Keine Ortsumfahrung: Wofür in Leingarten gebaggert wird
Erdbauarbeiten nahe der L1105 bei Leingarten in Richtung Nordheim sind Vorboten der Süddeutschen Erdgasleitung (SEL). Ab 2030 soll die Pipeline dann Wasserstoff durch den Landkreis Heilbronn transportieren. Bauern wollen wegen der Grabungen entschädigt werden.

Was macht der da eigentlich? Das fragt sich so mancher, der vom Süden Leingartens Richtung Nordheim fährt und den Bagger auf der breiten und langen braunen Schneise über die grünen Felder beobachtet. "Bei manchen erweckt das den Eindruck, die Maßnahmen würden beginnen", sagt Leingartens Bürgermeister Ralf Steinbrenner mit Blick auf eine geplante Südost-Umfahrung der Stadt. Doch davon kann nicht die Rede sein: Erst einmal soll hier eine Erdgasleitung verlegt werden.
Ab 2030 will die EnBW-eigene Firma Terranets BW dann Wasserstoff über diese Pipeline aus Richtung Mannheim in Richtung Stuttgart transportieren. Die geplante Süddeutsche Erdgasleitung (SEL) wird mitten durch den Landkreis Heilbronn verlaufen und dabei nach Kirchhausen auch Leingarten, Nordheim und Lauffen berühren.
Infrastruktur ist gut, Schäden für Landwirte ärgerlich
Steinbrenner findet eigentlich: "Alles, was an Infrastruktur gebaut wird, ist gut." Ärgerlich sei für die Landwirte nur, dass zweimal gegraben werde. Denn bei den derzeit laufenden Aushebungen handelt es sich noch nicht um die eigentlichen SEL-Bauarbeiten. Momentan sucht die Rottenburger Fodilus GmbH noch nach Bodendenkmälern. Das Büro für Archäologie und Grabungstechnik erkundet das Gelände und stellt Überreste alter Kulturen sicher. "Wir arbeiten uns von Norden nach Süden durch", sagt Sascha Schmidt, Archäologe und Fodilus-Geschäftsführer. Nach Pfingsten wolle man im Bereich Leingarten fertig sein. An der einen oder anderen Stelle müsse man aber noch die Lerche abwarten, fügt Schmidt lachend hinzu.
"Absolut nicht begeistert" von den Arbeiten sind in der Tat die Landwirte, über beziehungsweise unter deren fruchtbaren Äckern die Trasse verläuft. Jan Schwarting, Geschäftsführer des Kreis-Bauernverbands Heilbronn-Ludwigsburg, seufzt: "Man kann solche Projekte nicht verhindern." Schließlich lebe man in einer Region, wo viele Leitungen gebaut würden. "Jetzt kommt SEL, Suedlink kommt auch noch." Besonders schmerzten die Grabungen, "wenn schon eingesät wurde." Und bei den archäologischen Untersuchungen würde ein besonders großer Bereich durchwühlt.
Auch Folgeschäden sollen wiedergutgemacht werden
Allerdings würden die Landwirte entschädigt. Über die Höhe des Ausgleichs "sind wir noch am verhandeln", so Schwarting. Ein großes Problem ist seiner Meinung nach: Nach den Grabungs- und Bauarbeiten kämen Subunternehmen, "zum Teil aus Österreich", die möglichst schnell und bei jeder Witterung die Gräben wieder schließen würden. Auf Luftbildern könne man dann später noch sehen, wo die Leitungen liegen. Der Bauernverband fordert daher Vereinbarungen, nach denen auch erst später erkennbare Folgeschäden wiedergutgemacht werden: "Wir setzen uns dafür ein, dass entsprechend entschädigt wird."
Bauarbeiten gehen schneller als nach Plan voran
Sehr zufrieden mit dem Verlauf der Arbeiten ist die Bauherrin. "Es geht gut voran, teilweise sogar schneller als gedacht", sagt Linda Grösch von der Projektkommunikation der Terranets BW. Die Firma würde mit jedem Eigentümer oder Bewirtschafter der in Anspruch genommenen Flächen verhandeln. Egal ob es um Landwirtschaft, eine Wald- oder um eine Rebfläche ginge - "jeder Betroffene hat eine eigene Geschichte", zeigt Grösch Verständnis für die Belange der Leidtragenden. Und just im Bereich Leingarten-Nordheim gebe es sehr viele Grabungsflächen. Daher habe man Mitte März auf einer Info-Veranstaltung in Nordheim mit Vertretern verschiedener Bereiche diskutiert.
SEL wird als erste Leitung auf Wasserstoff umgestellt
Im Frühjahr 2024 soll es hier dann mit dem eigentlichen Bau losgehen, bis 2025 die Abschnitte Heilbronn-Löchgau-Esslingen zunächst für den Erdgastransport in Betrieb genommen werden. Ab 2030 soll die Umstellung auf Wasserstoff erfolgen. "Die SEL wird die erste Leitung sein, die umgestellt wird", informiert Terranets-Sprecherin Grösch. Bis 2040 solle dann gar kein Erdgas mehr nach Baden-Württemberg fließen.
Die Stadt Leingarten hat mit den Bauarbeiten wenig zu tun, weder finanziell noch politisch: "Bei Projekten in dieser Größenklasse sind wir als Genehmigungsbehörde raus", erklärt Bürgermeister Ralf Steinbrenner. "Das läuft alles über Stuttgart."