Proteste gegen Testpflicht für geimpftes Medizin-Personal
Das neue Infektionsschutzgesetz sieht für das Gesundheitswesen eine Regelung vor, die einen deutlichen Mehraufwand bei fraglichem Nutzen bedeutet. SLK spricht von "Aktionismus".

In Arztpraxen und anderen Gesundheitseinrichtungen in ganz Deutschland müssen Arbeitgeber und Beschäftigte sowie Besucher seit Mittwoch täglich einen Antigen-Schnelltest vorlegen - unabhängig davon, ob sie geimpft oder genesen sind. Dies schreibt das geänderte Infektionsschutzgesetz vor, das am Dienstag veröffentlicht wurde. Für Patienten gilt die Regelung nicht.
Großer logistischer und finanzieller Aufwand
Die Maßnahme sorgt für viel Aufregung. Logistischer und finanzieller Aufwand seien immens, heißt es von den SLK-Kliniken. Mit der Neuregelung seien an den Einrichtung unter Umständen über 5000 Tests jeden Tag nötig, so eine Sprecherin. Doch die fehlen bislang, denn die Regelung wurde kurzfristig beschlossen und angekündigt. "Unser Einkauf hat größere Mengen geordert und eine Lieferzusage für 120.000 Stück, das wird aber nicht lange ausreichen", teilt SLK mit.
Tests sind kaum mehr auf dem Markt erhältlich
Die Nachfrage ist mit der Bekanntmachung in die Höhe geschnellt, Tests sind offenbar kaum noch zu bekommen. "Die durch das Bundesministerium für Gesundheit festgelegten Testpflichten führen offenbar bereits zu Engpässen bei der Verfügbarkeit von Tests", heißt es von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KVB). Auf Twitter schreiben Ärzte, es sei unmöglich, größere Mengen zu bestellen - die Bestände der Lieferanten seien leer.
Die SLK-Sprecherin sagt, auch die Abwicklung der Testpflicht im Klinikverbund sei eine "Riesenherausforderung. Wir arbeiten daran, das nächste Woche umsetzen zu können." Ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung im Land sieht das genauso: "Das ist nochmal eine extreme Zusatzbelastung für unsere Praxen, die im Moment eigentlich ihre Energie auf das Impfen und die Versorgung von Patienten verwenden sollten."
Ärztesprecher Uellner zweifelt den Sinn der Maßnahme an
Der Heilbronner Ärztesprecher Martin Uellner meint, für eine eher überschaubare Einheit wie eine Arztpraxis sei die Maßnahme umsetzbar: "Ich muss halt mich und meine Mitarbeiterinnen testen und das dokumentieren." Begleitpersonen von Patienten müssten einen Test von einer externen Teststation mitbringen, um die Praxis betreten zu dürfen. Am Mittwochabend hieß es laut dpa allerdings seitens eines Sprechers des Bundesgesundheitsministeriums: "Die Testpflicht bezieht sich auf Beschäftigte von Praxen, aber nicht auf Patienten und Begleitpersonen."
Den Sinn der Maßnahme hinterfragt Uellner trotzdem. "Patienten kommen womöglich ungeimpft und ungetestet rein und wir sollen uns täglich testen, obwohl wir dreifach geimpft sind?" Das widerspreche dem gesunden Menschenverstand. Aber ihn wundere beim noch amtierenden Gesundheitsminister Jens Spahn nichts mehr: "Auf irgendeine Idee kommt der immer."
Noch deutlicher in der Kritik wird SLK. Das sei "Aktionismus, der die aktuelle Welle nicht brechen wird und jetzt einen Kapazitätseinsatz fordert, der angesichts der aktuellen Lage für wirklich Wichtigeres nötig wäre", heißt es von dort.
Kassenärzte fordern Überprüfung der Maßnahme
Die KBV weist ihre Mitglieder in einem weiteren Schreiben darauf hin, dass "eine Rechtspflicht, die nicht erfüllt werden kann, auch nicht zu Sanktionen führen kann". Der Rat: die Nichtverfügbarkeit von Tests solle dokumentiert werden. Die KVB fordert die Politik zudem auf zu prüfen, ob Personal, das dreimal geimpft ist, tatsächlich täglich getestet werden müsse.
Am Mittwochmittag schaltete sich das Sozialministerium in Stuttgart per Mitteilung in die Debatte ein. "Die neuen Regelungen sind eine Belastung. Wir brauchen eine Umsetzung mit Augenmaß und keine weiteren Meldepflichten, die das medizinisch-pflegerische Personal von der Patientenversorgung fernhalten", heißt es von dort. Man werde auf den Bund zugehen, um "eine gemeinsame Linie für eine praxistaugliche Umsetzung einzufordern". Bis dahin könnten die Regelungen nicht im vorgeschriebenen Umfang vollzogen werden. Es sei geplant, sie schrittweise und zunächst in Teilbereichen mit vulnerablen Gruppen, beispielsweise in stationären Einrichtungen der Altenpflege, umzusetzen.
Verwirrung um Test-Frequenz
Die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft (BWKG) hat ihren Mitgliedern jetzt mitgeteilt, dass "immunisierte Mitarbeiter sich nicht nur bei PCR-Tests, sondern auch bei Antigen-Testungen maximal dreimal die Woche testen lassen müssen". Das sei einer "modifizierten Klarstellung" zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes aus dem Bundesgesundheitsministerium zu entnehmen, heißt es in einem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt. "Das wären im SLK-Verbund immerhin noch 15.000 Tests wöchentlich, die ausgegeben, durchgeführt und dokumentiert werden müssten", so SLK dazu.