Länder beharren auf Corona-Rechtsrahmen
Auch nach der "epidemischen Notlage" soll es eine juristische Bundes-Grundlage für die Länder geben. Der Heilbronner Ärztesprecher sieht eine alarmierende Entwicklung in der Region, Intensivmediziner warnen vor Überlastung.
Die Ministerpräsidenten wollen weiterhin einen bundesweit einheitlichen Rechtsrahmen zur Absicherung von Corona-Schutzmaßnahmen. Es sei Vorsicht geboten, sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), Nordrhein-Westfalens Regierungschef Armin Laschet (CDU), am Freitag zum Ende einer Tagung in Königswinter bei Bonn.
Laschet will einheitliche Grundlage
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte zuvor infrage gestellt, ob die "epidemische Lage von nationaler Tragweite" über den 25. November hinaus zu verlängern sei. Darauf reagierte die MPK nun: "Wir brauchen eine Regelung, wir brauchen eine sichere Rechtsgrundlage, damit auch niedrigschwellige Basisschutzmaßnahmen in den kommenden Herbst- und Wintermonaten möglich sind", beschrieb Laschet die Position. Dazu zählten etwa die sogenannten 2- und 3G-Regeln, Masken, Abstand, Lüften sowie Kontaktdatenerhebungen.
"Wenn jedes Land das selbst festlegen muss, führt das zu Verwerfungen", mahnte Laschet. "Deshalb ist eine bundeseinheitliche Regelung erforderlich." Die Länderchefs erwarteten, dass der Bundestag gemeinsam mit der scheidenden und der entstehenden Bundesregierung sowie den Ländern bis zum 25. November Klarheit schafft. Die Länder hätten dann auch noch eigene Regeln zur Umsetzung. "Aber die prinzipielle Option, die muss durch Bundesrecht hergestellt werden."
Der Heilbronner Ärztesprecher Martin Uellner würde es begrüßen, wenn die epidemische Lage verlängert würde. Die aktuellen Zahlen seien alarmierend. Uellner blickt mit großer Sorge auf die kommenden Wochen. "Die Patientenzahlen in meiner Praxis gehen steil nach oben, ich rechne damit, dass 2G bald kommt und ich fürchte, dass wir Ende November Inzidenzen in bisher ungekannter Höhe haben werden", sagte er unserer Redaktion.
Die Daten der Gesundheitsämter unterstreichen das. Wie überall im Land ist in der Region die Zahl der Corona-Neuinfektionen in den vergangenen Tagen gestiegen. In der Stadt Heilbronn lag die Sieben-Tage-Inzidenz am Freitag bei 179,5. Hier entfiel zuletzt ein Viertel aller festgestellten Neuinfektionen auf Zehn- bis 19-Jährige. In 94 Prozent der Fälle waren Neuinfizierte in der Stadt jünger als 50 Jahre. Nach Informationen des Gesundheitsamtes erfolgte die Hälfte der Ansteckungen im privaten Umfeld. Etwa jeder achte Fall wurde durch Tests an Schulen und Kindergärten entdeckt. "Alle Indikatoren weisen darauf hin, dass die Infektionen in nächster Zeit weiter ansteigen werden", sagte Peter Liebert, der Leiter des Heilbronner Gesundheitsamtes.
Von einem "diffusen Geschehen" spricht indessen das Landratsamt Heilbronn. Es gebe keine größeren Ausbrüche, an denen der jüngste Anstieg der Zahlen festgemacht werden könne.
RKI verzeichnet beschleunigten Anstieg der Fallzahlen
Das Robert-Koch-Institut gab den Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche am Freitag mit 95,1 an (Donnerstag: 85,6). Er hat damit erstmals seit Mitte Mai die 90 überschritten. "Es ist damit zu rechnen, dass sich im weiteren Verlauf des Herbstes und Winters der Anstieg der Fallzahlen noch beschleunigen wird", schrieb das Institut in seinem jüngsten Wochenbericht zur Pandemie. Auch Intensivmediziner schlagen Alarm, weil mangels Pflegepersonals viele Intensivbetten nicht mehr betrieben werden könnten.
Der Heilbronner Impfbus verzeichnet indes laut Martin Uellner steigenden Zulauf: "Viele verfolgen die Entwicklung, sie befürchten, dass 2G bald kommt und lassen sich deshalb jetzt impfen."
Epidemische Notlage
Die Feststellung der sogenannten epidemischen Lage von nationaler Tragweite ist die Grundlage für Verordnungen und zentrale Corona-Maßnahmen in Deutschland. Sie wurde erstmalig im März 2020 beschlossen. Zwar haben die Länder auch die Möglichkeit, solche Maßnahmen über Beschlüsse ihrer Landesparlamente aufrechtzuerhalten. Mehrere Ministerpräsidenten warnten aber am Rande der MPK-Konferenz vor einem "Flickenteppich" und damit verbundener mangelnder Akzeptanz.