Bei den Ermittlungen helfen Facebook und Google
Die Polizei kommt mit Daten von Internetunternehmen aus den USA Kinderpornografie-Tätern auf die Spur. Die riesige Datenmenge stellt die Ermittler allerdings vor große Probleme.

Doppelt so viele Straftaten wie im Jahr davor: Die Statistik der Heilbronner Polizei für 2019 weist einen starken Anstieg von Straftaten im Zusammenhang mit Kinder- und Jugendpornografie aus. Die Verfolgung basiert auf Daten, die aus den USA an die Ermittler in Deutschland übermittelt werden - vor allem durch das Nationale Zentrum für vermisste oder missbrauchte Kinder (NCMEC). Dabei handelt es sich um eine gemeinnützige Organisation, die der amerikanische Kongress 1984 eingerichtet hat.
Die Verfolgung von Delikten rund um Kinderpornografie übers Internet sei in Deutschland praktisch unmöglich, sagt Heiko Gieser. Er ist Leiter des Arbeitsbereichs Sexualdelikte beim Heilbronner Polizeipräsidium. "Wir haben hier kaum Möglichkeiten, Tätern über Datenströme oder die Kommunikation im Netz auf die Spur zu kommen." Das sehe in den USA anders aus, da die Möglichkeiten der Strafverfolgung dort bessere seien und Gerichte oft deutlich höhere Strafen für dieselben Taten verhängten.
Der lange Weg der Daten kostet Zeit
So seien die großen Provider und Internetunternehmen per Gesetz verpflichtet, Videos und Fotos mit kinderpornografischen Inhalten an NCMEC zu melden. "Wenn jemand zum Beispiel ein solches Foto per Facebook-Messenger oder Google-Mail verschickt, entdecken das die Unternehmen oft und melden es", erläutert Heiko Gieser. Dazu seien sie verpflichtet. Weise das sogenannte Internet Protocol (IP) auf ein anderes Land als die USA hin, leite die Organisation das Material weiter - im Fall von Deutschland an das Bundeskriminalamt in Wiesbaden (BKA). Das BKA prüfe, ob nach deutschem Recht eine Straftat vorliegt. Dann leitet es die Daten an die darauf spezialisierte Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt weiter, und die an die Landesbehörden.
Nicht selten stellen die Dauer dieses Prozederes und die Datenmenge die Ermittler vor Probleme. "Da die Provider in Deutschland keine Daten speichern müssen, laufen unsere Recherchen oft ins Leere." Das ist ihm und seinen Kollegen ein Dorn im Auge. "Die seit Jahren nicht geregelte Vorratsdatenspeicherung schützt die Täter." Zumal er den Eindruck habe, dass oft nicht einmal die zuständigen Politiker wüssten, was gemeint ist. "Es werden ja keine Inhalte der Internetsitzung oder des Gesprächs gespeichert, sondern nur Daten zur Verbindung selbst."
"Hier würden wir nichts erfahren"
Doch selbst die Informationen, die die lokalen Behörden erreichen, haben einen Umfang, der die Fallzahlen in die Höhe schießen lässt. Dass die Daten aus den USA die Ermittler erreichen, sei gut, meint Gieser. "Andererseits ertrinken wir wegen der Mengen in Arbeit und es fehlt hinten und vorne Personal." Doch komme man auf diesem Weg Tätern auf die Spur, die sonst unentdeckt bleiben würden. "Das funktioniert nur, weil die Internetunternehmen ihren Sitz in den USA haben. Hier würden wir nichts erfahren."
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"Bis April gehen ungefähr 16 der 87 Verfahren wegen des Umgangs mit Kinder- und Jugendpornografie auf Mitteilungen ausländischer Stellen zurück", teilt Martin Renninger mit. Er leitet bei der Heilbronner Staatsanwaltschaft die Abteilung, die die Ermittlungsverfahren im Bereich Kinder-und Jugendpornografie bearbeitet. 2019 waren es insgesamt rund 70 von 212 Verfahren.
Für die Staatsanwaltschaft seien diese Mitteilungen zunächst Ermittlungsansätze, die es dann zu überprüfen gilt, betont Renninger. "Ob mehr und wenn ja, wer dahintersteckt, ist hier vor Ort zu klären." In der Mehrzahl hätten sie Folgen, etwa Durchsuchungen. Die aufwendigen Ermittlungen bedeuteten eine erhebliche Belastung der Polizei, sagt Renninger. "Immer häufiger sind unvorstellbare Mengen an Film- und Bildmaterial auszuwerten." Doch um herauszufinden, ob ein Verdächtiger selbst Missbrauch begangen hat, komme eine Beschränkung der Auswertung nicht infrage.
Unterstützung durch das Innenministerium
Das Innenministerium sieht die Polizei im Land hingegen gut für die Bekämpfung von Straftaten im Kontext von Kinder- und Jugendpornografie aufgestellt. Neben Unterstützung durch geschulte Beamte und besondere Kriminalinspektionen in den Präsidien sei 2012 die Abteilung "Cybercrime und Digitale Spuren" beim Landeskriminalamt eingerichtet worden. Außerdem unterstütze man den Aufbau einer bundesweiten Datenbank zur Identifizierung kinderpornografischen Materials - auch der Einsatz künstlicher Intelligenz werde geprüft.
Um NCMEC-Hinweise verfolgen zu können, sei die Anwendung von Vorratsdatenspeicherung notwendig. Dass das derzeit nicht möglich ist, bedeute, dass viele solcher Verdachtsfälle keinem Internetanschluss mehr zugeordnet werden können, teilt das Ministerium mit. "Da oft keine anderen Ansätze vorhanden sind, müssen die Ermittlungen eingestellt werden."