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Ärzte wollen endlich in den Praxen impfen

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Mediziner aus der Region sind verärgert über die schlechte Organisation und den Verwaltungsaufwand bei der Impfkampagne. Die Kassenärztliche Vereinigung sagt, knapp 3000 Ärzte im Land stünden in den Startlöchern.

Eine Hausärztin verabreicht in Naila (Bayern) einem Patienten eine Impfung gegen Covid-19. Foto: dpa
Eine Hausärztin verabreicht in Naila (Bayern) einem Patienten eine Impfung gegen Covid-19. Foto: dpa  Foto: Nicolas Armer/dpa

Ab wann und in welchem Umfang sollen Arztpraxen in Deutschland in die Impfkampagne einsteigen? Darüber ist ein heftiger Streit entbrannt. Nicht vor Mitte April, heißt es bislang aus der Politik. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach schrieb auf Twitter gar, man könne angesichts der weiter andauernden Knappheit an Impfstoff nicht vor Mai von der derzeitigen Strategie der "konzentrierten Gabe" in Impfzentren abweichen.

Hausärzteverband übt harsche Kritik an der Verzögerung

Die Hausärzte bringt das Warten auf die Palme. Verbandspräsident Ulrich Weigeldt sagte der "Augsburger Allgemeinen", die Hausärzte seien erschüttert und fassungslos darüber, dass "der längst überfällige Impfstart in unseren Praxen nun weiterhin auf die lange Bank geschoben" wird. "Derweil liegen Millionen Impfstoffdosen ungenutzt herum in kostenintensiven Impfzentren, deren Anonymität gerade ältere Menschen scheuen."


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Gundelsheimer Arzt hält deutsche Bürokratie in Zusammenhang mit den Impfungen für absurd

Peter Abend aus Gundelsheim (72), der sich als Impfarzt in Alten- und Pflegeeinrichtungen engagiert und schon Dienst im Impfzentrum Ilsfeld-Auenstein getan hat, ist ebenfalls empört. Ihn stören vor allem "die absurden Vorgaben, die von Menschen am Schreibtisch ohne jegliche praktische Erfahrung gemacht werden". Der Verwaltungsaufwand rund um die Impfungen sei überbordend, die Organisation der Impfertermine in den Zentren grauenhaft schlecht. Er selbst und andere Ärzte, die am vergangenen Samstag in Ilsfeld Dienst gehabt hätten, seien die Hälfte der Zeit nur herumgesessen. Zum Schluss seien Impfdosen übrig gewesen. Aber der Versuch, kurzfristig weitere ohnehin impfberechtigte Lehrer einzubestellen, sei abgelehnt worden.


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Abends Standpunkt: "In Praxen kann mit Sicherheit wesentlich schneller und kostengünstiger geimpft werden." Dafür müssten aber zunächst absurde bürokratische Hürden weg: "Ich bin sicher, so viele Formulare gibt es nur in Deutschland." Es sei auch schlicht nicht möglich, jeden Patienten nach der Impfung für 20 Minuten mit dem nötigen Sicherheitsabstand in den Praxen warten zu lassen. So viel Platz hätten die wenigsten. Abend sagt: "In den USA wird beim Durchfahren auf Parkdecks geimpft. Der deutsche Bürokratismus ist der Wahnsinn." Auch deshalb sei das Tempo so niedrig.

Kassenärzte wollen "endlich loslegen"

Verärgert ist man auch bei der Kassenärztlichen Vereinigung in Stuttgart. Es sei richtig gewesen, die Impfungen zunächst zentral über die Zentren abzuwickeln, sagt Sprecher Kai Sonntag. Aber nun sei der Zeitpunkt gekommen, die Kampagne auf eine breitere Basis zu stellen. "Es muss jetzt in die Fläche gehen mit den Impfungen." Schon deshalb, weil es den Menschen nicht zuzumuten sei, dass sie sich stundenlang über die Hotline um einen Impftermin bemühen müssen. Bei einer Umfrage unter den Ärzten im Land hätten sich "innerhalb eines Tages knapp 3000 Praxen gemeldet, die bereitstehen". Sonntag sagt: "Die Ärzte wollen impfen, nicht diskutieren." Sie müssten nur endlich die Möglichkeit bekommen loszulegen.

Der Heilbronner Hausarzt und Pandemiebeauftragte für die Region, Dr. Martin Uellner, bremst indes die Erwartungen. Natürlich seien Impfungen in einer Arztpraxis effizient zu realisieren. "Das ist kein Problem, und auch kurzfristig machbar." Ärzte impften schließlich jedes Jahr Millionen von Menschen völlig geräuschlos. Allerdings gibt er zu bedenken: "Das macht nur Sinn, wenn auch genügend Impfstoff da ist, der gleichmäßig in den Arztpraxen verteilt wird." Das sieht Uellner derzeit nicht als gegeben. Auch logistische Fragen seien noch zu klären - etwa von wo die Praxen beliefert werden und wie die Kühlketten richtig einzuhalten sind.

Bund-Länder-Runde berät ab Mittwoch über Ausdehnung der Impfkampagne auf Arztpraxen

Am Mittwoch wollen Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder in einer Telefonschalte über den Start der Impfungen in Arztpraxen beraten. Bayern hat angekündigt, die Hausärzte schon früher einzubeziehen. "Wir erwarten, dass die Impfstofflieferungen des Bundes die Arztpraxen in die Lage versetzen, ihren Patienten zum 1. April ein Impfangebot machen zu können", sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) am Freitag.

Wolfram Henn, Mitglied des Deutschen Ethikrats, hält dann auch mehr Spielraum für Hausärzte bei der Impfreihenfolge für notwendig. Grundsätzlich sei es richtig, an der Priorisierung festzuhalten, aber: "Je mehr Impfstoff verfügbar wird, desto stärker kann man die weiterhin bestehenden ethischen Kriterien individualisieren", sagte Henn im Bayerischen Rundfunk. Sobald Hausärzte mitimpfen dürfen, sollte die Entscheidung bei den Praxen liegen.


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