernende machten den Hauptschulabschluss mit einem Schnitt von 2,5, 30 die Mittlere Reife mit einem Gesamtschnitt von 2,2. Sieben arbeiteten auf dem erweiterten Niveau und hatten einen Schnitt von 1,5. 18 wechselten an berufliche Schulen oder in die Ausbildung. Deutlich mehr, nämlich 24, wechselten an ein Gymnasium, 21 an ein berufliches, drei an ein allgemeinbildendes. Wagner-Uhl weist auf eines hin: Viele Kinder sind in der achten Klasse nicht mehr am Gymnasium. "Evaluiert werden müssten vor allem auch Schulen, die viele Kinder auf dem Bildungsweg verlieren." Zumal dort sowieso nur die Leistungsspitze versammelt sei.
Die Ministerin bekennt sich zu den Gemeinschaftsschulen
Auch Kultusministerin Theresa Schopper kontert den Vorwürfen des Philologenverbands: Man müsse auf breiter Ebene gegensteuern, weil die Ergebnisse über alle Schularten hinweg nicht zufriedenstellend seien. "Jetzt aber einen Kampf der Schularten zu führen, wäre absurd", sagt die Grünen-Politikerin am Rande eines Schulbesuchs in Ludwigsburg. Die Gemeinschaftsschulen hätten sich seit ihrer Gründung vor zehn Jahren als "sehr gute Schulart" etabliert.
Bei den am Freitag vorgestellten Vergleichsarbeiten hatte sich herausgestellt, dass die Achtklässler im Südwesten über alle Schulen hinweg während der Pandemiejahre bei den Englischkenntnissen zwar aufgeholt haben, in ihren Deutschfähigkeiten aber deutlich abgesackt sind. 32 Prozent erreichten der Auswertung zufolge die Mindeststandards in Mathematik für den mittleren Schulabschluss noch nicht, 19 Prozent erreichten diese Standards in Orthografie nicht und 13 Prozent im Lesen.
Aus Reihen von Gemeinschaftsschulen in der Region Heilbronn heißt es zur Kritik unter anderem: Gymnasien reagierten neidisch darauf, dass eben auch an Gemeinschaftsschulen auf gymnasialem Niveau unterrichtet werde. Zugleich dürfe man nicht übersehen, so der Hinweis: An Gemeinschaftsschulen wird in den Fächern auf drei unterschiedlichen Niveaus gleichzeitig gearbeitet, an Gymnasien nur auf einem.
GEW spricht von leistungsfähigen Gemeinschaftsschulen
Kinder kämen mit einer Haupt- oder Werkrealschul-Empfehlung an eine Gemeinschaftsschule, viele davon verließen die Schule Jahre später mit einem mittleren Bildungsabschluss: "Das zeigt, wie leistungsfähig die Gemeinschaftsschulen sind", sagt Harald Schröder von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Zugleich erinnert der GEW-Sprecher in Heilbronn an den Zeitpunkt der Kritik: Der Verband trete damit in Erscheinung, wenn Veranstaltungen für Familien von Viertklässlern anstehen. Gemeinschaftsschulen seien zudem die Schulen mit der heterogensten Schülerschaft, betont Schröder. Man dürfe sie daher nicht mit anderen Schularten in einen Topf werfen.