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Demenzkranke besser unterstützen: Netzwerk Demenz im Landkreis Heilbronn gegründet

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Ziel der Kooperationspartner ist es, im Landkreis Heilbronn Strukturen vor Ort zu entwickeln und Verständnis für Demenzkranke zu schaffen, damit ein Leben in Würde und Respekt möglich ist.

Wie fühlt es sich an, alt und dement zu sein? Beim Tag der offenen Tür im Klinikum am Weissenhof 2019 konnten Besucher den Demenzanzug anziehen, um die typischen Einschränkungen Erkrankter nachempfinden zu können.
Foto: Archiv/Mugler
Wie fühlt es sich an, alt und dement zu sein? Beim Tag der offenen Tür im Klinikum am Weissenhof 2019 konnten Besucher den Demenzanzug anziehen, um die typischen Einschränkungen Erkrankter nachempfinden zu können. Foto: Archiv/Mugler  Foto: Mugler

"Spaziergang mit Gehirn", "Wandern mit Demenz": Das sind nur zwei Angebote, die das lokale Netzwerk in Wüstenrot ab März auf die Beine stellt. Auch hier und da im Landkreis gab und gibt es ähnliche Aktionen. "Die Gesellschaft muss sich damit beschäftigen", macht Andreas Böttinger deutlich. Denn Demenz wird zunehmen, weil die ältere Bevölkerungsgruppe wächst. Böttinger leitet den Gerontopsychiatrischen Schwerpunkt (GPSP) am Klinikum am Weissenhof in Weinsberg - einer der Kooperationspartner im neu gegründeten Netzwerk Demenz Landkreis Heilbronn.

Am Alltagsleben teilnehmen

Verständnis wecken, sensibilisieren, Betroffenen die Teilhabe am Alltagsleben in Respekt und Würde ermöglichen: Das sind Ziele des Zusammenschlusses unter der Führung von Klinikum und Landkreis. Damit wird die nationale Demenzstrategie umgesetzt, vor Ort Strukturen zu schaffen, in denen unter anderem Kommunen, Ehrenamtliche, Ärzte, Pflegeheime und -dienste oder Wohlfahrtsverbände ein "enges Netz der Solidarität für Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen knüpfen", heißt es in der Pressemitteilung.


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Lebensqualität verbessern

13 alltägliche Situationen können mit einem Demenzsimulator durchgespielt werden, zum Beispiel das Tischdecken.
Foto: privat
13 alltägliche Situationen können mit einem Demenzsimulator durchgespielt werden, zum Beispiel das Tischdecken. Foto: privat  Foto: Klinikum am Weissenhof

Mit Unterstützungsangeboten soll die Lebensqualität von Menschen, die an dieser Alterskrankheit leiden, verbessert werden. Die Kooperation, deren Vereinbarung bereits die Kommunen Neckarsulm, Bad Friedrichshall und Wüstenrot unterschrieben haben, wird für Aufklärung sorgen und Ideen entwickeln, wie die sozialen Kontakte aufrecht erhalten werden können. "Die Arbeitsergebnisse sollen im ganzen Landkreis ausgerollt werden", sagt Böttinger.

Martin Erdmann, Altenhilfeberater beim Landkreis, nennt Beispiele: ein Helferkreis vor Ort, eine Betreuungsgruppe am Nachmittag, so dass Angehörige mal entlastet werden. Oder spezielle Freizeitangebote von Vereinen, die den unter Demenz leidenden Partner einschließen und tolerieren, ergänzt Böttinger.

Umgang und Begegnung mit Demenz

"Dementiell erkrankte Menschen werden uns in Zukunft immer öfter im Alltag begegnen", sagt der Fachkrankenpfleger für Gerontopsychiatrie - in der Stadt, im Laden, im Bus. Man müsse mehr auf diese verwirrten Menschen eingehen, sie wahrnehmen und ihnen helfen, statt sie womöglich vor die Tür zu setzen oder aussteigen zu lassen. Hier setzt die Aufklärung in Sachen Umgang und Begegnung mit Demenz an.

Viele Erkrankte leben alleine

Erdmann nennt eine Studie, die besage, dass 38 Prozent aller Demenzkranken allein zu Hause leben. Auf den Landkreis Heilbronn heruntergebrochen, träfe das auf 2.000 Menschen zu. "Das war für mich überraschend", meint der Altenhilfeberater zu der Zahl, die die Brisanz der Thematik aufzeigt. Oft fielen die Betroffenen erst auf, wenn die Mangelversorgung offensichtlich werde, sagt Böttinger. Mit Sicherheit zögen sich die Menschen mit beginnenden Symptomen zurück. "Wie findet man sie? Wie kann man sie besser integrieren?", formuliert er wichtige Fragen. Hausärzte und Sozialstationen sollen als Hinweisgeber mit ins Boot.


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"Die zunehmende Zahl von dementen Menschen wird nicht in Pflegeheimen wohnen können", macht Böttinger deutlich. Es fehle an Plätzen, bestätigt Erdmann. "Es ist nicht möglich, dass Pflegeheime in diesem Maße wachsen, schon allein weil es an Personal fehlt", fügt Böttinger an. Wer kümmert sich dann um die Betroffenen? "Die Familien werden sich umstellen müssen", sagt der Fachkrankenpfleger, weil die Patienten zu Hause versorgt werden müssten. "Das hat auch Auswirkungen auf das Arbeitsleben", zeigt Böttinger die Reichweite des Themas Demenz auf.

"Das Netzwerk ist ein kleines Element bei der Umsetzung des Kreispflegeplans", sagt Erdmann. Der aktuelle von 2019 trägt den Untertitel "Sorgende Gemeinschaft als Herausforderung für die Kommunen".

Statistisches und die Kooperationspartner

1,6 Millionen Menschen in Deutschland seien aktuell an Demenz erkrankt, teilt das neue Netzwerk für den Landkreis Heilbronn mit. Damit sei jeder 25. Haushalt betroffen. Prognostiziert wird, dass die Zahl bis 2050 auf 2,8 Millionen Betroffene steigt. Die Schätzungen der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft hat Martin Erdmann vom Landratsamt heruntergebrochen. Im Landkreis lebten schätzungsweise 7.000 Menschen mit Demenz. Von den 3.000 Bewohnern in den Pflegeheimen seien 2.000 betroffen. Mindestens 3.000 Erkrankte würden zu Hause von Angehörigen, Pflegediensten und Tagespflege versorgt. 2.000 Erkrankte wohnten alleine.

Kooperationspartner im neuen landkreisweiten Netzwerk sind bislang: das Klinikum am Weissenhof, der Landkreis, die Kommunen Neckarsulm, Bad Friedrichshall und Wüstenrot, die Evangelischen Sozialstation Bad-Rappenau/Bad Wimpfen, die IAV-Stellen Bad Rappenau/Bad Wimpfen, Ilsfeld, Wüstenrot, Bad Friedrichshall, Neckarsulm und Eppingen, der Kreisseniorenrat, der Heimpflegeservice Schilling aus Brackenheim, der Pflegedienst Lebenswandel Möckmühl, der Paritätische Heilbronn, das Haus Edelberg in Friedrichshall und das Netzwerk Allianz für Menschen mit Demenz Heilbronn.

Wer Interesse am Beitritt hat, schickt eine E-Mail an gpsp@klinikum-weissenhof.de.

 
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