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Mit Atomstrom aus Neckarwestheim durch den Winter?

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Die Diskussion um längere Laufzeiten der Kernkraftwerke bewegt auch die Gemüter in der Standortgemeinde Neckarwestheim.

GKN II ist einer von drei deutschen Atommeilern, die noch am Netz sind. Am 31. Dezember dieses Jahres sollen sie abgeschaltet werden.
GKN II ist einer von drei deutschen Atommeilern, die noch am Netz sind. Am 31. Dezember dieses Jahres sollen sie abgeschaltet werden.  Foto: Archiv/Stimme.TV

Angesichts der Energiekrise reißt die Debatte über längere Laufzeiten der drei noch verbliebenen deutschen Kernkraftwerke nicht ab. Die Grünen schließen einen "Streckbetrieb" von GKN II, Isar II und Emsland über das geplante Abschaltdatum 31. Dezember 2022 hinaus nicht aus. Die FDP schlägt vor, die Laufzeit sogar bis 2024 zu verlängern. Bundeskanzler Olaf Scholz will einen zweiten Stresstest zur Sicherheit der Stromversorgung abwarten. Doch wie sehen es Menschen und Gemeinde am Standort Neckarwestheim?

"Eine viel längere Laufzeit kann ich mir nicht vorstellen, aber über diesen Winter wäre es legitim aus meiner Sicht", sagt Bürgermeister Jochen Winkler. "Es darf allerdings nicht auf Kosten der Sicherheit gehen." Von den Neckarwestheimern erwarte er bei einem "Streckbetrieb" keine Proteste. "Vor Ort ist die Anlage anerkannt", so Winkler.

 


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Bei einer viel längeren Laufzeit sieht er aber Risiken: "Die Gefahr der Sabotage, außerdem weiterer Atommüll." Die Gemeinde habe sich längst auf die Abschaltung vorbereitet. "Im Haushalt fahren wir schon länger einen Konsolidierungskurs", erklärt der Rathauschef. Bliebe GKN II ein paar Monate mehr am Netz, hätte das kaum finanzielle Auswirkungen. "Für uns ist entscheidend, wenn die Brennelemente aus dem Reaktor sind. Ab da bricht die Gewerbesteuer ein."

Politikversagen als Ursache

Auch Menschen, die in Neckarwestheim unterwegs sind, bewegt das Thema: "Bei uns da unten ist das ein Politikum. Die persönliche Meinung steht da hinten an", sagt ein Mitarbeiter von GKN, der seinen Namen nicht nennen möchte. "Ich bin der Meinung, es kommt etwas Großes auf uns zu", fürchtet Elke Bohnacker aus Heilbronn, die mit ihrem Hund vor der Tierarztpraxis wartet. "Deshalb sollte man die Ressourcen nutzen, die man hat. Dazu gehört auch die Kernkraft", betont die 59-Jährige.

Vorausschauend Strom und Gas zu sparen hält sie nur bedingt für machbar: "Ich muss ja meinen Kühlschrank betreiben, und ein bisschen warm haben möchte ich es auch im Winter." In ihren Augen hat die Politik beim Thema Energieversorgung versagt, auch weil die Gasspeicher nicht rechtzeitig gefüllt wurden.

 


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"Abschalten ist der richtige Weg, aber nicht in der aktuellen Situation", erklärt Juliane Grandke (42) aus Hessigheim, während sie mit ihrer Tochter vor dem Gesundheitszentrum auf ihren Termin wartet. Generell für längere Laufzeiten spricht sich Julia Schnabel aus Abstatt aus. Die Mitarbeiterin des Neckarwestheimer Lebensmittelversorgers "Tante M" hat viele Gespräche der Kundschaft zum Thema Atomausstieg verfolgt. "Gerade angesichts der aktuellen Situation sollte man genau ausrechnen, was passiert, wenn am 31. Dezember abgeschaltet wird", findet die 35-Jährige.

Verlängerung ohne neue Brennstäbe sinnlos

Ganz anderer Ansicht ist Marc Bressan (24). Für ihn macht eine Verlängerung keinen Sinn - wegen fehlender neuer Brennstäbe. "Hätte man vor zehn Jahren darüber geredet, wäre es etwas anderes gewesen", so der Heidelberger, der Praktikant in der örtlichen Hausarztpraxis ist. "Die Erdgasproblematik wird ein Atomkraftwerk auch nicht retten", ergänzt er.

 


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Marc Müller stellt die aktuelle Krise in einen größeren Zusammenhang: "Das Hauptproblem ist, dass die Politiker weltweit ihrer Hauptaufgabe nicht nachkommen, nämlich ein friedliches Miteinander zu gewährleisten." Den Beschluss zum deutschen Atomausstieg nach Fukushima hält der Hessigheimer für einen "Schnellschuss". Er sei zwar für eine Förderung von erneuerbaren Energien wie Wind und Solar. "Aber die großen Schwankungen in der Versorgung können wir ohne Atomstrom bis jetzt nicht ausgleichen, und Atomstrom aus dem Ausland ist fragwürdig", so der 39-Jährige. "Deshalb bleibt uns gar nichts anderes übrig, als GKN weiterlaufen zu lassen."


GKN II deckt ein Sechstel des Stromverbrauchs in Baden-Württemberg

GKN II hat im Durchschnitt rund elf Milliarden Kilowattstunden Strom pro Jahr produziert. "Ein Ergebnis in dieser Größenordnung ist auch 2022 bis Jahresende zu erwarten", sagt EnBW-Sprecher Lutz Schildmann. Diese Menge entspreche ungefähr einem Sechstel des Stromverbrauchs von Baden-Württemberg. An den im Land vorhandenen Stromerzeugungskapazitäten habe GKN II einen Anteil von rund 25 Prozent. "Der gesetzliche Rahmen schließt eine Stromproduktion in den derzeit noch in Betrieb befindlichen deutschen Kernkraftwerken über den 31. Dezember 2022 hinaus eindeutig aus", so Schildmann. "Jegliche hypothetische Fragen" zu einer möglichen Laufzeitverlängerung stellten sich der EnBW deshalb derzeit nicht. "Wenn von der Bundesregierung gewünscht, stehen wir selbstverständlich weiterhin für Gespräche zur Verfügung." 

 



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