Helfer aus Erdbebengebieten waren für eine traumapädagogische Weiterbildung in Heilbronn
Das Leid nach den Erdbeben in der Türkei und in Syrien ist groß: Psychologen und Sozialarbeiter aus den Erdbebenregionen haben am DHBW CAS jüngst eine traumapädagogische Weiterbildung bekommen.

Am 6. Februar hatten zwei starke Erdbeben die Südosttürkei und den Norden Syriens erschüttert. Die Folgen sind katastrophal: Über 13 Millionen Menschen sind betroffen, mehr als 57.000 Menschen kamen ums Leben und Millionen von Menschen wurden obdachlos.
Helfer waren in Heilbronn zu Besuch
Das Institut für transkulturelle Gesundheitsforschung (ITG) hat in Zusammenarbeit mit dem Center for Advanced Studies der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW CAS) in Heilbronn eine traumapädagogische Weiterbildung für 24 Psychologen und Sozialarbeiter aus den Erdbebengebieten organisiert. Sie waren Mitte April in Heilbronn zu Besuch und haben in fünf Tagen unter anderem Inhalte zu Notfall-, Kinder- und Jugendpsychologie vermittelt bekommen.
Auch Helfer können traumatisiert werden
Prof. Jan Ilhan Kizilhan, der an der DHBW Villingen-Schwenningen lehrt und dem transkulturelle Traumapädagogik ein Herzensanliegen ist, leitet das Projekt. "Die betreuenden Psychologen und Sozialarbeiter sind oftmals Betroffene und Helfende zugleich, was eine doppelte Belastung darstellt. Sie können selber in Hilflosigkeit geraten und traumatisiert werden", sagt er.
Mit dem Lehrgang wolle man ihnen zum einen Hilfsmittel und Ansätze an die Hand geben, die besonders für die Anwendung in Krisengebieten geeignet sind. Und ihnen zum anderen beibringen, Selbstfürsorge zu leisten.
Mit dem Lehrgang präventiv ansetzen
Symptome traumatisierter Menschen würden oft mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung auftreten. Erst in der Ruhephase beginne das Gedächtnis, nachzudenken und die Trauer einzusetzen, sagt Jan Ilhan Kizilhan. Dann zeige der Körper Signale wie Panikattacken, Atemnot, Schlafstörungen oder Alpträume. Kinder , die ihre Eltern verloren haben, können mit den Jahren Persönlichkeitsstörungen entwickeln. Hier müsse man präventiv ansetzen. "Mit unserem Lehrgang können wir einen kleinen Teil dazu beitragen, das Leid der Menschen zu lindern", sagt Jan Ilhan Kizilhan.
Zum Auftakt des Lehrgangs Mitte April wurden die Psychologen und Sozialarbeiter im DHBW CAS nicht nur von Jan Ilhan Kizilhan und Paul-Stefan Roß (Dekan Sozialwesen am DHBW CAS) willkommen geheißen, auch der Bundestagsabgeordnete Max Lucks, Mitglied des Menschenrechtsausschusses, war dabei. Vor einigen Wochen war der Grünen-Politiker selbst im Erdbebengebiet vor Ort, ist unter anderem durch die betroffene Provinz Hatay gereist, um sich ein Bild zu machen.
Das Ausmaß der Zerstörung übertreffe alles, was man aus den Medien kenne. "Die Menschen haben alles verloren. Psychologische Betreuung fehlt." Umso wichtiger sei es, Solidarität zu zeigen und an der Seite der Menschen in der Erdbebenregion zu stehen, so Lucks.
Fazit der Teilnehmer

Das Fazit der Teilnehmer nach dem fünftägigen Lehrgang fällt positiv aus. "Ich habe wertvolle und notwendige Informationen, aber auch Techniken gelernt, wie man auf traumatisierte Menschen zugeht und sie behandelt", sagt etwa Siyabend Aslan, der in einem Krankenhaus in der Türkei nahe des Erdbebengebiets arbeitet.
Seine bisherige Beobachtung: "Vor allem Eltern kommen. Obwohl sie selbst vom Erdbeben betroffen sind, machen sie sich mehr Sorgen um ihre Kinder und bitten um Hilfe, wie ihr Nachwuchs dieses Trauma verarbeiten kann." Auch Gülperi Gündüz zieht ein positives Fazit nach dem Lehrgang. In den auf Traumas fokussierten Behandlungsansätzen für Überlebende und die psychosoziale Betreuung von Kindern und Jugendlichen sieht die Sozialarbeiterin einen großen Mehrwert für ihre weitere Arbeit in einem kommunalen psychiatrischen Zentrum, das einem Krankenhaus in Istanbul angegliedert ist.
Die besondere Herausforderung in Erdbebengebieten liegt laut Jan Ilhan Kizilhan in der großen Anzahl an behandlungsbedürftigen Personen, denen nur wenige Therapieplätze geboten werden können. "Es gilt, in kurzer Zeit möglichst vielen Menschen zu helfen."



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