Gastronomie und Handel in der Region Heilbronn sehen sich an einem Scheideweg
Viele Gastronomen und Einzelhändler sehen das Jahr 2023 als ein Schicksalsjahr. Sie befürchten, dass Kaufzurückhaltung und Personalnot bleiben.

Einzelhandel und Gastrobetriebe sind die Träger der Innenstädte. Ohne Geschäfte, Restaurants, Gasthöfe und Kneipen, sähe das Leben in den Zentren unserer Kreisstädte und in der Großstadt Heilbronn trostlos aus. Auch von der Anziehungskraft auf die Umlandgemeinden bliebe wenig übrig. Umso wichtiger ist eine Zukunftsperspektive für die Betriebe, die seit dem Jahr 2020 anhaltend unter den Auswirkungen der Corona-Krise, des Ukraine-Krieges und der Inflation leiden.
"Dieses Jahr kommen wir mit einem blauen Auge davon, aber 2023 wird das entscheidende Jahr für den Einzelhandel", legt sich Johannes Nölscher fest. Der Vorstandvorsitzende der Heilbronner Stadtinitiative und selbst Einzelhändler begründet diese Einschätzung mit der derzeit "großen Zahl ungewisser Komponenten". Inflation, schwindender Wohlstand und die politische Lage sind die Stichworte.
Einzelhändlerin hofft, dass Kunden ihre Kaufzurückhaltung aufgeben
"Es kann nur besser werden", betont Elvira Kulovac mit Blick auf das Jahr 2022. Die Neckarsulmer Einzelhändlerin hofft darauf, dass im kommenden Jahr die Inflation gestoppt wird und die Leute langsam auch ihre Kaufzurückhaltung aufgeben. "Jetzt hängen wir seit drei Jahren in den Seilen", klagt die Inhaberin von Elis-Mode-Boutique in der Marktstraße, die Damen- und Herrenmode sowie Accessoires im Angebot hat. "Kunden die früher zehn Teile gekauft haben, kaufen heute vielleicht noch sieben", stellt sie fest. An der Stadt liege es aber nicht. "Neckarsulm bietet einiges wie Winterdorf und Après-Ski-Party", sagt sie. "Die Leute kommen, aber sie sind einfach zurückhaltend", so die 44-Jährige, die ihr Geschäft seit sechs Jahren betreibt. Unterkriegen lassen will sie sich nicht. "Ich bin immer guter Dinge", unterstreicht Kulovac.
Frank Bauer sieht dagegen einen leichten Aufwärtstrend. "Die Leute sind froh, dass sie wieder in die Geschäfte gehen können", lautet die Einschätzung des Geschäftsführers des Modehaus Bauer in Bad Rappenau. "Wenn wir die aktuelle Stimmung so halten können, wäre ich zufrieden", betont der 64-Jährige. Zwar habe man weniger Kunden als noch im Jahr 2019 aber die Leute würden heute gezielter und auch wertiger einkaufen", hat er festgestellt. Mit dieser Entwicklung könne der Geschäftsführer des Modehauses auch in Zukunft leben. "Als Händler muss man auch optimistisch sein", unterstreicht Frank Bauer.
Wird Mehrwertsteuer auch für Getränke auf sieben Prozent gesenkt?
"2023 wird ein spannendes Jahr", schätzt Thomas Aurich die Lage ein. Die Entwicklung der Nebenkosten und die generellen Zukunftsperspektiven in der Gastronomie treiben den Heilbronner Dehoga-Stadtverbandsvorsitzenden derzeit am meisten um. Aurich hofft, dass die Politik sich im kommenden Jahr dazu durchringt, die Mehrwertsteuer auch für Getränke auf sieben Prozent zu senken. "Es wird wirtschaftlich ein hartes Jahr. Die Verbraucher haben immer weniger im Geldbeutel und die Kosten gehen weiter hoch", begründet Aurich die Forderung.
Zudem sei die Zeit der Einzelkämpfer in der Branche vorbei. "In der Gastronomie ist nun Vernetzung gefragt. Wir müssen uns Tipps geben und untereinander austauschen", rät er, auch mit Blick auf die schwierige Personalsuche. "Wer arbeiten will, geht heute in die Welt. Wer ohne Arbeit bezahlt werden will, geht nach Deutschland", sagt Aurich bitter.
"Die generelle Unsicherheit bleibt", ergänzt Johannes Nölscher. "Das Jahr 2023 wird zeigen, wohin die Reise geht", ist sich der Vorsitzende der Stadtinitiative sicher.
Rezession und Inflation stehen weiter bevor
Nach Einschätzung der sogenannten Wirtschaftsweisen steht Deutschland im kommenden Jahr eine Rezession und eine anhaltend hohe Inflation bevor. Der Sachverständigenrat rechnet 2023 mit einem Abschwung um 0,2 Prozent und einer Inflation von 7,4 Prozent. Auch der Deutsche Einzelhandel steht weiter unter Druck. Besonders belastend für die Unternehmen sind die Energieverknappung und anhaltende Lieferengpässe durch den Ukraine-Krieg, die zu Preiserhöhungen führen. Im Herbst fielen die Erwartungen im Handel sogar auf ein historisches Tief.