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"Kein Labortest ist zu hundert Prozent sicher"

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Die SLK-Mikrobiologin Tatjana Eigenbrod sagt im Interview, PCR-Tests auf Sars-Cov-2 seien sehr sicher. Wenn ein frisch Infizierter getestet wird, könne es jedoch sein, dass noch kein Virusmaterial nachweisbar ist.

Tatjana Eigenbrod ist Professorin und Leiterin des Bereichs Mikrobiologie am Institut für Labormedizin der SLK-Kliniken.
Tatjana Eigenbrod ist Professorin und Leiterin des Bereichs Mikrobiologie am Institut für Labormedizin der SLK-Kliniken.  Foto: Blass, Valerie

Wie aussagekräftig sind PCR-Tests auf Sars-Cov-2 und wie breit sollte getestet werden? Das haben wir Professor Tatjana Eigenbrod gefragt. Sie ist Leiterin des Bereichs Mikrobiologie am Institut für Labormedizin der SLK-Kliniken. Dort können täglich 80 bis 100 PCR-Tests durchgeführt werden, künftig sollen es bis zu 400 sein. Getestet werden bei SLK stationäre und ambulante Patienten, bei denen der Verdacht auf eine Infektion mit dem Virus besteht sowie Mitarbeiter unter bestimmten Voraussetzungen.

 

In manchen Kreisen hält sich die Sorge, PCR-Tests auf Sars-Cov-2 seien nicht zuverlässig. Was sagen Sie?

Tatjana Eigenbrod: Sie sind sehr zuverlässig. Man spricht in der Medizin davon, dass PCR-Tests der Goldstandard sind. Sie haben insgesamt eine sehr hohe Sensitivität und Spezifität. Sensitivität bedeutet, dass mit hoher Sicherheit alle Kranken als krank identifiziert werden. Spezifität bedeutet, dass alle Gesunden als gesund erkannt werden.

 

Und das funktioniert verlässlich mit PCR-Tests?

Eigenbrod: Es hängt sehr stark davon ab, in welchem Stadium jemand untersucht wird. Die Inkubationszeit der durch Sars-Cov-2 ausgelösten Krankheit Covid-19 beträgt bis zu 14 Tage. Wenn man jemanden ganz am Anfang testet, zum Beispiel, weil er Kontakt zu einem Infizierten hatte, kann es sein, dass noch kein Virusmaterial nachweisbar ist. Auch die Qualität des Abstrichs spielt eine wichtige Rolle. Wenn der Abstrich schlecht entnommen ist, besteht das Risiko, eine Infektion zu übersehen, die mit einer geringen Viruslast einhergeht.

 

Wie gut kann so etwas Ihrer Meinung nach an Abstrichstellen, zum Beispiel an der Autobahn, funktionieren, wo täglich Tausende Menschen durchgeschleust werden?

Eigenbrod: Prinzipiell kann natürlich die Sensitivität des Verfahrens leiden, wenn die Abstriche nicht korrekt durchgeführt werden. Wenn man allerdings berücksichtigt, wie viele Reiserückkehrer an den Teststellen positiv getestet wurden, kann die Abstrichtechnik nicht so schlecht sein.

 

Dann die Spezifität. Bringt der Test zu viele falsch-positive Befunde?

Eigenbrod: Kein Labortest ist zu hundert Prozent sicher. Aber weil der PCR-Test ein Test ist, der mindestens zwei verschiedene Genabschnitte von Sars-Cov-2 nachweist, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass falsch-positive Befunde generiert werden. Das sind Einzelfälle. Es kann auch sein, dass am Anfang der Krise nicht alle Auswertungs-Algorithmen so fundiert waren. Diesbezüglich gab es vereinzelt Warnungen von Herstellern. Inzwischen sind die Tests aber sehr gut. Probleme machen Testergebnisse immer dann, wenn nur noch eines der untersuchten Gene positiv ist, aber ein oder zwei andere negativ. In diesen Fällen kann es schwierig sein zu entscheiden: Ist das ein spezifischer Nachweis von Sars-Cov-2 oder ein unspezifisches Signal?

 

Manche meinen, ein positiver Test belege noch lange keine Infektion. Stimmt das?

Eigenbrod: Eine PCR weist ganz spezifische Gensequenzen von Sars-Cov-2 nach, in der Regel zwei oder drei. Wenn die PCR positiv ist, dann ist diese Person auch infiziert. Ich könnte mir vorstellen, dass manchmal die Begriffe infiziert und infektiös miteinander verwechselt werden. Nicht jeder mit Sars-Cov-2 Infizierte ist auch infektiös, also in der Lage, seine Umgebung anzustecken. Das liegt an der Viruslast: Wenn jemand eine hohe Last hat, ist er infektiöser, also ansteckender. Wenn eine PCR nur schwach positiv ist, spricht das für eine geringe Viruslast, bei der nach heutigem Kenntnisstand davon auszugehen ist, dass die betreffende Person nicht oder nicht mehr infektiös ist.

 

Für wie sinnvoll halten Sie Massentests?

Eigenbrod: Die Tests für Reiserückkehrer aus Risikogebieten waren meiner Meinung nach sehr sinnvoll. Bei ungezielten Massentests ist dagegen das Problem, dass sehr viele Menschen untersucht werden müssten, um wenige Positive zu identifizieren. Das ist nicht wirtschaftlich und bindet Ressourcen. Ein PCR-Test ist ein teures Verfahren. Die Tests, die wir haben, kosten im Einkauf zwischen 15 und 45 Euro. Personalkosten für die hochqualifizierten Mitarbeiter und die Anschaffungs- und Wartungskosten für die notwendigen Geräte kommen noch hinzu. Zudem gibt es nach wie vor Lieferengpässe bei Labormaterial. Und ein negativer Test ist immer nur eine Momentaufnahme.

 

Datenerfassung und Kontaktverfolgung scheinen besondere Probleme zu machen.

Eigenbrod: Die Kapazitäten sind vielerorts überlastet. Es wird häufig von der Politik gesagt, so ein Test sei kein Problem, aber es steckt ein ungeheurer logistischer und EDV-Aufwand dahinter. Erst einmal muss man die Probe entnehmen, dann die Patientendaten erfassen und es muss geklärt sein, wie der Patient seinen Befund erhält. Das ist ein großes EDV-Thema, das sich genauso wenig wie das E-Learning an Schulen von heute auf morgen bundesweit umsetzen lässt. Aus diesen Gründen mussten auch viele Reiserückkehrer, die sich in Abstrichzentren testen ließen, lange auf ihre Befunde warten.

 

Was halten Sie von der neu beschlossenen Regelung, wonach Rückkehrer aus Risikogebieten in Quarantäne müssen, die sie frühestens nach fünf Tagen mit einem negativen Testergebnis verlassen dürfen?

Eigenbrod: Infektiologisch macht es durchaus Sinn, wenn sich Reiserückkehrer erst einmal fünf Tage in Quarantäne begeben, bevor sie getestet werden. Denn wenn man von einer durchschnittlichen Inkubationszeit von sechs Tagen ausgeht, werden Infizierte zu diesem Zeitpunkt viele Viren ausscheiden und gut zu entdecken sein.

 

Zur Person

Professor Tatjana Eigenbrod (42) ist Fachärztin für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie. Sie leitet den Bereich Mikrobiologie am Institut für Labormedizin der SLK-Kliniken am Standort Gesundbrunnen.

 

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