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Pendler berichten: So startet das 9-Euro-Ticket in der Region

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Es ist wohl Deutschlands größte Schnäppchenaktion: Seit Mittwoch gilt das 9-Euro-Ticket für Bus und Bahn bundesweit im Nahverkehr. Wie wird es genutzt? Sind die Züge überfüllt? Wir haben uns zum Start wichtige Pendlerstrecken der Region angeschaut.

Von unserer Redaktion

Das geht ja gut los: Pünktlich zum Start des 9-Euro-Tickets ist auf der Frankenbahn zwischen Stuttgart und Heilbronn Baustellen-Zeit, die Strecke ist rund um die Landeshauptstadt unterbrochen. Chaos? An diesem Morgen keine Spur. Die S-Bahn Richtung Norden ist voll, aber nicht übervoll. Einen Sitzplatz zu finden ist kein Problem. Wie sagte eben noch der Busfahrer: "9-Euro-Ticket - das ist für den Freizeitverkehr. Die Pendler haben doch alle schon ein Abo." Mal sehen. 

Von Stuttgart nach Heilbronn: Alles nach Plan  

In Ludwigsburg oder Bietigheim ist Umsteigen angesagt. Hier enden oder starten noch bis Mitte Juni wegen der Baustelle die Regionalzüge nach Heilbronn. "Alles noch ganz entspannt", findet Zugbegleiterin Gabriele Hees. Die Schnäppchenaktion zeigt Wirkung in der Regionalbahn. "Jeder Zweite ist heute Morgen mit dem 9-Euro-Ticket unterwegs." So wie Hans Buhlinger. Der Rentner ist mit einer vierköpfigen Gruppe auf dem Weg zur Gartenschau nach Eppingen. 

 "Eigentlich fahre ich alles nur noch mit dem Auto", sagt Buhlinger, der früher überzeugter Bahnkunde war. Dann sei einiges schiefgegangen. Verspätungen, Zugausfälle, nächtliches Stranden am Bahnhof. "Aber jetzt versuche ich es noch einmal." Die Bahn bekommt eine neue Chance. An diesem Morgen zumindest geht alles glatt.  

Die Ruhe vor dem Feiertags-Ansturm

Rund 200 müde Gesichter spuckt der Heilbronner Hauptbahnhof um kurz vor 7 Uhr aus. „Die normale Menge im täglichen Berufsverkehr“, wie eine Zugbegleiterin urteilt. In ihren Augen macht sich das 9-Euro-Ticket an seinem ersten Verkaufstag noch nicht bemerkbar. Anders könnte es an den Wochenenden und in den anstehenden Pfingstferien werden. „Da dürfte es teilweise schon eng werden.“

Genau auf diese Zeit freuen sich Patrick Sender und seine beiden Freunde. Der 23 Jahre alte Heilbronner hat eine Monatskarte, die nun auf neun Euro reduziert wurde. Kumpel Marcel Schneider steht mit leicht gerunzelter Stirn vorm Fahrkartenautomaten. „Das 9-Euro-Ticket sollte deutlicher gekennzeichnet sein“, so der 21-Jährige. Aktuell steht nur unter den Überschriften Baden-Württemberg Tickets und Monatstickets der Hinweis „Aktion für 9,00 Euro“.

Vielleicht auch das ein Grund dafür, dass die Schlange vorm Reisezentrum ungewöhnlich lang ist. Während dort auch auf den Verkauf der Sonderfahrkarte beim Verkehrsunternehmen SWEG nebenan hingewiesen wird, nutzt der Bahnhofsshop die Aktion für eine ungewöhnliche Werbeaktion. „Jeder unserer geschätzten Mitarbeiter bekommt täglich 9 Euro Prämie zusätzlich zum Lohn!“ flimmert es über die Monitore. „Eine coole Aktion, gerade jetzt, wo alles teurer wird“, erklärt Sandra Nowakowski bevor sie einen der Busse am Bahnhofsvorplatz ansteuert. Auch hier an der Haltestelle nur das übliche Schubsen und Rangeln einiger Schüler. 

Kein Ansturm auf die Stadtbahn Nord

Auch auf der Stadtbahn Nord ist am ersten Tag vom 9-Euro-Ticket nicht viel zu spüren. Kein Andrang am Bahnsteig in Neckarsulm. In den Waggons Richtung Heilbronn gibt es am Vormittag reichlich freie Sitzplätze. Von Chaos an den Bushaltestellen am Hauptbahnhof fehlt jede Spur. Immerhin karrt der Schienenersatzverkehr wegen der Bauarbeiten rund um den Eisenbahnübergang Kocherkanal zwischen Neckarsulm und Bad Friedrichshall die Fahrgäste der Linien S41 und S42 von Norden her an.

Leon Vricciariello fährt jeden Tag von Bad Rappenau nach Neckarwestheim mit der Bahn. Das 9-Euro-Ticket findet der 25-Jährige gut. Wegen der Baustelle und dem Schienenersatzverkehr vermutet er aber, dass es in den kommenden zwei Wochen zu Überlastungen kommen könnte. "Am ersten Tag war aber alles ok. Ich hoffe, dass es so bleibt", sagt der Berufspendler.

"Der Ersatzbus war ein bisschen voll. Aber alles hat gut geklappt", sagt Jens Hoffmann. Ansonsten stellt er an Tag eins der Sparaktion keinen Unterschied zu sonst fest. Der 22-jährige Maschinenbaustudent aus Sinsheim sieht im 9-Euro-Ticket "keinen riesigen Vorteil" für sich. "Ich habe ein Semesterticket." Dadurch spare er über die drei Monate zusammengerechnet gerade einmal 60 Euro. Viel mehr beschäftigt den Sinsheimer die Baustellen auf der Stadtbahn Nord. "Normalerweise brauche ich für die Strecke eine Stunde und 15 Minuten. Jetzt sind es zwei Stunden."

Wilhelmine Henkel ist dagegen begeistert vom 9-Euro-Ticket. "Das ist eine gute Idee. Ich werde die Chance nutzen, um zu meiner Mutter nach Thüringen zu fahren", sagt die 65-jährige Bad Wimpfenerin. Einen Unterschied auf der Strecke sieht sie aber am ersten Tag der Aktion ebenso wenig wie Emily Traub. Die 18-Jährige fährt mit der Bahn zur Wilhelm-Maybach-Schule in Heilbronn. Ein 9-Euro-Ticket will sie sich auf jeden Fall noch kaufen. 

In Öhringen ist etwas mehr Betrieb als gewöhnlich

Fast eine dreiviertel Stunde hat Viktor Stobert einen Tag vor dem Start am Schalter gewartet, um das begehrte 9-Euro-Ticket zu bekommen und ist am Mittwochmorgen um kurz vor sieben einer der ersten auf dem Öhringer Bahnsteig. Er fährt ohnehin gerne mit der Bahn, etwa zu Besprechungen. Von großem Ansturm kann jedoch am ersten Morgen in Öhringen keine Rede sein. Die üblichen Berufspendler, Studenten, „vielleicht etwas mehr als sonst ist los“, urteilt Jasmin Janoschitz. „Als Studentin habe ich mein Ticket eh ein halbes Jahr vorher bezahlt, ich muss noch schauen, was für uns gilt.“ 

Michael Haller muss sich als Fernfahrer ans Zugfahren gewöhnen und steht etwas rätselnd am Fahrkartenautomat. „Es ist auf jeden Fall mal was anderes“, lacht er. Nach einer Knieoperation muss er nun öfter zu Behandlungen, dafür möchte er jetzt Bus und Bahn nutzen.

Reisende sind auf den ersten Blick wenige zu sehen. Alleine Caroline Delaroue und Wolfgang Laufmann schieben einen Koffer vor sich. Hülsen ist das Reiseziel. „Wir wären so oder so gefahren, das Ticket kam uns da ganz gelegen“, erzählt die Öhringerin und lobt die Idee. Einfach mal spontan nach Stuttgart fahren, Bekannte treffen, das sei genial. Dass sie zum Beispiel im ICE tiefer in die Tasche greifen muss, stört sie nicht. Man könne nicht erwarten, dass man für neun Euro an die Nordsee fahre. Ihre Bekannte Vitoria Briamonte ist nicht so euphorisch. „Für uns Arbeitende ist es nicht so lustig, wenn die ohnehin gut besetzen Züge noch voller werden.“

Von Ausflügen und Shoppingtouren in Schwaigern

Im Bus von Massenbachhausen nach Schwaigern tummeln sich neben den Schülern auch Erwachsene, oft mit Kindern. Das hat Ursula Trenner am Mittwochmorgen beobachtet. Um kurz vor neun Uhr herrscht am Schwaigener Bahnhof zwar reges Treiben, doch eher wegen der Schulklassen, die nach Eppingen zur Gartenschau wollen. „Ich habe mir gerade das Ticket geholt und werde es natürlich jetzt kräftig nutzen“, sagt Lehrerin Alexandra Köstlin. Planetarium oder einfach mal auf der Stuttgarter Königsstraße bummeln: Der Ferienplan für sie und ihre Kinder steht.

Ihre Kollegin Berivan Zeyrek würde gerne auch beruflich die Bahn nutzen, „aber das wäre einfach ein viel zu großer Umweg, da es keine richtige Verbindung gibt.“ Die Cousine in Hamburg wird sie mit dem teureren ICE besuchen. „Das ist aber nicht schlimm, dass man dort dann mehr bezahlen muss, ich denke, es ist ja gut, wenn man hier in der Ecke einen Ansporn hat, um die Strecken mit dem Zug zurückzulegen.“ Das gilt auch für ein älteres Ehepaar, das gerne noch mehr erzählt hätte, aber schnell in den Zug muss. „Shoppingtour“, sagt die Dame und hebt den Daumen.

Vor allem für Geringverdiener ist das eine Chance, ergänzt Ursula Trenner. Mit einer Bekannten, deren Rente knapp ist, hat sie in den Ferien schon ein paar Ausflugsziele ausgetüftelt. Von Tübingen bis Kaiserslautern wollen sie Städte erkunden. Auch Santora Grcia findet die Vorteile gut und meint lachend: „Ich habe vier Kinder, das ist teuer.“

Zugausfälle am Mittwoch auf der Westfrankenbahn

Massive Störungen gibt es am Mittwoch auf der Westfrankenbahn. Vom Nachmittag bis in den Abend hinein fallen Direktzüge zwischen Heilbronn und Schwäbisch Hall aus. Grund ist laut der Fahrplanauskunft der Deutschen Bahn "kurzfristiger Personalausfall". Zwischen Öhringen und Schwäbisch Hall verkehren Ersatzbusse. 

9-Euro-Ticket in der Region tausendfach verkauft

Das 9-Euro-Ticket ging in der Region schon tausendfach über den Ladentisch. Genaue Zahlen hat der Heilbronner-Hohenloher-Haller Nahverkehr (HNV) nicht. Zum Preis von 9 Euro pro Monat gilt die Fahrkarte im Juni, Juli und August bundesweit im Nah- und Regionalverkehr. IC-, EC- oder ICE-Züge sind ausgenommen.

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