Nützt Heilbronn der Titel "Universitätsstadt"?
Jetzt ist Heilbronn endgültig Universitätsstandort: Am Wochenende wurde das erste Ortsschild mit dem Zusatz Universitätsstadt installiert. Ob das die Stadt wirklich schmückt, darüber gehen die Meinungen in der Redaktion auseinander.
Pro
Von Christian Gleichauf
Es liegt ein Missverständnis vor, wenn man für den Titel Universitätsstadt einen Maßstab anlegt, der sich an Städten wie Heidelberg oder Tübingen orientiert. Sonst gäbe es Uni-Städte erster und zweiter Klasse in Deutschland, und wahrscheinlich mehr zweitklassige.
Richtig ist, dass in Heilbronn so manche Fakultät fehlt, die nicht nur dem Studentenleben gut täte. Wie sehr könnte die Kultur und das soziale Leben in der Region von Geistes- und Sozialwissenschaften auf dem Bildungscampus profitieren? Doch ein junger Universitätsstandort muss natürlich in den neuen Gefilden der Wissenschaft punkten, nicht in den alten. Es kann nicht als gesichert gelten, dass der junge Goethe – würde er heute leben – sich nicht mit Elan in die Herausforderungen der Künstlichen Intelligenz einarbeiten wollte, dass er sich am Ende nicht in Heilbronn, sondern in Weimar niederließe.
Sicher ist aber, dass mit dem Titel Universitätsstadt viel mehr verbunden ist als die Ansiedlung der Technischen Uni München. Heilbronn erfindet sich neu. Dafür steht der Titel.
Contra
Von Susanne Schwarzbürger
Eine Universität ist eine „alle Wissensgebiete umfassende Hochschule für wissenschaftliche Forschung und Ausbildung“ (Wahrig). Abiturienten, die in einer Uni-Stadt studieren wollen, sehen unter anderem urige Lokale vor ihren inneren Augen, während die äußeren in Vorfreude auf Geistesnahrung leuchten. Wusste zwar auch der alte Faust, nachdem er „Philosophie, Juristerei und Medizin, und ... Theologie ... studiert“ hatte, nicht, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, doch gehört sein Streben, den Geist zu erweitern und Seelenheil im Wissen zu finden, zum Fundament einer Universität dazu.
Von all dem: keine Spur in Heilbronn. Es dominiert die Ökonomie, besonders am einzigen Standort, wo wirklich geforscht wird, der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der TUM. Mit viel Stiftungsgeld wurde sie nach Heilbronn gelockt. Besonders fehlen die Geisteswissenschaftler. Der Titel Universitätsstadt wirkt peinlich hochstaplerisch: Hier regiert zu offensichtlich Geld statt Geist. Heilbronn bleibt eine „Stadt der Krämerseelen“, Paul Hegelmaier grüßt aus dem Grab.

