Mehr Arbeit, weniger Budget: Wie das Jobcenter des Landkreises Heilbronn das neue Bürgergeld stemmt
Die Behörde des Landkreises Heilbronn versorgt rund 2000 Menschen mehr als zuvor. Die Zahl der Mitarbeiter hat sich hingegen nicht verändert.

Eine Vase mit Kunststoffnelken, ein Pack Wasserflaschen, die Jacke hat Mara Pachelbel über den Stuhl gehängt. Gerade prüft sie am Computer, warum die junge Frau, die ihr gegenübersitzt, im Januar kein Bürgergeld bekommen hat. Es liegt am Aufenthaltstitel, der im Dezember ausgelaufen ist. Die Sachbearbeiterin in der Eingangszone des Jobcenters für den Landkreis Heilbronn kann Abhilfe schaffen.
Zwar ist die Mitte des Monats schon weit überschritten. Trotzdem freut sich die Kundin aus der Ukraine, 23 Jahre alt, schwarzer Mantel und Kapuze auf dem Kopf, als sie hört, wie lange es dauern wird, bis sie Geld erhält: "six days", sechs Tage. Auch mit einer Mietbescheinigung kann Mara Pachelbel ihr helfen. Die Ukrainerin strahlt. "I love you, guys", ruft sie und ist aus der Tür.
"So geht das oft", sagt Mara Pachelbel. Von ihrem Schränkchen fischt sie einen Schneemann aus Glaskugeln, gebastelt von dankbaren Kunden. Viele davon waren im vergangenen Jahr aus der Ukraine.
Das belegt die Statistik. Von 7200 auf 9000 ist die Zahl der Erwerbsfähigen, die das Jobcenter betreut, im vergangenen Jahr gestiegen, rund 2000 davon aus der Ukraine. Statt 120 Antragsteller im Monat gab es plötzlich in vier Wochen 1000.
Zahl der Mitarbeiter ist gleich geblieben
"Die Zahl unserer Mitarbeiter hat sich aber nicht verändert", sagt Geschäftsführer Marco Krebs. Statt vormals 200 betreut nun jeder Angestellte 300 Menschen. Dazu kommt: Das Gesamtbudget wurde um rund eine halbe Million Euro gekürzt. Gleichzeitig erhöhen die noch nicht funktionierende Technik fürs Bürgergeld, das seit Januar Hartz IV ablöst, und die Überbrückungshilfe beim Wohngeld den Druck.
"Die Mitarbeiter sind motiviert, aber irgendwann geht jedem die Luft aus", sagt der Chef. "Dann bringt es auch nichts mehr zu loben, dann wollen wir von der Politik Entlastung sehen. Weniger Geld zur Verfügung zu haben, ist ein ganz schlechtes Zeichen. Da wird an den Ärmsten der Armen gespart."
Beratung auf Augenhöhe war schon vorher wichtig
Was sich durch die Einführung des Bürgergelds ändert? Für Mara Pachelbel nicht viel. Dass die Beratung auf Augenhöhe erfolgen soll, war ihr vorher schon wichtig. "Bürgergeld klingt vielleicht freundlicher und vermittelt den Kunden ein besseres Gefühl", sagt sie. "Das Wichtigste ist aber, dass keiner lange auf sein Geld warten muss."

Draußen wartet ein Paar aus der Ukraine. Um den Besucherstrom zu kanalisieren, haben sie ihren Termin vorab gebucht und wurden direkt zum Sachbearbeiter gebracht. Auch dass sie den Status ihrer Anträge digital verfolgen können, entzerrt die Lage, sorgt für weniger Frust und mehr Sicherheit. Zudem haben die Mitarbeiter eine bestimmte Taste, mit der sie Kollegen in anderen Zimmern alarmieren können. Zum Einsatz kommt sie selten.
Das ukrainische Paar, das bislang in einer Gemeinschaftsunterkunft lebte, hat sich getrennt. Nun braucht der Mann einen Neuantrag. Eine russische Mitarbeiterin des Jobcenters übersetzt. Als sie wegmuss, nickt Mara Pachelbel ihr zu. "Ich krieg das mit Google-Übersetzer hin." An den Mann mit der Baseballkappe gewandt, fragt sie: "Bankcard?" Er hatte schon einen Job im Logistikzentrum und hofft, dort wieder anfangen zu können.
Viele haben Schwierigkeiten mit der Jobsuche
Andere tun sich schwerer mit der Jobsuche. 50 Prozent der Menschen, die das Team von Juliane Augustin, Leiterin des Bereichs Markt und Integration betreut, haben keinen Berufsabschluss. Krankheit, drohender Wohnungsverlust, fehlende Kinderbetreuung: Die Probleme der Menschen, mit denen auch Fallmanagerin Tanja Bräther zu tun hat, sind vielfältig. Umso wichtiger ist persönliche Betreuung.
Doch Zeit ist knapp, auch in der Leistungsabteilung. "Die Technik fürs Bürgergeld hat die Bundesagentur noch nicht angepasst", sagt Robert Wörner, stellvertretender Geschäftsführer. Die Kollegen arbeiten über eine Umgehung. Dazu kommt: Sollte das Sozialamt bei den Anträgen fürs neue Wohngeld nicht hinterherkommen, hilft das Jobcenter beim Überbrücken.
Mehr Förderung beim neuen Bürgergeld
Das neue Bürgergeld hat im Januar das Arbeitslosengeld II, umgangssprachlich Hartz IV, abgelöst. Der Regelsatz wurde erhöht und beträgt für Alleinstehende mit 502 Euro 53 Euro mehr als zuvor, für Paare pro Person 451 Euro und damit je 47 Euro mehr. Die Jobcenter haben nun unter anderem die Möglichkeit, Leistungsbezieher mehr zu fördern. Eine Ausbildung kann nun drei Jahre gefördert werden statt wie zuvor nur zwei Jahre. Eine Besonderheit des Jobcenters für den Landkreis Heilbronn ist die dort angesiedelte Sucht- und Schuldnerberatung.