Geflüchtete Frauen bangen um ihr Kiew
Drei aus der Ukraine geflohene Frauen eint die Hoffnung, dass sie aus Kochendorf und Lehrensteinsfeld schnell wieder zurück in ihre Heimat können. Doch die Bedrohungslage in Kiew ist immens.

Lina Aramyan spricht derzeit sehr viel über den Krieg. Ihre Tochter Anastasiia sagt immer wieder, sie solle damit aufhören. Das vierjährige Mädchen versteht noch nicht alles, was da gesprochen wird, aber sie bekommt die Emotionen mit. Seit Sonntag sind die beiden bei ihrer Schwägerin Julia Merkel in Bad Friedrichshall-Kochendorf untergekommen - nach mehr als 30 Stunden Autofahrt ohne Stopp und Essen.
"Es ist das zweite Mal, dass ich Krieg erlebe", sagt Lina Aramyan. "Mein Herz zerbricht jeden Tag aufs Neue." Sie sei fünf Jahre alt gewesen, als ihre Mutter mit aus Aserbaidschan geflohen sei. Ihre Familie ist armenischer Herkunft. Sie bedaure es so sehr, dass ihre Tochter das auch erleben müsse. Schlimme Erinnerungen werden wach.
Sie stehe in Kontakt mit einer guten Freundin, die etwas außerhalb von Kiew lebt - in einem Stadtteil, der unter Beschuss durch das russische Militär stehe. "Jeden Tag ist mehrmals Sirenenalarm und sie geht in einen Bunker", schildert Lina Aramyan. Wenn sie über Putins Angriffskrieg spricht, hört man Trotz in ihrer Stimme. "Die ukrainische Armee ist sehr, sehr stark", sagt die 39-Jährige. Das sollte Russland nicht unterschätzen.
Fast nicht zu glauben ist es, dass der Bruder von Lina Aramyan ein Schauspieler ist, der in einem aktuellen Film mitwirkt, der genau das jetzt erlebte Kriegsszenario in der Region Donbass zum Thema hat. "Klondike" heißt das ukrainisch-türkische Filmdrama, die Handlung spielt im Jahr 2014. Eine schwangere Frau weigert sich selbst nach einem Einmarsch russischer Truppen, ihr Haus zu verlassen. Der Film feierte 14. Februar auf der Berlinale in der Sektion Panorama seine internationale Premiere.
Unterstützung für das ukrainische Militär
Lina Aramyan berichtet, dass aktuell sehr viele Männer das ukrainische Militär unterstützen wollten. So viele, dass gar nicht alle aufgenommen und ausgerüstet werden könnten. Sie hoffe so sehr, dass der Krieg bald ende. Russland isoliere sich immer mehr und werde zu einem großen Nordkorea - niemand wollte etwas mit dem Land zu tun haben.
Ähnliche Hoffnungen haben drei Frauen in Lehrensteinsfeld. Alexandra Shchedrunova, die schon seit einigen Jahren in Deutschland lebt, hat ihre Freundinnen Oleksandra Piachenko und Liuba Balashova, beide aus Kiew, bei sich aufgenommen. Die drei haben zusammen in der ostukrainischen Großstadt Donezk im Donbass studiert. "Alexandra hat darauf bestanden, dass wir zu ihr kommen", sagt Oleksandra Piachenko.

Viele Menschen seien in diesem sinnlosen Krieg bereits gestorben, darunter auch Kinder. "Das ist etwas, was Ukrainer niemals Russland vergeben werden", sagt die 27-Jährige. Die Frauen sind in ständigem Kontakt mit Freunden und Familie, die in der Ukraine blieben. "Es ist tatsächlich so, dass sie uns von dort beruhigen - und nicht umgekehrt." In Gedanken seien sie bei ihnen, sehr viele Menschen seien sich in diesen Stunden nähergekommen. "Alle halten zusammen. Die Ukrainer sind nun eine große Familie." Und sie könnten noch so weit von der Ukraine weg sein, ihre Gedanken an den Krieg könne sie nicht abstellen.
Der Ehemann von Oleksandra Piachenko ist in Kiew geblieben. Er arbeitet als Arzt in einem Krankenhaus. Und weil sein Weg von der Arbeit nach Hause jetzt so gefährlich ist, schläft er aktuell im Krankenhaus. Für ihn sei es gar kein Thema gewesen, die Ukraine zu verlassen, sagt seine Frau. "Er lebt für seinen Beruf."
Sie sei in Sorge, um die Menschen in Mariupol am Asowschen Meer, sagt Liuba Balashova. Die Stadt ist "umstellt von Russen", und auch dort lebten Freunde. Sie wolle so schnell wie möglich zurück in die Ukraine. "Ich will kein Flüchtling sein", sagt die 28-Jährige.