Streit um Ausbau der Neckarschleusen – "Müssen Sanierung schneller hinbekommen"
Heilbronner Hafenforum: Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann kritisiert den Bund wegen dessen Verzögerungstaktik beim Ausbau der Neckarschleusen. Die Ansichten in Sachen Binnenschifffahrt weichen erheblich voneinander ab.

Eine aktuelle Prognose des Bundes lautet: Die Bedeutung des Binnenschiffes wird weiter abnehmen. "Diese negative Einschätzung muss für uns ein Weckruf sein, die Häfen zukunftssicher auszubauen", mahnte Winfried Hermann am Montag beim zweiten Heilbronner Hafenforum zur Eile. Für den Verkehrsminister (Grüne) des Landes heißt das: "Wir müssen die Sanierung und die Verlängerung der Neckarschleusen schneller hinbekommen. Das habe ich Bundesverkehrsminister Wissing auch deutlich gesagt. Doch er will die Sache leider aussitzen."
Besonders ärgert Hermann, dass für den Bundesverkehrsminister (FDP) die einst gefassten Beschlüsse aufgrund "angeblich veränderter Rahmenbedingungen" nicht mehr gültig seien. So spreche Berlin von zu hohen Kosten. Die ursprünglich kalkulierten 1,2 Milliarden reichten bei Weitem nicht aus. Auch verwundert Hermann der unterschiedliche Kostensplit: Während der Bund mit Sanierungskosten von 80 Prozent und Aufwendungen für den Ausbau von 20 Prozent kalkuliere, gehe das Land vom Gegenteil aus.
Land Baden-Württemberg bereitet Faktencheck zu Neckarschleusen vor
Außerdem, so heißt es in Berlin, sei der Tiefgang für die 135-Meter-Schiffe zu gering. Schleusen müssten nicht nur verlängert, sondern auch verbreitert werden. Zudem müssten Brücken angehoben werden. "Wir machen gerade einen Faktencheck. Ende des Jahres wollen wir mit dem Bund in einen Dialog eintreten. Das Schlimmste wäre, wenn nichts passiert. Doch das will der Bund."

Dass sich die Neckarhäfen zukunftsfähig aufstellen müssen, steht für Hermann außer Frage: "Der Transport der Schüttgüter wird zurückgehen. Öl, Wasserstoff, Recyclingmaterial und nachhaltige Waren werden die Zukunft sein." Bereichert werde diese Chance der Häfen durch trimodale Containerterminals mit der Anbindung an Straße, Schiene und Wasserwege, so wie Heilbronn eines hat: "Sie sind das Wachstumssegment in der Branche", betonte der Minister in der "Alten Reederei" im Neckarbogen.
Häfen am Neckar brauchen Flächen für Expansionen
Wichtig ist dem baden-württembergischen Verkehrsminister, dass die Neckarhäfen "gut in der Region verankert sind". Zentral sei dabei, dass Hafengelände nicht für "schöner Wohnen" angeknabbert werden dürfe: "Häfen brauchen Raum für Expansion." Ein weiteres Ziel müsse die Klimaneutralität sein: "Es kann nicht sein, dass Dieselschiffe weiter im Hafen ihren eigenen Strom erzeugen. Sie brauchen Landstrom." Hermanns Schlussfazit: "Die Chancen für unsere Neckarhäfen sind da."
Auch wenn der Heilbronner Hafen bei Weiten nicht mit dem Welthafen Rotterdam vergleichbar ist, lieferte Wolfgang Schlegel von der Hafengesellschaft den Vertretern aus Politik und Logistikunternehmen interessante Ansätze. Er ist überzeugt, dass der Anteil der Binnenschiffe steigen wird. Eine seiner Folgerungen lautete: "Häfen brauchen Fläche." Schlegels Worte unterstrich Andreas Röhr von der CFO Contargo GmbH&Co KG: "Drei Viertel der Waren wird mit unseren Binnenschiffen transportiert." Seine Forderungen für die Binnenschifffahrt: Mehr Digitalisierung, Beschleunigung von Verfahren und Sanierung und Ausbau der Schleusen.
Lob für das Oberzentrum Heilbronn
"Heilbronn ist das Silicon Valley von Deutschland", lobte Felix Spitznagel das Oberzentrum. Der Geschäftsführer der XL2 GmbH mit Sitz im Campus-Areal stellte sein Unternehmen vor. Es ist ein Joint Venture von Audi und Capgemini, das die digitale Transformation in der Automobilbranche vorantreibt.
Seine Hoffnung, dass es zwischen Land und Bund zu einem fruchtbaren Dialog in Sachen Schleusenausbau kommt, gibt der Heilbronner Oberbürgermeister Harry Mergel nicht auf. Eine der Stärken des Neckarforums liegt für den Heilbronner Ersten Bürgermeister Martin Diepgen "in der Suche nach Lösungen, um gut in eine neue Hafenzeit zu kommen." Ein Plädoyer für die Schiene und die Wasserstraße Neckar hielt Joachim Koch von der Hochschule Heilbronn, der das zweite Hafenforum moderierte. Themen für die 2024 geplante 3. Veranstaltung werden unter anderem autonom fahrende Schiffe und alternative Schiffsantriebe sein.