Warum das Heilbronner Landgericht die Beleidigungsklage der SPD-Politikerin Chebli abweist
Die Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli betitelte den Kabarettisten Dieter Nuhr als dumm und scheitert anschließend mit ihrer Klage vor dem Heilbronner Landgericht. Ein Bad Rappenauer hatte sie als "dämliches Stück Hirn-Vakuum bezeichnet".

Beleidigung oder freie Meinungsäußerung? Das Heilbronner Landgericht hat mit seinem Urteil vom 22. März bundesweit für Aufsehen und reichlich Empörung gesorgt. Vom "falschen Signal" ist die Rede und von "juristischem Versagen". Weil die 8. Zivilkammer eine Klage der Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli wegen eines Facebook-Eintrags abgewiesen hat. Darin hatte der Bad Rappenauer Autor am 15. November 2020 unter anderem geschrieben: "Selten so ein dämliches Stück Hirn-Vakuum in der Politik gesehen wie Sawsan Chebli."
Politikerin forderte 5000 Euro Entschädigung
Auf 5000 Euro Entschädigung verklagte die ehemalige Staatssekretärin im Berliner Senat und Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund den Schreiber. Wegen Beleidigung und übler Nachrede. Darüber hinaus solle der Beklagte ihre Anwaltskosten von knapp 1000 Euro übernehmen. Sollte er diese Äußerung so oder sinngemäß wiederholen, müsse er ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro bezahlen, beantragte die Klägerin weiter.
Gericht sieht eine Auseinandersetzung in der Sache

Bereits Ende vergangenen Jahres hat das Amtsgericht Heilbronn eine Strafanzeige der SPD-Politikerin gegen den Bad Rappenauer abgewiesen. Und auch für das Landgericht "ist die Klage unbegründet". Die Äußerung stelle "keine Schmähkritik" dar, bei der es "nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht", heißt es im Urteilsspruch. Vielmehr sei "ein nachvollziehbarer Bezug zu einer Auseinandersetzung in der Sache anzunehmen", so die Richterin, in ihrer Begründung, die der Heilbronner Stimme vorliegt. Die Äußerung "ist noch von der Meinungsfreiheit nach Artikel fünf Absatz 1 Grundgesetz umfasst".
Sawsan Chebli hat die Wortwahl vorgegeben
Die Richterin stellt zudem bei ihrer Begründung fest, dass Chebli die Diskussion begonnen und damit den Bezug zu einer Auseinandersetzung in der Sache einleitet hat. Ferner habe die Politikerin mit ihrer Wortwahl selbst den Ton in der Diskussion vorgegeben. Chebli schrieb am 13. November auf Twitter: "Immer wieder Dieter#Nuhr: so ignorant, dumm und uninformiert. Er (sic) nur Witze auf Kosten von Minderheiten machen. Wie lange will @ARDde das mitmachen?"
Richterin sieht in den Worten vergleichbare Bedeutung
Bezugnehmend auf diesen Twittereintrag von Chebli kritisierte der Brandenburger Landtagsabgeordnete Jan Redmann am 15. November die Äußerungen der ehemaligen Staatssekretärin auf Facebook. Der Beklagte aus Bad Rappenau wiederum kommentierte diesen Eintrag mit der vermeintlichen Beleidigung. "Während sie die Worte ,ignorant und dumm" nutzte, änderte der Beklagte diese in ,dämliches Stück Hirn-Vakuum", was eine vergleichbare Bedeutung zu den Worten der Klägerin hat", so die Richterin.
Öffentliche Kritik am Heilbronner Urteilsspruch
Nach dem Urteil erklärten Medienberichten zufolge mehrere Politiker ihre Solidarität mit Chebli. Renate Künast (Bündnis90/Die Grünen) beschuldigte das Gericht gar "juristisch vollkommen versagt" zu haben. Von Cheblis Beitrag auf Twitter ist mit keinem Wort die Rede. Die SPD-Politikerin selbst wird bundesweit in Medien damit zitiert, dass Meinungsfreiheit nicht bedeute, dass man Menschen aufs Übelste beleidigen und diffamieren darf. Der Heilbronner Richterspruch sei ein "fatales Signal".
Politikerin reagiert auf Anfrage nicht
In einem Buch, das Chebli geschrieben hat, fordert sie die Politik auf, US-Plattformen wie Facebook und Twitter stärker zu regulieren, damit Menschen sich angstfrei im Netz bewegen können. Auf Anfrage unserer Redaktion, ob ihre Äußerungen "dumm" und "ignorant", die sie gegen den Kabarettisten Dieter Nuhr richtete, keine Beleidigungen, sondern eine Meinungsäußerung seien, reagierte Chebli nicht.
Anwalt des Beklagte bescheinigt Gericht gute Arbeit
Der Heilbronner Rechtsanwalt Andreas Hatz bescheinigt der Zivilkammer nach dem Urteil, gut gearbeitet zu haben. "Die Klägerin hat die Diskussion angestoßen", so der Verteidiger des Beklagten. Und sie habe mit ihrer Äußerung vorgegeben, mit welcher Wortwahl die Diskussion geführt wird.
Öffentliche Position
Gegenüber dem Landgericht Heilbronn bezeichnete sich Sawsan Chebli als eine bekannte in der Öffentlichkeit stehende Person. Die Richterin der 8. Zivilkammer stellte in ihrem Urteil fest: Durch ihre Entscheidung, eine öffentliche Position zu bekleiden, müsse sie damit leben, im Rahmen von Meinungsstreitigkeiten auch heftiger Kritik ausgesetzt zu sein. "Sie hat vor diesem Hintergrund auch polemische, überspitzte Kritik hinzunehmen." Im konkreten Fall sei zudem das Vokabular aller Beteiligten in der Kommunikation zu berücksichtigen.
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