Betrug bei Führerscheinprüfung: So schätzen Experten aus Heilbronn die Situation ein
Mehr als 2700 Führerscheinprüflinge haben in den ersten neun Monaten dieses Jahres versucht, bei der Prüfung zu betrügen und sind dabei erwischt worden. Die technischen Tricks werden immer raffinierter.
Bundesweit mehr als 2700 Führerscheinprüflinge haben in den ersten neun Monaten dieses Jahres versucht, bei der Prüfung zu betrügen und sind dabei erwischt worden. Das waren 38 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres und so viele wie noch nie, wie der Tüv-Verband auf Basis einer entsprechenden Untersuchung am Montag mitteilte. Die Dunkelziffer dürfte aber noch weitaus größer sein.
Der gute alte Spickzettel hat ausgedient: Heute benutzen Betrüger bei Führerscheinprüfung Mini-Kameras und nahezu unsichtbare Kopfhörer. Auch das WLAN im Prüfungsraum wurde schon gehackt: "Wir rüsten technisch nach, aber wir mussten schon einen Prüfungsraum aufgeben, weil der technisch nicht sicher war", erklärt Vinzenzo Lucà vom Tüv Süd, der die theoretischen Führerscheinprüfungen abnimmt. Hier sitzen die Prüflinge an Tablets, und es sei schon vorgekommen, dass Profis von außerhalb über das gehackte WLAN die Fragen stellvertretend ausgefüllt haben.
Betrug bei Führerscheinprüfungen gab es schon immer, die Technik hat sich geändert
Betrogen werde, seit es Prüfungen gibt, stellt Lucà fest. "Die Mittel haben sich geändert." Mit einer bloßen Schummelei hat es aber nichts mehr zu tun, wenn Prüflinge sich Hilfe holen, sei es über Mini-Kameras im Brillenbügel oder Hemdknopf, mit der Außenstehende die Fragen lesen können und dann die richtigen Antworten dazu geben, oder dass gleich ein Stellvertreter bei der Prüfung erscheint. "Wir wissen, dass es viele Betrugsversuche gibt, aber die Fahrschulen können nichts machen, da wir ja nicht die Prüfungen abnehmen, sondern der Tüv", so Jochen Klima, Vorsitzender des Fahrschullehrerverbands in Baden-Württemberg.
Kommt ein "Profi" statt des Prüflings und zeigt dessen Pass vor, ist dies eine Straftat, erklärt der Heilbronner Verkehrsanwalt Dieter Roßkopf. "Das kann eine Geld- oder Freiheitsstrafe bis fünf Jahre, bei gewerbsmäßigem Betrug auch bis zehn Jahre Gefängnis nach sich ziehen." Roßkopf fände es richtig, auch den "Auftraggeber" stärker zur Rechenschaft zu ziehen. "Das könnte eine längere Sperrfrist sein, oder dass man gleich die charakterliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs infrage stellt." Sprich: Wer betrügt, fliegt raus und kann sich den Führerschein unter Umständen ganz abschminken.
Fahrlehrer aus Heilbronn: Betrug nur bei einer von 1000 Prüfungen
Es sei aber "äußerst selten", dass bei einer Führerscheinprüfung betrogen werde oder gar die Polizei gerufen werden müsse, berichtet Kai Sellers, Geschäftsführer der Fahrschule Academy in Heilbronn. "Das kommt bei 1000 Prüfungen im Jahr vielleicht einmal vor." Im vergangenen Jahr wurden dem Landratsamt Heilbronn insgesamt drei Täuschungsversuche gemeldet, in diesem Jahr waren es bisher sechs. In der Regel handelt es sich dabei um einen Betrug durch technische Hilfsmittel.
Allerdings gibt es immer eine hohe Dunkelziffer von Schummeleien, die nicht auffallen. "Wir dürfen vor der Prüfung keine Leibesvisitation machen", bedauert Vinzenzo Lucà vom Tüv Süd. Bei einem Verdacht wird die Prüfung für alle unterbrochen und gegebenenfalls die Polizei gerufen. "Es ist ein wachsendes Problem, die Zahlen steigen", so Lucà. Gewisse Organisationen bieten schon beinahe professionell die technischen Geräte an, und es gibt auch Profis, die sich in die Prüfungen mogeln. "Das ist Betrug, weil man sich für eine andere Person ausgibt."
Der Fahrschullehrerverband, der 950 Fahrschulen in Baden-Württemberg vertritt, würde es begrüßen, wenn die Führerscheinstellen in den Landratsämtern öfter eine Sperre für die Auftraggeber aussprechen würden. "Das ist nicht einheitlich geregelt", fordert Klima ein härteres Durchgreifen. Kai Sellers von der Heilbronner Fahrschule spricht seinen Schülern mehr Mut zu. "Oft fehlt es am sprachlichen Hintergrund, dass man meint, betrügen zu müssen. So eine Prüfung ist nicht weltbewegend, wer gut lernt, schafft das auch zu 99,5 Prozent."



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