Katholiken fragen sich: Hat der alte Papst den Titel noch verdient?
Auch Katholiken in der Region lässt der aktuelle Missbrauchsskandal und das Verhalten des Ex-Papstes keine Ruhe. Die Reformbewegung Maria 2.0 fordert Benedikt XVI. zum Namensverzicht auf.

Vor, im und nach dem Gottesdienst, am Mittagstisch, im Büro, im Religionsunterricht, wo manche Schülerin, so wird berichtet, gar in Tränen ausbrach: Die Missbrauchsskandale in ihrer Kirche - und vor allem das Verhalten von Joseph Ratzinger - lassen Katholiken keine Ruhe. Während der emeritierte Papst Benedikt XVI. am Montag zumindest eine Falschaussage zugab, mit einer umfassenden Stellungnahme aber warten will, forderte ihn die Reformbewegung Maria 2.0 am Montag auf, seinen Titel abzulegen.
Gute Seiten der Kirche nicht vergessen
"Das Mindeste ist doch, dass man zu seinen Fehlern steht", betont Eva Anding aus Böckingen, die im Diözesanrat von Rottenburg-Stuttgart über 80.000 Katholiken aus dem Dekanat Heilbronn-Neckarsulm vertritt. Der Verzicht auf den Titel wäre "immerhin ein Zeichen, dass ihn das Ganze berührt, dass er es nicht nur bei Lippenbekenntnissen belässt". Froh ist Anding, dass in ihrer Diözese schon 2002 mit der Aufarbeitung von Missbrauchsverbrechen begonnen worden sei, was Bischof Gebhard Fürst am Wochenende in einer Rundmail an Räte und Mitarbeiter aufzuzeigen versuchte. Wobei das Verhalten der Verantwortungsträger von München natürlich auf die Gesamtkirche abfärbe: auf alle Priester, Ehrenamtliche oder Mitarbeiter im Sozialen, "die einen guten Job machen", erinnert Anding.
Weit weg von Heiligsprechung
"Die Kirche ist an einem Tiefpunkt angelangt. Das Vertuschen muss ein Ende haben. Alles muss rückhaltlos aufgeklärt werden. Ratzinger muss Konsequenzen ziehen", betont Stefan Schneider von der Caritas Heilbronn-Hohenlohe. Ob der Verzicht auf den Papsttitel das Richtige ist, will Schneider nicht beurteilen, "und wenn er das täte, wäre es damit nicht getan". "Ein dickes Fragezeichen" stellt Schneider indes hinter die Frage, ob Benedikt XVI. einmal heiliggesprochen werden sollte. Fest steht für ihn indes: "Es braucht strukturelle Änderungen, Reformen: von der Stellung der Frau bis hin zur Sexualmoral."
Aus allen Wolken gefallen
"Mein Bild von ihm hat sehr gelitten", sagt Hans Span aus Untergriesheim, der dem Papst 2009 bei einer Privataudienz mit der Bergkapelle Heilbronn einen Salzbrocken geschenkt hat. So ist Span jetzt "aus allen Wolken gefallen", wobei er als ehemaliger Oberministrant anders als Ratzinger schon immer für Reformen gewesen sei. Ob man dem Pontifex nun den Titel aberkennen sollte, will der Blasmusiker nicht beurteilen. "Von einem Papst erwarte ich zumindest, dass er sich ans achte Gebot hält: Du sollst nicht lügen."
Eintreten statt Austreten
"Es ist nicht so wichtig, welchen Titel jemand trägt oder ob er überhaupt einen hat", meint Regina Ostertag-Weller, die mit der Initiative Frauenkirche St. Josef Weinsberg zu Maria 2.0 gehört. Ihr Mitgefühl gilt zunächst den Opfern. Zudem fordert sie Aufklärung von unabhängigen Stellen. "Verantwortliche müssen zur Rechenschaft gezogen werden, nicht nur von internen Rechtsstellen der Kirche, sondern auch entsprechend dem geltenden Strafrecht." Außerdem gelte es, "die Bekämpfung der Ursachen zeitnah umzusetzen". Insgesamt sehen sich die Frauen von Weinsberg in ihren Forderungen "nach tiefgreifenden strukturellen Veränderungen" in der Gesamtkirche bestärkt. Ihr Appell: "Eintreten statt Austreten".
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