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So fährt der erste E-Bus Heilbronns

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Ein einziger Elektrobus ist in Heilbronn auf der Straße unterwegs. Die Stadtwerke wollen so Erfahrungen für die Zukunft sammeln. Wir haben einen Busfahrer auf seiner Fahrt begleitet.

Busfahrer Jan Stawarz (37) vermisst das Geräusch des Motors, wenn er mit dem Elektrobus unterwegs ist. Foto: Andreas Veigel
Busfahrer Jan Stawarz (37) vermisst das Geräusch des Motors, wenn er mit dem Elektrobus unterwegs ist. Foto: Andreas Veigel  Foto: Veigel, Andreas

Normalerweise übersieht man einen Bus nicht. Oder besser gesagt, man überhört ihn nicht. Selbst im Rauschen der vielen Autos, die an diesem Morgen die Wilhelm-Leuschner-Straße entlangfahren, sind die Heilbronner Stadtbusse gut zu hören.

Einer nach dem anderen fährt vor, nimmt ein paar Fahrgäste mit und verschwindet dann geräuschvoll. Anders ist das beim bisher einzigen Elektrobus, der in der Stadt unterwegs ist. Fast lautlos löst er sich aus dem Strom, um an der Haltestelle zu stoppen.

Nur das Abrollen der Reifen ist zu hören.

Jan Stawarz ist hellwach, freundlich grüßen gehört zu seinem Job. Der Busfahrer ist heute in Flein losgefahren, jetzt geht es nach Kirchhausen, zurück als Schulbus und wieder Richtung Innenstadt. „Erst fahren die Arbeiter mit, dann die Schüler“, sagt Stawarz.

Morgens hat er seine Ruhe, den meisten Fahrgästen ist um 6.28 Uhr nicht zum Plaudern zumute.

Vorausschauendes Fahren ist beim E-Bus wichtig

Im Depot der Heilbronner Stadtwerke hat der einzige E-Bus einen eigenen Stellplatz. Foto: Christoph Donauer
Im Depot der Heilbronner Stadtwerke hat der einzige E-Bus einen eigenen Stellplatz. Foto: Christoph Donauer

Bevor er elektrisch fahren durfte, musste er eine Schulung machen. Denn der Elektrobus fährt sich ein bisschen anders als die übrigen Dieselbusse. „Mit dem E-Bus ist vorausschauendes Fahren sehr wichtig.“ Beschleunigen, Türen öffnen oder Heizen kostet Energie und verringert die Reichweite. Per Knopfdruck kann der Fahrer sehen, wie lange die Akkus noch durchhalten: 158 Kilometer.

Zehn Lithium-Ionen-Akkus auf dem Dach und im Heck treiben den Mercedes-Bus an. Maximal 180 Kilometer schafft er laut Hersteller. Im Winter sind es etwas weniger, weil die Heizung viel Strom frisst. Und deshalb hat der E-Bus auch nur zwei Türen, damit nicht zu viel Wärme entweicht. „Mit drei Türen geht der Fahrgastwechsel schneller“, erklärt Stawarz. Gerade bei Stadtbussen sei das wichtig, weil sie oft halten.

Die Strecke wird so geplant, dass der Akku locker ausreicht

Die Schüler steigen aus, für einen Moment ist Stawarz alleine im Bus. Auf einem Bildschirm schaltet er auf die Linie zehn um, als nächstes geht es vom Klinikum zur Hoover-Siedlung. Die Strecke wird so geplant, dass die Akkuladung locker ausreicht. Stawarz achtet trotzdem auf den Verbrauch. „Mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Beim Verbrenner macht man sich solche Gedanken nicht.“

Im Winter fährt Stawarz am liebsten Bus, weil es angenehmer als im Sommer ist. Früher ist er Reisebusse gefahren, vor vier Jahren wechselte er zu den Stadtwerken. „Ich habe den Schritt zum Linienbusfahrer nie bereut“, sagt Stawarz. Aufregen bringe nichts, auch wenn mal wieder einer die Kreuzung zugeparkt hat. Genauso gebe es rücksichtsvolle Autofahrer, viele lassen den Bus sogar vor. Stawarz bleibt gelassen, nimmt hier und da einen Schluck aus dem Kaffeebecher. „Ich würde nicht schneller fahren, um eine Verspätung reinzuholen.“ Zu wichtig sei der Führerschein, zu groß die Gefahr für Fahrgäste.

Fahrradfahrer und Fußgänger bemerken den Elektrobus oft nicht

Zwei Mal am Tag wird der E-Bus geladen. Das Kabel darf nur ein Mitarbeiter der Werkstatt anschließen, so wie der stellvertretende Leiter Heiko Ziehl. Foto: Andreas Veigel
Zwei Mal am Tag wird der E-Bus geladen. Das Kabel darf nur ein Mitarbeiter der Werkstatt anschließen, so wie der stellvertretende Leiter Heiko Ziehl. Foto: Andreas Veigel  Foto: Veigel, Andreas

Den Elektrobus hat der 37-Jährige schon während der Bundesgartenschau gefahren, damals als Shuttle zwischen Parkplätzen und Gelände. Mittlerweile fährt der E-Bus im Linienmix, er ist also auf mehreren Buslinien und in der gesamten Stadt unterwegs. „Es ist eigentlich wie bei jedem anderen Bus, nur dass man nichts hört“, sagt Stawarz. „Mir persönlich fehlt der Klang des Motors.“ Was für die Ohren angenehm sein mag, birgt Gefahren. „Die Leute erschrecken, wenn plötzlich ein Bus neben ihnen steht.“ Er fahre mit dem E-Bus deshalb vorsichtiger, vor allem, wenn Radfahrer oder Fußgänger in der Nähe sind. Komplett lautlos fährt der Elektrobus allerdings nicht. Das Rollgeräusch, verdrängte Luft und die Geräusche der Belüftung im Innern vermischen sich zu einem elektrisch betonten Rauschen, das an ferngesteuerte Autos erinnert.

„Innerhalb der Stadt finde ich es gut, dass so etwas eingesetzt wird“, sagt Melek Güngör. Die 21-Jährige fährt immer zur selben Zeit und ist dem Elektrobus schon öfter begegnet. Selbst mit Kopfhörern im Ohr bemerkt sie den Unterschied zum normalen Bus: „Der hier ist viel leiser.“ Lydia Peter ist bisher nicht aufgefallen, dass der Bus, in dem sie sitzt, elektrisch angetrieben ist. „Es ist mir wichtiger, dass der Bus überhaupt kommt und mich pünktlich zur Arbeit bringt“, erklärt die 57-Jährige. Auch Jeremy (13) sieht keinen großen Unterschied zu einem normalen Bus. „Aber das ist dann besser für die Umwelt.“ Er würde es gut finden, wenn es mehr E-Busse gäbe. „Wir sind im Bus, Modell Tesla“, scherzen zwei Jugendliche. Nachdem die letzten Fahrgäste ausgestiegen sind, schaltet Stawarz das Licht im hinteren Teil des Busses aus. „Strom sparen“, sagt er und lacht.

Zwei Mal am Tag geht es an die Ladestation

Im Depot der Stadtwerke hat der Elektrobus einen eigenen überdachten Stellplatz. „So einen Service hat kein anderer Bus“, sagt Stawarz. Mittlerweile ist es 8.46 Uhr. Der E-Bus wird nun mehrere Stunden geladen und ist dann wieder von 14 bis 17.30 Uhr im Einsatz. Danach geht es wieder an die Steckdose – zur Sicherheit, nicht weil die Akkus schon leer wären. Etwa 98 Kilometer wären noch drin gewesen. Selbst wenn die Kapazität bei Null angelangt ist, liege sie noch bei 20 Prozent, erklärt Heiko Ziehl, stellvertretender Werkstattleiter der Stadtwerke. „Sonst würde die Batterie Schaden nehmen.“

Die anderen Busse stehen in Reih und Glied in der Garage, manche im Freien. „Wir sammeln noch Erfahrungen mit dem E-Bus“, erklärt Fahrdienstleiter Steffen Müller. Ein E-Bus kostet mitsamt Ladesäule rund 600 000 Euro und ist damit doppelt so teuer wie ein Euro-6-Dieselbus. Dazu kommen Kosten für Personal und spezielle Abstellplätze. Werden mehr Elektrobusse eingesetzt, müssen Ladezeiten in den Fahrplan eingeplant werden. Dadurch werden insgesamt eineinhalb mal so viele Fahrzeuge gebraucht. „Wir haben die technische Entwicklung im Blick und legen uns noch nicht fest“, sagt Müller.

Ein E-Bus, drei Hybride und viele Dieselbusse

65 Busse sind für die Stadtwerke unterwegs, darunter ein E-Bus und drei Hybridbusse. Foto: Christoph Donauer
65 Busse sind für die Stadtwerke unterwegs, darunter ein E-Bus und drei Hybridbusse. Foto: Christoph Donauer  Foto: Archiv/HSt

Die zehn Lithium-Ionen-Akkus liefern eine Leistung von 250 Kilowattstunden, was für 150 bis 180 Kilometer Reichweite ausreicht. „Die Topografie in Heilbronn ist flach, von daher gibt es keinen Bereich, in dem wir den E-Bus nicht einsetzen könnten“, sagt Ziehl. Mercedes gebe acht Jahre als Lebensdauer an, Erfahrungswerte gibt es noch nicht. Geladen wird der Bus mit grünem Strom von der Zeag. Damit fährt er lokal emissionsfrei. Das bedeutet, dass bei der Fahrt keine Treibhausgase ausgestoßen werden. Nicht berücksichtigt sind dabei Emissionen, die bei der Stromproduktion oder der Herstellung des Busses und seiner Akkus entstehen.

Auf die Luftqualität in Heilbronn dürfte ein einzelner E-Bus jedoch quasi keinen Einfluss haben. 65 Busse sind für die Stadtwerke unterwegs, darunter der E-Bus und drei „milde“ Hybridbusse – sie werden beim Anfahren unterstützt, was Sprit sparen soll.

Die restliche Stadtbus-Flotte besteht aus unterschiedlichen Fahrzeugen: 29 Busse sind Euro-6-Diesel, die als emissionsarm gelten. 17 Busse sind Euro-5-Diesel mit Filter, die auf Euro-6 nachgerüstet werden sollen. Der Rest sind Busse mit schlechterer Norm, die noch bis ans Ende ihrer Laufzeit im Einsatz sind. Laut einer Studie des International Council on Clean Transporation (ICCT) stoßen Euro-6-Dieselbusse 50 Milligramm Stickoxide je Kilometer aus, bei Euro-5 sind es 4500 Milligramm.

 

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