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Fischsterben in der Schozach: Wer muss für Umweltschäden zahlen?

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Nach dem Giftunfall in der Schozach spricht Rechtsanwalt Markus Lang über die Haftungsfrage. Anfang April 2019 war eine Chemikalie auf einem Firmengelände ausgelaufen und ins Wasser gelangt. Tausende Fische starben.

von Alexander Klug
Feuerwehren und Bauhöfe aus Orten entlang der Schozach sind im Einsatz, als im April 2019 eine Chemikalie in den Fluss gelangt und sämtliche Fische tötet.
Foto: Archiv/Hoffmann
Feuerwehren und Bauhöfe aus Orten entlang der Schozach sind im Einsatz, als im April 2019 eine Chemikalie in den Fluss gelangt und sämtliche Fische tötet. Foto: Archiv/Hoffmann  Foto: Hoffmann

Eine Chemikalie fließt aus einem Fass in die Schozach. Das Fass steht auf dem Gelände einer Spedition in Ilsfeld, ein Gabelstaplerfahrer hat es beim Rangieren beschädigt. Tausende Fische sterben, Feuerwehren und Bauhöfe sind teils rund um die Uhr im Einsatz. Das passiert im April 2019. Wie lange die Aufarbeitung des Unglücks und die Wiederbelebung des Gewässers dauert, ist ungewiss. Mit Rechtsanwalt Markus Lang haben wir darüber gesprochen, wie es mit Strafe und Haftung, Schuld und Schadenersatz aussieht.

Der Umgang mit der Umwelt ist ein vielbeachtetes Thema derzeit. Was ist für Sie das Besondere an Unfällen wie dem in Ilsfeld, Herr Lang?

Markus Lang: Ein vergleichsweise kleiner Fehler kann immense Folgen für die Umwelt haben. Ein Loch im Fass und Tausende Fische sterben. Es entstehen umfangreiche Schadenersatz- und Sanierungspflichten. Man muss sie aber auch durchsetzen.
 

Was meinen Sie?

Lang: Insbesondere Kommunalpolitiker haben ein Interesse daran, Ruhe einkehren zu lassen. Außerdem wollen sie keine bedeutenden Arbeitgeber und Gewerbesteuerzahler verärgern. Da wird bei der Durchsetzung von Sanierungspflichten mal ein Auge zugedrückt.
 

Zur Person

Markus Lang wurde am 31. März 1979 in Heilbronn geboren und ist in Neuenstadt aufgewachsen. Rechtswissenschaft studierte er an der Augsburger Universität, das Referendariat absolvierte er am Landgericht Heilbronn. Seit März 2019 arbeitet er in der Kanzlei Horn und D"Antuono in Neckarsulm. Schwerpunkte seiner Arbeit sind unter anderem öffentliches Wirtschaftsrecht sowie Bau- und Architektenrecht.

Welche Ansprüche kommen infrage?

Lang: Jede geschädigte Person kann den Ersatz der Eigentums- und Gesundheitsschäden verlangen. Im Fall eines Fischsterbens dieses Ausmaßes ist das Fischereirecht betroffen, welches für lange Zeit nicht ausgeübt werden kann. Daneben kann die Wasserbehörde die komplette Sanierung des Gewässers verlangen. Sanierung bedeutet, dass das Gewässer möglichst in denselben Zustand versetzt werden muss, in dem es vor dem Eingriff war.
 

Gegen wen können sich die Ansprüche nach so einem Unfall richten?

Lang: Sowohl das Unternehmen als Betreiber der Anlage als auch die beteiligten Arbeitnehmer als unmittelbare Verursacher können in Anspruch genommen werden. Der Betreiber haftet nach dem Wasserhaushaltsgesetz unabhängig vom Verschulden.
 

Verschuldensunabhängig bedeutet, dass niemand einen Fehler gemacht haben muss?

Lang: Nicht ganz. Der Fehler besteht in der Gewässerverunreinigung selbst. Jedoch haftet der Anlagenbetreiber selbst dann, wenn ihm keine Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Wer eine Anlage zur Lagerung solcher Stoffe betreibt, muss daraus entstehenden Schaden ersetzen, wenn diese Stoffe in ein Gewässer gelangen und die Wasserqualität leidet. Das ist ähnlich wie im Straßenverkehr, wo der Fahrzeughalter in vielen Fällen haftet, ohne selbst tätig geworden zu sein, oder auch ähnlich wie in der Produkthaftung, wenn der Hersteller für Schäden durch ein Produkt haftet.
 

Von welchen Summen reden wir im Fall der Schozach?

Lang: Schwer zu sagen. Eine Einschätzung dürfte in dem Gutachten zu finden sein, auf das die Staatsanwaltschaft gewartet hat. Es kommen leicht hohe Beträge zusammen. Entsorgung der Fische, Arbeiten am Gewässer, Pachtausfall, Arbeitszeit. Auch die Rechnungen für die Einsätze von Feuerwehren und Bauhöfen sind keine Kulanzleistung, sondern Teil des Schadenersatzes.
 

Im Ilsfelder Fall sind aber durchaus Fehler gemacht worden, oder?

Lang: Es drängt sich der Verdacht auf, ja. Warum wurde der Schieber nicht betätigt, der die werkseigene von der öffentlichen Kanalisation trennt? Warum wurde ein wassergefährdender Stoff überhaupt in der Nähe des Abwassersystems gelagert? Offenbar sind die Mitarbeiter nicht ausreichend auf so eine Situation vorbereitet worden. Das deutet auf Organisationsversagen bei Personalauswahl und Schulung hin.
 

Die Staatsanwaltschaft Heilbronn ermittelt gegen drei Mitarbeiter wegen Gewässerverunreinigung. Worin sehen Sie die Herausforderungen?

Lang: Gewässerverunreinigung ist für eine Staatsanwaltschaft ein nicht gerade alltäglicher Fall, da geht es eher um Drogen, Körperverletzung oder Verkehrsdelikte. Es dürfte nicht einfach sein herauszufinden, wer innerhalb des Unternehmens wofür verantwortlich ist und wer wann was gewusst hat. Die Staatsanwaltschaft ist auf Zeugenaussagen aus dem Kreis der Mitarbeiter angewiesen. Viele werden aus Angst um den Arbeitsplatz nicht kooperieren.
 

Eine Strafe für das Unternehmen als solches ist nicht möglich?

Lang: Ziel der Ermittlungen müssen Mitarbeiter sein, es gibt kein Strafrecht für Unternehmen. Es ist zu klären, wer das Unglück außer dem Verursacher des Lochs im Fass hätte verhindern können. Ich sehe Hinweise auf grobe Fahrlässigkeit bis bedingten Vorsatz. Der Schadstoff scheint einfach weggespült worden zu sein, danach ist erst einmal gar nichts passiert. Erst die Meldung von Passanten hat die Nachforschungen in Gang gebracht.

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