Heilbronner Polizeichef rechnet mit mehr sogenannten Spaziergängen
Polizeipräsident Hans Becker beobachtet eine zunehmende verbale Aggression bei Versammlungen gegen die Corona-Politik. Trotzdem verlaufe der Protest in der Region im Wesentlichen geordnet ab.

Die Zahl an sogenannten Spaziergängen an Montagen, die sich gegen die Corona-Politik und eine allgemeine Impfpflicht richten, wird nach Einschätzung von Heilbronns Polizeipräsident Hans Becker weiter zunehmen. Das sagte er am Dienstagabend bei einer Veranstaltung im Alten Museum in Leingarten-Schluchtern. "In der Tat, diese Spaziergänge gehen überall in die Fläche."
Zuletzt sei die Zahl der Spaziergänger in der Region erneut angestiegen. Am Montag trafen sich demnach im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Heilbronn in 25 Orten rund 5700 Menschen auf den Straßen. Vereinzelt hatte es Gegendemos gegeben - und, dies wurde am Dienstag deutlich: Es wird an Montagen weitere geben. Ein Zuhörer kündigte an, er wolle in Brackenheim eine Versammlung anmelden. Auch in Bad Wimpfen ist nach Informationen unserer Zeitung eine Gegendemo in Planung.
Viele Versammlungen waren nicht angemeldet worden
Die Mehrzahl der 25 sogenannten Spaziergänge sei nicht angemeldet gewesen, berichtete Becker. Unter angemeldet versteht er all jene Versammlungen, die bis zu 48 Stunden vor Beginn angekündigt wurden. Manche Organisatoren melden sich aber kurzfristiger, und bei manchen Spaziergängen sei gar nicht klar, wer überhaupt als Veranstalter zu sehen sei.

Die Verwaltungsgerichte Stuttgart und Karlsruhe kippten in jüngsten Urteilen Allgemeinverfügungen für Bad Mergentheim und Bretten, die nicht angemeldete sogenannte Spaziergänge grundsätzlich untersagten. Es gilt zwar: Versammlungen - also auch Spaziergänge - müssen angemeldet werden. Und sind sie nicht angemeldet, ist das ein Verstoß gegen geltende Vorgaben. Aber ein solcher Verstoß stellt nach Auffassung der Gerichte keine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des Versammlungsrechts dar - und reicht daher als Begründung für ein präventives Verbot sämtlicher nicht angemeldeter Corona-Spaziergänge nicht aus.
Becker: Verbale Aggression nimmt zu
Hans Becker äußerte seine Sorge über den weiteren Verlauf von Protesten. Er stelle eine zunehmende verbale Aggression fest. Becker betonte aber: In der Region Heilbronn verliefen die Versammlungen im Wesentlichen friedlich und geordnet ab. "Wir haben noch nicht die Zustände, wie sie in anderen Teilen des Landes sind."
Über die Teilnehmer der Proteste sagte Becker, er befürchte, dass es unter ihnen immer mehr Leute gebe, die ein grundsätzliches Problem mit dem Staat hätten. Diese Leute blieben mit ihren Haltungen auch nach einer Pandemie präsent.
Die Veranstaltung in Leingarten gehört zur Reihe Kaffeehausgespräch des Autors Gunter Haug, der rechtsextreme Aktivitäten im Zusammenhang mit den Versammlungen beklagt. Dazu stellte Becker klar: "Unsere Erkenntnisse sind, dass wir es mit einem breiten bürgerlichen Spektrum zu tun haben." Das gelte auch für die Organisatoren der Versammlungen. Es würden nicht "irgendwelche uns bekannte Rechte" auftreten.
Online-Talk mit Polizeipräsident Hans Becker
Im Stimme.tv-Liveformat "Ohne Ausrede" unter www.stimme.de wird sich Polizeipräsident Hans Becker am Freitag, 21. Januar, 14 Uhr, den Fragen von Chefredakteur Uwe Heer stellen. Es gibt in diesem Format auch für Leser und Zuschauer die Möglichkeit, Fragen zu stellen.