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Im Eiltempo zur Herdenimmunität mit Software aus Heilbronn?

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Eine Heilbronner Firma hat eine neue Software entwickelt, die die Impfgeschwindigkeit angeblich um bis zu 500 Prozent erhöhen soll. Öffentliche Stellen zeigen sich skeptisch, ein Hausarzt ist prinzipiell aufgeschlossen.

von Annika Heffter
Von der Ankunft bis zur Spritze gibt es in Impfzentren eine gewisse Wartezeit. Durch Einbindung der Hausärzte in die Terminvergabe will ein Heilbronner Unternehmen die Verweildauer verkürzen.
Foto: Andreas Gugau
Von der Ankunft bis zur Spritze gibt es in Impfzentren eine gewisse Wartezeit. Durch Einbindung der Hausärzte in die Terminvergabe will ein Heilbronner Unternehmen die Verweildauer verkürzen. Foto: Andreas Gugau  Foto: Gugau

Die Nummer 116117 ist mittlerweile in ganz Deutschland bekannt, genauso wie die Webseite des Impfterminservices der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Zehntausende Termine werden täglich bundesweit vergeben, je nach Impfstoffverfügbarkeit. Rund 280 000 Menschen werden pro Tag geimpft. Doch wenn es nach der Firma Navatec aus Heilbronn geht, sollten die Webseite und die Hotline nicht mehr für die zentrale Impfterminvergabe zuständig sein. Stattdessen schlägt die Firma eine eigene Softwarelösung vor. Diese, behauptet das Unternehmen, würde im Eiltempo zur Herdenimmunität führen und die Impfgeschwindigkeit um 500 Prozent erhöhen. Wie soll das funktionieren?

Alle Terminvergaben sollen die Hausärzte übernehmen

"Der Hausarzt ist das Zentrum der Strategie", sagt Facharzt Achim Wallau, der die Plattform "Impfplaner 4.0" mitgegründet hat. Statt per Telefon oder Online-Buchung an einen Termin zu kommen, solle man einfach zum Hausarzt gehen können. Dadurch würde viel Papierkram entfallen, der im Impfzentrum sonst Zeit koste. "Der Hausarzt kennt den Patienten schon, weiß von Vorerkrankungen und kann das Aufklärungsgespräch führen", erklärt Wallau.

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Dann soll es mit der Software wie bei der Buchung eines Konzert- oder Flugtickets weitergehen. "Der Arzt trägt Namen, E-Mail-Adresse und Geburtsdatum des Patienten ein, sucht den Termin aus und generiert ein Ticket mit Code", so der Wiesbadener Facharzt. Das könne der Impfling dann mit ins Impfzentrum nehmen, wo der Code gescannt würde und sofort und ohne große Umschweife geimpft werden könne. "Von der Tür des Impfzentrums bis zum Piks braucht man dann zum Beispiel statt 50 Minuten nur noch zehn", schätzt Wallau. "Außerdem muss man nicht mehr Schlange stehen und verringert das Risiko, sich bei jemandem anzustecken."


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Impfstoffmangel laut Landesministerium größeres Problem

Doch ist die Technik überhaupt das große Problem der Impfstrategie, fehlt nicht zunächst einmal einfach der Impfstoff? "Es geht darum, dass es schnell gehen muss, sobald genügend Impfstoff da ist. Die Zeit, die die Patienten im Impfzentrum verbringen, wird der entscheidende Faktor sein, wie viele Menschen pro Tag einen Termin dort bekommen können", so Wallau.

Offizielle Stellen stehen dem Vorstoß des Heilbronner Unternehmens skeptisch gegenüber. "Limitierender Faktor der Impfkampagne sind nicht die Terminierung oder gar die wichtigen Aufklärungsgespräche, sondern nach wie vor der Impfstoff beziehungsweise Änderungen in den Zulassungsvoraussetzungen", berichtet die Pressestelle des baden-württembergischen Sozialministeriums. Das bestehende System funktioniere und halte auch "einem größeren Ansturm" stand. Alle relevanten Dokumente könnten gut vor dem Impftermin ausgefüllt "und im Impfzentrum mittels Barcode in die Impfdokumentationssoftware eingelesen werden".

Auch die Betreiber der Webseite finden an ihrer technischen Lösung nichts auszusetzen: "Das System läuft sehr stabil und verarbeitet jeden Tag mehrere Millionen Suchanfragen", berichtet Florian Fuhrmann von kv.digital. Auch er betont, der Impfstoffmangel sei das eigentliche Problem. Sobald mehr Termine verfügbar seien, könne das System sie auch zuverlässig und schnell vergeben. Das Heilbronner Landratsamt betont, die Entscheidung über die Software sei Aufgabe des Landes. Eine Sprecherin vermutet aber, dass es viele Unternehmen gibt, die in der Pandemie eine Chance wittern und ihre Produkte verkaufen wollen.

Mehraufwand für Hausärzte?

Hausarzt Stefan Linke aus Eppingen ist grundsätzlich offen für neue Vorschläge. "Das klingt nach einer charmanten Idee, solange der administrative Aufwand minimal ist. Die Hausärzte sollten nicht noch mehr aufs Auge gedrückt bekommen." Auf den Mehraufwand für die Praxen kommt es auch dem baden-württembergischen Hausärzteverband an. Das System müsse von Ärzten getestet werden. Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg sieht einen einheitlichen Terminplaner kritisch. "Wir fordern die Ausweitung der Impfungen auf die Arztpraxen unter anderem, weil wir von der zentralen Impfterminvergabe wegkommen möchten", schreibt der Leiter der Pressestelle, Kai Sonntag. "Wir sollten daher keine neue zentrale Terminvergabe für die Hausarztpraxen einführen."


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Navatec ist dennoch optimistisch, dass die Idee des Impfplaners gut ankommen wird. Einsetzbar sei er schon. Einzig ein Problem sieht Achim Wallau: "Es ist schwierig, an die Entscheidungsträger heranzukommen." Schließlich müsste die Entscheidung, die Software zentral einzuführen und die 116117 aufzugeben, von ganz oben kommen, von Bund und Ländern. Ein Risiko ist die Firma also in jedem Fall eingegangen, eine technische Lösung zu entwickeln, für die es eventuell gar keine Abnehmer gibt.


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