Michelin-Sterne vergeben: Tester sorgen in der Region für Freude und Verwunderung
Einen Rekord bei den mit Sternen dekorierten Restaurants vermeldet der Guide Michelin Deutschland. Mit den Beurteilungen in der Region Heilbronn-Franken sorgt er teils für Verwunderung.
Fachkräftemangel, hohe Lebensmittelpreise, zurückhaltendes Konsumverhalten - alles Rahmenbedingungen, die Gastronomen das Leben schwer machen. Dennoch scheint es um die deutsche Spitzengastronomie besser denn je bestellt zu sein.
Das zumindest legt die Sterne-Bilanz des druckfrischen Guide Michelin Deutschland 2023 nahe, die am Dienstagabend im Konzerthaus Karlsruhe präsentiert wurde. Kein Wunder, dass Gwendal Poullenec, internationaler Direktor des Michelin, bei insgesamt 334 Sternerestaurants, darunter 43 neue, von einem „Rekord in Deutschland“ sprach.
In der Region keine neuen Sterne-Restaurants
Nicht so in der Region Heilbronn-Franken, wo nach der Devise same procedure as last year zumindest in Sachen Sterne alles beim Alten bleibt. Sprich auf Vorjahresniveau: zwei Sterne für Boris Rommel und das Gourmetrestaurant Le Cerf im Wald- und Schlosshotel Friedrichruhe, je einer für die Eisenbahn (Thomas und Josef Wolf), Rebers Pflug (Hans-Harald Reber) in Schwäbisch Hall und fürs Laurentius (Jürgen Koch) in Weikersheim. Auch alle Radio-Ton-Köche bestätigen ihre Sterne.
Bewertungen bisweilen "nicht ganz nachvollziehbar"
Dabei hätte es mit dem Landgasthof Jagstmühle in Mulfingen-Heimhausen und Steffen Mezger durchaus einen heißen Sterne-Kandidaten gegeben, den Gourmet-Guides wie Gusto, Gault Millau oder Der Große Guide teils gleichauf mit oder vor den Ein-Sterne-Kollegen der Region sehen.
„Die Jagstmühle stand bei mir ganz oben“, wundert sich denn auch Zwei -Sterne-Koch Boris Rommel über „die für mich nicht richtig nachvollziehbare“ Entscheidung des Michelin.
Boris Rommel bestätigt Niveau in Friedrichsruhe
Er selbst sei vor der Sterne-Präsentation schon „ein bisschen angespannt“ gewesen, zumal der Friedrichsruher Hirsch (Le Cerf) im „Januar und Februar zu“ gewesen sei. „Weil wir vom Niveau her gleich geblieben sind, habe ich natürlich schon gehofft, den zweiten Stern zu halten“, so Rommel. Umso mehr freut er sich jetzt, „dass alles gepasst hat“ und er bereits zum sechsten Mal zwei Sterne nach Friedrichsruhe geholt hat.
Mit seinen zwei Michelin-Sternen zählt das Friedrichsruher Gourmet-Restaurant zu den bundesweit 50 Zwei-Sterne-Häusern - davon zehn in Baden-Württemberg - und ist nach wie vor einziges Zwei-Sterne-Restaurant in der Region.
Aktuell feilen Rommel und sein Team an ein paar Neuerungen, die er mit den Worten „mehr Klassik, mehr am Tisch und mehr am Gast“ auf den Punkt bringt. So fahre er bei einigen Gerichten mit dem Wagen vor, tranchiere sie am Tisch und komme dabei mit dem Gast ins Gespräch. „Da ist jeder hin und weg, weil es das ja nimmer so oft gibt“, so Rommels bisherige Erfahrung.
Jagstmühle bleibt ohne Stern: "Kein Weltuntergang"
„Die Möglichkeit war da, aber ich kenne die Beweggründe nicht und kann es mir nicht plausibel erklären“, kommentiert Steffen Mezger die Entscheidung des Michelin, die Jagstmühle in Sachen Stern weiterhin zu ignorieren. Während „viele Gäste das unmöglich finden“, zeigt er sich „entspannt“. Sein Credo: „Das ist für mich kein Weltuntergang und ein Grund, eher noch mehr Gas zu geben“. Im übrigen koche er „für die Gäste und nicht für die Guides“. Dass er Stern(e) kann, hat Mezger längst bewiesen.

So hat er 2011 für den Bayrischen Hof in München den ersten Stern erkocht und von 2014 bis 2020 zusammen mit dem unlängst verstorbenen Heinz Winkler in dessen Residenz in Aschau auf Zwei-Sterne-Niveau gekocht.
Dass andere Gourmet-Guides die Jagstmühle aktuell auf Sterne-Niveau sehen, belegen deren Wertungen. So liegt sie im Gault Millau mit zwei roten Hauben gleichauf mit Rebers Pflug und vor Eisenbahn und Laurentius, im Gusto mit sieben Pfannen gleichauf mit Laurentius und in der Große Guide mit vier Hauben samt Bonuspfeil deutlich vor Eisenbahn, Rebers Pflug und Laurentius.
Preiswert und gut: Bib Gourmands verliehen
Neben den Sternen wurden in Karlsruhe auch die Bib Gourmands für „gute Küche zu moderaten Preisen“ verliehen. Ihren Bib bestätigen konnten Anne-Sophie (Künzelsau), Landhaus Hohenlohe (Rot am See), Landhaus zum Rössle (Schwäbisch Hall) und Elefanten (Lauffen), neu hat ihn der Landgasthof Adler (Rosenberg) bekommen, gestrichen wurde er beim Adler (Brackenheim) und Bistro Laurentius (Weikersheim).
Zahlen und Fakten zum Gourmet-Führer
Waren es im 2022er-Michelin noch 327 Sterne-Restaurants, darunter 272 Ein-, 46 Zwei- und neun Drei-Sterner, haben die Zahlen im aktuellen Guide Michelin Deutschland 2023 mit insgesamt 334 Sternerestaurants kräftig zugelegt. Darunter: zehn Drei-Sterne-Restaurants (eines neu; zwei in Baden-Württemberg); 50 Zwei-Sterne-Restaurants (acht neue; zehn in BW, darunter zwei neu); 274 Ein-Sterne-Restaurants (34 neue; 63 in BW, darunter neun neu). 274 Restaurants wurden mit einem Bib-Gourmand ausgezeichnet (darunter 28 neue; 83 in BW, darunter zehn neu). Einen grünen Stern für „Nachhaltigkeit“ erhielten 72 Restaurants (darunter 16 neu; 15 in BW, darunter vier neu).
Auch wenn landläufig immer von Sterneköchen gesprochen wird, ist dies ein Irrtum. Der Michelin zeichnet Restaurants, nicht Köche aus. Demzufolge ist ein Sternekoch, ein Koch, der in einem Restaurant kocht, das im aktuellen Guide Michelin mit mindestens einem Stern ausgezeichnet ist.

