Für wen ist eine zweite Booster-Impfung sinnvoll?
Der Omikron-Impfstoff lässt auf sich warten. Ältere sollten jedoch nicht zögern und sich erneut gegen das Coronavirus immunisieren lassen. Wir erklären Fakten und Hintergründe.

Seit Sonntag ist ein Großteil der Corona-Schutzmaßnahmen in Deutschland aufgehoben. Das Virus ist jedoch weiter da, die Ansteckungszahlen sind hoch. Der Impfentscheidung kommt damit für den individuellen Schutz noch größere Bedeutung zu. Hier ein Überblick zur aktuellen Faktenlage und den Empfehlungen zum Boostern:
Omikron-Impfstoff: Lange hatte es geheißen, ein an die Omikron-Variante angepasster Impfstoff werde im März oder April auf den Markt kommen. Danach sieht es nicht mehr aus. Am Dienstag sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), die Entwicklung von Impfstoffen, die an neue Corona-Varianten angepasst sind, verzögere sich. Er rechne im Herbst mit den neuen Impfstoffen. Biontech will nach eigenen Angaben in den kommenden Wochen erste Daten klinischer Studie veröffentlichen, die mögliche Zulassungsanträge für einen Omikron-basierten Impfstoff unterstützen sollen. Experten sind indes skeptisch, ob es überhaupt einen speziellen Omikron-Impfstoff geben wird. Das hat medizinische Gründe. Die Annahme: durch eine Impfung mit einem auf Omikron angepassten Impfstoff ist die nötige Grundimmunität gegen das Coronavirus womöglich gar nicht zu erreichen. Die Hersteller könnten stattdessen auf breitere Impfstoffe setzen.
Erneute Auffrischung: Ziel einer vierten Impfung beziehungsweise einer zweiten Booster-Impfung ist es, besonders gefährdete Personengruppen vor schweren Krankheitsverläufen zu schützen. Mitte Februar hat die Ständige Impfkommission (Stiko) eine zweite Auffrischung für folgende Personengruppen empfohlen: Menschen ab 70 Jahren und Bewohner von Pflegeeinrichtungen, Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen und Pflegeeinrichtungen. Dabei soll der zweite Booster für Gefährdete frühestens drei Monate nach der ersten Booster-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff erfolgen, bei Personal in medizinischen Einrichtungen oder Pflegeheimen frühestens nach sechs Monaten. Für Kinder mit Immunschwäche ab fünf Jahren wird die erste und zweite Auffrischungsimpfung empfohlen. Die Empfehlung sei "absolut sinnvoll", sagt der Schwaigerner Arzt und Impf-Experte Ulrich Enzel. Durch die Auffrischung werde die Schutzwirkung noch einmal deutlich verbessert. Gerade was Omikron betrifft, sei die Übertragbarkeit zwar immer noch hoch, aber das Risiko für schwere Erkrankungen werde erheblich reduziert.
Booster für alle: Eine allgemeine Empfehlung für einen zweiten Booster, auch für Jüngere, gibt es derzeit nicht. Ulrich Enzel sagt, die Datenlage gebe das auch nicht her. Karl Lauterbach warb indes bei einem Treffen mit EU-Amtskollegen am Dienstag für eine zweite Auffrischungsimpfung schon ab 60 Jahren. Er wolle eine Diskussion anstoßen, "ob wir nicht eine europäische Empfehlung für die vierte Dosis der Impfung bekommen bei den Über-60-Jährigen", sagte er. Die amerikanische Behörde FDA hat die zweite Boosterung bereits für Menschen ab 50 Jahren freigegeben. Die Situation in den USA sei nicht vergleichbar mit der in Europa, sagt Enzel: "Der Anteil adipöser Menschen ist deutlich höher." Fettleibigkeit gilt als Risikofaktor für schwere Covid-Verläufe.
Perspektive: Der Heilbronner Ärztesprecher Martin Uellner betont, viel wichtiger als die vierte Impfung sei doch, dass Menschen sich überhaupt den ersten Booster abholten. Viele lassen das seiner Erfahrung nach schleifen, "und das bei den hohen Infektionszahlen". Die Schutzwirkung von zwei Impfungen sei jedoch nicht ausreichend, sagt er: "Die Booster-Impfung bringt nochmal gewaltig viel." Mit Sorge blicken Experten auf den Herbst: Die Impfquote insgesamt müsse deutlich steigen, so der Appell des Corona-Expertenrats der Bundesregierung. Die Evolution des Virus könne man nicht voraussagen, erklärte Charité-Virologe Christian Drosten kürzlich in der ARD. Neue Mutanten mit unklaren Eigenschaften könnten sich bilden. Um unkalkulierbare Infektions-Dynamiken zumindest abzubremsen, sei ein hoher Immunschutz in der Bevölkerung unerlässlich.
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