Proteststurm gegen höhere Mehrwertsteuer auf Speisen
Die Branche befürchtet bei einer Rückkehr zum alten Steuersatz enorme Preiserhöhungen und ein Gastronomiesterben. Der Verband Dehoga hat nun eine Petition gestartet und bereits 25.000 Unterschriften von Unterstützern gesammelt.

In der Gastronomie-Branche herrscht helle Aufregung. Denn zum Jahresende läuft die Regelung aus, die die Mehrwertsteuer auf Speisen in Restaurants und Gaststätte auf sieben Prozent verringert hatte. Die Ausnahme war in der Corona-Pandemie zum 1. Juli 2020 erlassen worden, um die Branche zu stützen, und wurde angesichts der drohenden Energiekrise um ein Jahr bis einschließlich Dezember 2023 verlängert.
Einen Antrag der CDU auf eine weitere Verlängerung hatte die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP im Juni abgelehnt. Bleibt es dabei, folgt die automatische Rückkehr zur 19-prozentigen Mehrwertsteuer zum 1. Januar, die auch für die Getränke in Restaurants, Gaststätten und Kneipen gilt. Dagegen läuft der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) inzwischen Sturm.
Petition an die Politik: Ermäßigung bei Mehrwertsteuer auf Speisen muss bleiben
So hat der Dehoga-Bundesverband am vergangenen Freitag eine Petition "Keine Steuererhöhung: 7 Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie müssen bleiben", gestartet, die sich an die Bundesregierung, den Bundestag und den Bundesrat richtet.
Innerhalb weniger Tage haben 25.000 Menschen die Petition unterschrieben. Erreicht das Quorum die Zahl von 50.000, woran niemand zweifelt, muss eine Stellungnahme erfolgen. "Die Sorgen in der Branche sind derzeit gewaltig. Die Steuer drängt bei unseren Mitgliedern alles andere in den Hintergrund, weil sie wissen, dass sie dann die Preise massiv erhöhen müssen", unterstreicht Daniel Ohl, Pressesprecher des Dehoga Baden-Württemberg.
Befürchtung: Weitere Preissteigerung würde Abwärtsspirale in Gang setzen
"Nur mit der Mehrwertsteuersenkung ist es bisher gelungen, dass wir die enormen Kostensteigerungen nicht 1:1 an unser Gäste weitergeben müssen", sagt Ohl. Eine weitere Preissteigerung würde eine fatale Abwärtsspirale in Gang setzen, ist sich der Dehoga-Pressesprecher sicher.
Nach einer aktuellen Umfrage des Verbands würden dann 8,4 Prozent der Betriebe endgültig schließen. Das sind hochgerechnet 2000 Gaststätten im Land, davon 20 in der Stadt Heilbronn, 50 im Landkreis und zehn im Hohenlohekreis. "Damit wird vor allen der ländliche Raum weiter ausgedünnt, mit enormen Folgen für den Tourismus und das Leben vor Ort", macht Ohl klar.
Bei Gastrobetrieben werden Corona-Hilfen abgerechnet
"Vor allem die Fachbetriebe kommen ins Straucheln", stellt Thomas Aurich fest. "Die müssen mit ihrem gehobenen Angebot die 12 Prozent sofort auf die Preise draufschlagen", ist sich der Stadtverbandsvorsitzende des Branchenverbands sicher. Das wäre umgerechnet eine Preiserhöhung von mindestens 15 Prozent, rechnet die Dehoga vor.
Erschwert werde die Situation zusätzlich durch die geflossenen Corona-Hilfen, die derzeit abgerechnet werden mussten. "In vielen Fällen könnten demnächst Rückzahlungen fällig werden", fürchtet Aurich. "Es ist ein ganze Fülle von Problemen, die uns derzeit bedrücken", klagt der Heilbronner Gastronom.
Hohe Inflation zwingt Gäste zum Sparen
Dazu zählten auch die enorm gestiegenen Personal-, Energie- und Transportkosten sowie die anhaltend hohe Inflation, die nicht nur die Produkte erheblich verteuere, sondern auch viele Gäste zum sparen zwingt. "Wenn die 19-prozentige Mehrwertsteuer kommt, erleben wir den stillen Tod", ist sich Aurich sicher. Die Restaurant-Dichte sei auch in der Stadt schon heute deutlich geringer geworden.
"Das wird heftig für die Gastronomie", befürchtet auch Thomas Rieck. Denn die Mehrwertsteuersenkung habe der Branche sehr geholfen, unterstreicht der Inhaber des Hotels und Restaurants "An der Linde" in Neckarsulm. "Wir mussten die Preise bereits durch die allgemeinen Entwicklungen erhöhen, aber ob der Gast noch eine weitere spürbare Erhöhung mitmacht, weiß ich nicht", ist Rieck skeptisch. Er verweist auch auf die soziale Bedeutung der Branche als Ort der Begegnung. "Dieser Aspekt wird viel zu wenig anerkannt, deshalb brauchen wir jetzt echte Perspektiven", kritisiert der Neckarsulmer Gastronom.
Hoffnung auf Umdenken in der Politik
"Die Leute sparen jetzt schon wie verrückt, und das wird noch zunehmen", fürchtet auch Friedrich Schick. "Deshalb wird der Kuchen für uns immer kleiner", fürchtet der Seniorchef vom Fleiner Restaurant "Wo der Hahn kräht". "Die Leute wollen den Besuch im Restaurant nach wie vor genießen, sie kommen aber inzwischen seltener", hat Schick festgestellt. Deshalb schrumpfe vor allem das à la Carte-Geschäft.
Bei der Dehoga hofft man nun, dass in der Politik ein Umdenken einsetzt. "Wir kämpfen jedenfalls mit allem was wir haben und spüren erste Erfolge", betont Daniel Ohl. Bei einigen Politikern habe ein Umdenken eingesetzt, will der Dehoga-Sprecher erkannt haben. Und Thomas Aurich bemüht gar ein Zitat des ersten Reichskanzlers Otto von Bismarck, um auf die prekäre Lage aufmerksam zu machen. "Ein Volk, dass seine Wirte nicht ernähren kann, ist es nicht wert, eine Nation genannt zu werden."
Erträge in der Gastronomie massiv zurückgegangen
Nach einer Berechnung des Sparkassen- und Giroverbandes sind die Erträge in der Gastronomie um 47 Prozent zurückgegangen. Während der Corona-Pandemie haben 5000 Gastronomie-Betriebe aufgegeben, hinzu kommen aktuell verkürzte Öffnungszeiten wegen Personalmangels und aus betriebswirtschaftlichen Gründen.
Bei der Mehrwertsteuer beklagt die Branche zudem einen gewaltigen Wildwuchs. So liegt der Mehrwertsteuersatz auf Lebensmittel im Supermarkt bei sieben Prozent, auch bei verpackten Fertiggerichten. In der Gastronomie lag der Steuersatz dagegen für Speisen und Getränke durchgängig bei 19 Prozent.

