Kleine Klassen und aktive Eltern: Das fordern Grundschulen in Heilbronn nach Pisa-Schock
Bei Leistungsvergleichen kommen Schüler in Deutschland nur schwer voran. Die Ergebnisse der jüngsten Pisa-Studie fielen ernüchternd aus. So äußern sich die Grundschulen in der Region Heilbronn zur Situation.
Die ernüchternden Ergebnisse der jüngsten Pisa-Studie, in denen die getesteten Achtklässler vor allem in Mathematik und beim Lesen schlecht abgeschnitten haben, lassen auch die Grundschulen nicht kalt. Gleichzeitig erklären sie aber auch, dass sie andere Schwerpunkte haben.
"Für uns sind die Ergebnisse von Vera drei und acht entscheidend", sagt Schulleiter Andreas Heitlinger, der die Eichbottschule Leingarten leitet. Die Schule ist eine Grund- und Gemeinschaftsschule. Bei Vera drei werden Tests in Klasse drei gemacht. Auch wenn es unterschiedliche Tests und Schülergruppen sind: "Die Schüler sind in Mathematik auffällig schlechter als früher", sagt Andreas Heitlinger.
Grundschüler schlechter in Mathe – aber nicht im Lesen
Im Lesen allerdings nicht. Der Zusammenhang mit der Pandemie dränge sich auf. Aber warum fielen die Ergebnisse beim Lesen nicht so negativ aus? "Die Schüler hatten aufgrund geschlossener Schulen mehr Zeit zu Hause, und das Lesen fällt ihnen leichter als Mathe."
Außerdem lege die Schule großen Wert auf das Lesen. Heitlinger: "Denn es ist ja schon seit Jahren bekannt, dass es hier Probleme gibt." Bei Vera acht für die Achtklässler sieht er "keine Tendenz. Sie verschlechtern sich nicht."
Schüler fallen bei Leistungsvergleichen durch – auch Eltern sollen mitarbeiten
Auch Thomas Rauscher, Schulleiter der Grundschule Massenbach, der darüber hinaus für alle Schwaigerner Grundschulen zuständig ist, konzentriert sich auf die Ergebnisse bei Vera drei. "Die Lesefähigkeit ist ein Dauerthema." Insgesamt seien aus seiner Sicht in den vergangenen Jahren von der Politik fast schon zu viele Projekte auf den Weg gebracht worden. Zum Beispiel der Biss-Lesetransfer (Bildung durch Sprache und Schrift), der gut begonnen habe. "Solche Förderprogramme muss man auch mal drei bis vier Jahre laufen lassen."
Thomas Rauscher sieht vor allem die Politik in der Pflicht: Sie müsse sich überlegen, was sie in den vergangenen Jahren getan habe, dass dieses Ergebnis herausgekommen ist. Auch die Eltern müssten ihrer Verantwortung gerecht werden: "Die bittere Wahrheit ist, dass das Elternhaus mitarbeiten muss."
Politik setzt auf kostengünstige "kreative Lösungen"
Aus einer Grundschule der Region kommen deutliche Worte, und deshalb sollen weder Schule noch der Name in der Öffentlichkeit genannt werden. "Warum wird die Basis nicht gefragt?", wundert sie sich. Ein Schulamt, nicht das Heilbronner, habe sich kürzlich unter allen Schulen zu deren Wünschen umgehört. Was aber Zeit und Ressourcen koste solle nicht genannt werden, so die Bitte. "Das hat aber viel mit Ressourcen zu tun", so die Schulleitung aus der Region.
Wenn es auf die Schnelle kein zusätzliche Personal gebe, so solle man doch über "kreative Lösungen nachdenken, mehr Personal in die Schulen zu bekommen". Beispielsweise könnten angehende Lehrer viel früher zu praktischen Phasen in Schulen kommen. Die Erfahrungen seien doch gut, wenn zusätzliches Personal im Unterricht sei - wie etwa Pädagogische Assistenten.
Letztes Kindergartenjahr verpflichtend: Deshalb fordert diesen Schritt eine Schulleitung
Die Schule setzt sich auch für ein verpflichtendes letztes Kindergartenjahr ein. Derzeit gebe es an Grundschulen "große Unterschiede": Dabei gehe es nicht allein um schlechtes Deutsch.
Manches Kind habe mit der Hygiene seine Schwierigkeiten, es mangele am sozialen Miteinander. "Es fehlt so vieles bei den Kindern, das macht es schwierig zu greifen." Was gut ankomme, sind die Lese-Vorgaben des Landes. "Das läuft gut."
Mehr Personal wegen mehr Zuzügen aus Ausland
Mehr Personal, viel kleinere Klassen: Dafür ist Anja Blüm, die die Grundschule in Bad Friedrichshall-Duttenberg leitet und Geschäftsführende Schulleiterin aller Schulen in der Stadt ist. In kleineren Gruppen könnten viel bessere Schwerpunkte gesetzt werden. Auch für sogenannte multiprofessionelle Teams an Schulen spricht sie sich aus.
Dazu gehören für sie Pädagogische Assistenten, die den Lehrern helfen. "Das Personal ist das A und O", sagt Anja Blüm. Dann könnten auch wieder mehr Förderstunden angeboten werden, die derzeit wegen des Personalmangels kaum vorhanden seien. Mehr Lehrer in den Schulen sind ihrer Ansicht nach auch deshalb wichtig, weil sie mit noch mehr Zuzügen aus dem Ausland rechnet. "Wir brauchen zeitnah Unterstützung."
So steht es um die Inklusion an Regelschulen
Groß ist der Personalbedarf an den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ). Die Lehrer sollen eigentlich auch Regelschulen zur Verfügung stehen, bei denen Kindern inklusiv beschult werden. Der Personalbedarf an den SBBZ ist aber mittlerweile so groß, dass auch die Betreuung der besonders förderungsbedürftigen Kinder an den Regelschulen zu kurz kommt.
Einzelne Regelschulen raten hinter vorgehaltener Hand deshalb sogar davon ab, Kinder mit Förderbedarf an ihre Schulen zu schicken. Grund: Die Kinder würden in den SBBZ besser gefördert als bei ihnen. Lehrer an den Regelschulen seien frustriert, weil die Unterstützung zu kurz kommt. Anja Blüm, die als Geschäftsführende Schulleiterin die Bad Friedrichshaller Schulen vertritt, kennt das Problem: Ohne mehr Personal für Inklusion in den Regelschulen würde man dort keinem Kind gerecht.