Hauptkommissar im Interview: Wie Ermittler Schleusern auf die Spur kommen
Sven Zaharanski vom Heilbronner Bundespolizeirevier hat immer wieder mit Fällen zu tun, bei denen Menschen aus dem Ausland illegal eingeschleust werden. Wie die Kriminellen vorgehen, berichtet er im Interview.

Menschen stranden vor einem Jahr in einem Lkw versteckt auf einem Leingartener Firmengelände. Illegal eingereiste Männer fallen 2021 auf der A6 bei Bad Rappenau auf. Hauptkommissar Sven Zaharanski, Leiter des Bundespolizeireviers Heilbronn, hat immer häufiger mit Schleusungskriminalität zu tun.
Was war Ihr jüngster Fall von Schleusungskriminalität?
Sven Zaharanski: Das war Mitte Februar. Bei Schwäbisch Hall fuhr ein Lkw von der A6 auf den Parkplatz einer Speditionsfirma. Durch ein Klopfen wurden Mitarbeiter auf einen Mann aufmerksam. Nach eigenen Angaben lag er die ganze Fahrt auf dem Ersatzreifen des Sattelschleppers unter dem Auflieger. Und das anscheinend von Österreich an. Ich fand das schwer vorstellbar.
Wer wählt diese Art der Einreise?
Zaharanski: Es handelt sich überwiegend um alleinreisende Männer. Es sind selten Kinder und Frauen dabei. Im Jahr 2021 haben wir in unserem Zuständigkeitsbereich 28 Menschen aufgegriffen, im Jahr 2022 waren es 45. Die meisten Menschen stammten aus Afghanistan. Sie kamen zudem aus Syrien und der Türkei oder aus dem Irak und aus anderen Ländern.
Wie läuft die Einschleusung ab?
Zaharanski: Die Leute geben an, dass sie den Schleusern einen vier- bis fünfstelligen Euro-Betrag zahlen. Oft werden sie beispielsweise in Bulgarien oder Rumänien an einen anderen Schleuser übergeben. Der bringt sie dann zu einem Rastplatz und versteckt sie in einem Lastwagen.
Die Lkw-Fahrer wissen nichts davon?
Zaharanski: Dahingehend versuchen wir zügig zu ermitteln. Die Kollegen der Verkehrspolizeidirektionen lesen außerdem die Fahrtenschreiber aus. Es kommt auch vor, dass Menschen bei der Zollstation in Kupferzell entdeckt werden. Auch in solchen Fällen ist eher davon auszugehen, dass der Lkw-Fahrer keine Ahnung von Personen auf seinem Anhänger hatte.
Menschen werden nicht nur auf Lkw entdeckt?
Zaharanski: Nein. Neulich, bei einer gewöhnlichen Verkehrskontrolle auf der A6 bei Weinsberg, hielten Polizisten vom Heilbronner Präsidium ein Auto an. Es stellte sich heraus, dass die Mitfahrer, ein Vater aus der Türkei mit seinen zwei und sieben Jahren alten Kindern, illegal eingeschleust wurden. Die Polizisten riefen uns Bundespolizisten zuständigkeitshalber hinzu.
Und der Fahrer entpuppte sich als Schleuser?
Zaharanski: In dem Fall ja. Vergangenes Jahr hatten wir einen ähnlichen Fall. Wieder war es eine typische Verkehrskontrolle der Landespolizei. Dieses Mal bei Bad Rappenau. Der Fahrer hatte vier Menschen im Auto. Dafür hatte er die merkwürdigsten Erklärungen parat. Wir stellten bei der weiteren Überprüfung fest, dass das Auto des Mannes, der hier wohnhaft war, bereits mehrmals im Grenzgebiet zu Österreich aufgefallen war. Die Kollegen dort hatten einen Vermerk im System hinterlegt. Sie vermuteten, dass der Mann als Schleuser auftritt. Er galt noch nicht als Beschuldigter, es wurde nicht nach ihm gefahndet.
Wie ging es weiter?
Zaharanski: Wir nahmen den Mann fest. Natürlich halten wir stets den Kontakt mit den zuständigen Staatsanwaltschaften, in diesem Fall mit der Heilbronner Staatsanwaltschaft. Wichtig ist, dass wir den Sachverhalt da, wo wir auf Schleuser und die Geschleusten treffen, genau feststellen. Anschließend geben wir die Fälle an unseren Ermittlungsdienst der Bundespolizei ab. Beamte unserer Inspektion sitzen hier in Heilbronn bei uns im Revier. Nach den Ermittlungen gehen die Akten an die Staatsanwaltschaft.
Wie viele Täter haben Sie ermittelt?
Zaharanski: Im Jahr 2021 waren es drei: Zwei stammten aus Rumänien, einer aus Tunesien. Im vergangenen Jahr waren es fünf Tatverdächtige. Sie hatten die französische, afghanische, irakische, syrische und türkische Staatsangehörigkeit.
Und was passiert mit den Menschen, die Sie aufgreifen?
Zaharanski: Die Erwachsenen kommen nach Karlsruhe in die Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge zur weiteren Bearbeitung des gestellten Asylgesuchs. Alleinreisende Kinder und Jugendliche übergeben wir in die Obhut der zuständigen Jugendämter.
Ist die Region Heilbronn überhaupt ein Zielort?
Zaharanski: Nein, es ist ganz selten, dass jemand explizit hierher will. Das Ziel der meisten ist Deutschland an sich. Einige wollen aber auch ins Ausland weiterreisen, wo eventuell Familienangehörige wohnhaft sind. Zum Beispiel England, Frankreich oder Skandinavien.
Wie geht es den Menschen, wenn Sie sie aufnehmen?
Zaharanski: Das können wir letztlich nicht genau sagen. Wir ziehen immer einen Rettungsdienst hinzu. Dass jemand medizinische Hilfe benötigt, kommt so gut wie nicht vor. Die Leute sind oft auffallend ruhig, emotionslos. Aber wir können nicht in ihre Seele blicken.
Zur Person

Sven Zaharanski (36) wächst in Bretzfeld auf, macht in Öhringen Abitur und geht anschließend zur Bundespolizei. Zu seinen beruflichen Stationen gehören der Flughafen und der Hauptbahnhof Stuttgart. Seit Herbst 2021 leitet er das Heilbronner Revier der Bundespolizei. In seine Zuständigkeit fallen Straftaten in Zügen und auf Bahngeländen in fünf Landkreisen sowie der Grenzschutz. Zaharanski lebt mit Frau und Sohn in Bretzfeld.