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Fischsterben in der Schozach: Spur führt zu Spedition

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Bei der Suche nach Ursache und Verursacher der Gewässerverunreinigung bei Ilsfeld verdichten sich die Hinweise, die auf das Speditionsunternehmen Kühne und Nagel hindeuten.

Von unserer Redaktion

 

+++ Update (Freitag, 22.30 Uhr) +++ Die Ursache für das Fischsterben in der Schozach ist offenbar geklärt. >>Hier geht es zum aktuellen Text

 

Bei der Suche nach der Ursache für die Gewässerverunreinigung bei Ilsfeld haben sich die Hinweise auf das Speditionsunternehmen Kühne und Nagel mit Sitz in Hamburg verdichtet. Ein Konzernsprecher bestätigt auf Stimme-Anfrage, dass es auf dem Firmengelände im Ilsfelder Gewerbegebiet Bustadt einen Vorfall gegeben habe. Für Details verweist er auf die Heilbronner Polizei, die wiederum nennt das Landratsamt Heilbronn als Ansprechpartner. Am Donnerstag ist es in der Schozach zu einem massiven Fischsterben gekommen, auch Wasservögel sind verendet. Betroffen ist außerdem das Heilbronner Stadtgebiet, auch dort werden tote Fische gefunden.

Das Landratsamt teilt am Freitagnachmittag mit, dass es bei einer Spedition in Ilsfeld bereits am Dienstag einen Unfall mit 1000 Litern eines Stoffes der Wassergefährdungsklasse II gegeben habe – das Umweltbundesamt fasst darin Stoffe zusammen, die es als „deutlich wassergefährdend“ einstuft. Der Unfall bei der Spedition könne ursächlich für die Verunreinigung von Gruppenbach und Schozach sein, teilt das Landratsamt mit, will aber die Verbindung zu dem vom Unternehmen eingeräumten Vorfall nicht bestätigen. „Ein Zusammenhang muss erst noch belegt werden.“

Labor untersucht Proben

Nachdem erste Proben der Feuerwehr am Donnerstag keine Hinweise auf die Zusammensetzung oder den Typ des Schadstoffs ergeben haben, sind Wasserproben gezogen und zur Analyse in ein Fachlabor nach Ludwigsburg gebracht worden. Das Labor weist Reste wasserlöslicher Glycole, Glycolether und Alkohole nach – außerdem zeigen in der Nacht gezogene Proben erhöhte Ammoniumwerte. Ein Kanal in Höhe Ilsfeld-Wüstenhausen, der in den Gruppenbach mündet, ist von der Feuerwehr verschlossen worden, um auszuschließen, dass von dort weitere Schadstoffe in die Schozach fließen.

Für das Trinkwasser bestehe keine Gefahr, sagt der Ilsfelder Bürgermeister Thomas Knödler. „Wir haben die lokalen Brunnen geschlossen und beziehen derzeit ausschließlich Bodenseewasser.“ Normalerweise tragen die Brunnen 30 Prozent zur Wasserversorgung der 8400-Einwohner-Gemeinde bei. „Es ist unklar, wie wir der Situation beikommen sollen. Der Zustand ist katastrophal.“

Ökologisch verheerende Katastrophe

„Massenhaft verendete Fische sind eine traurige und ökologisch verheerende Bilanz des Schadstoffeintrags“, sagt Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller. Es werde lange dauern, bis der Fischbestand und die Kleinstlebewesen in dem betroffenen Abschnitt wiederaufgebaut seien. „Wir müssen alles daransetzen, dass solche Ereignisse wie an der Schozach nicht vorkommen.“

Sven Kerzel vom Bauhof Ilsfeld steht nun schon den zweiten Tag im Wasser und keschert tote Fische aus der Schozach. Einen nach dem anderen, alle paar Meter finden er und seine Kollegen welche. Und es wird nicht der letzte Tag sein. „Es ist ja noch gar nicht klar, um was für ein Gift es sich handelt“, sagt er. „Und was, wenn ein Reiher die Beute schnappt und dann auch verendet?“ Diese Kette wolle man unbedingt durchbrechen.

Immer wieder rufen Spaziergänger in der Gemeindeverwaltung an und melden tote Tiere. Noch immer warnen das Landratsamt Heilbronn und die Stadt Heilbronn davor, Wasser aus der Schozach, dem Gruppenbach und den Nebengewässern zu verwenden oder Tiere an diesen Gewässern zu tränken. Außerdem bitten sie darum, den Einsatzort weiträumig zu meiden, um Einsatzkräfte nicht zu behindern.

Die Umweltschäden durch einen Giftstoff beunruhigen auch Ilsfelds Bürgermeister Thomas Knödler. In dem von Schozach im Süden und Gruppenbach im Osten umflossenen Ort sind Bauhof und Feuerwehr permanent im Einsatz. „Es wird Wasser aus Seen in die Schozach gepumpt, um die Fließgeschwindigkeit zu erhöhen und das potenziell verunreinigte Wasser zu verdünnen“, sagt der Bürgermeister. Alle ein bis zwei Stunden treffen sich die Verantwortlichen beim Feuerwehrhaus zu aktuellen Lagebesprechungen.

Viele Fragen, keine Antworten

Viele Menschen sind erbost darüber, dass es überhaupt zu dieser Umwelt-Katastrophe gekommen ist. Es stellen sich etliche Fragen, auf die zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Antworten vorliegen. Wie konnte es dazu kommen? War es ein Unfall? War es fahrlässig oder gar mutwillig? Wurde der „Vorfall“ anschließend gemeldet? War die Gefahr, die in diesem Wasserschutzgebiet für die Umwelt ausging, den handelnden Personen von Anfang an bewusst? Bislang gibt es von Behörden keinerlei Informationen dazu.

Ermittler befragten auch am Freitag Firmenmitarbeiter im Ilsfelder Gewerbegebiet Bustadt. „Erst wenn es grob fahrlässig oder vorsätzlich verursacht wurde, könnte es strafrechtlich relevant sein“, sagt Rainer Köller, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Heilbronn.

Das Landratsamt überwacht derzeit an der Eintrittsstelle in den Gruppenbach die Reinigungsmaßnahmen. „Sie sollen verhindern, dass eventuell noch vorhandene Restschadstoffe in die Gewässer gelangen können“, heißt es in einer Mitteilung der Behörde. Um Gefahren auszuschließen, würden auch die Trinkwasser-Zugänge auf Verunreinigungen kontrolliert. Es sei möglich, dass sich auf den Gewässern Schaum bildet. „Dabei handelt es sich um Tenside“, heißt es in der Mitteilung. Das Heilbronner Landratsamt empfiehlt weiterhin, einen Kontakt mit verunreinigendem Schozach-Wasser zu meiden. 

 


 

Fest steht am Freitag: Es ist ein entsetzliches Umweltdesaster. Feuerwehrleute in Sontheim fischen Hunderte toter Fische aus Schozach und Neckar und kippen sie in blaue Fässer. Zum Teil leben sie noch. Helfer befreien sie von ihren Qualen. Döbel, Bachforellen, Barben, Rotaugen, sogar Karpfen. Karpfen seien eigentlich robust, sagt Hans Übel, Vorsitzender des Fischereivereins Sontheim. Schlimm werde es, wenn auch die Kleinstlebewesen betroffen seien. 

Hans Frank vom Landesfischereiverband ist vor Ort in Sontheim. Er äußert sich sehr besorgt. „Es erinnert mich stark an das Jagst-Unglück vor vier Jahren“, sagt der stellvertretende Bezirksvorsitzender Nordwürttemberg. Dort war nach einem Mühlen-Brand in Kirchberg mit Kunstdünger vergiftetes Löschwasser in die Jagst gelangt. Im Landkreis Schwäbisch Hall verendeten elf Tonnen Fische. 

Im Vergleich zum Unglück an der Jagst ergeben sich an der Schozach andere Probleme. Der Fluss sei schmal und führe im Vergleich zur Jagst nur wenig Wasser. Das vergiftete Wasser fließe im Verhältnis recht unverdünnt in den Neckar. Es sei sehr wichtig, schnell den Verursacher zu finden und zu verhindern, dass es eventuell weitergeht mit Vergiftungen. 

Nach Informationen unserer Zeitung hat es in der Nacht auf Freitag einen Hinweis gegeben, dass möglicherweise erneut Gift in den Gruppenbach gelangte.

Zweifel am Unglückshergang

Gottfried May-Stürmer vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sagt: „Ich habe gewisse Zweifel, ob das schon alles gewesen ist.“ Da sich der Unfall bereits am Dienstag ereignete, hätte die Giftwelle die Schozach bis Donnerstag längst durchlaufen müssen. May-Stürmer hegt auch Zweifel an den 1000 Litern, die vom Landratsamt Heilbronn als ausgetretene Giftmenge angegeben werden. „Das löst keine solchen Schäden aus. Es handelt sich vermutlich um eine deutlich höhere Menge.“

Für May-Stürmer unverständlich: Wie kann die im Gewerbegebiet ausgetretene Flüssigkeit direkt in Gruppenbach und Schozach gelangen, weshalb fließt sie nicht über die Kanalisation in die Kläranlage? Viele Fragen, auf die das Krisenmanagement keine Antworten hat. ale/aho/jükü

 


Die Schozach 

Die Schozach entspringt in der Nähe des Untergruppenbacher Weilers Vorhof und durchzieht auf rund 26 Kilometern Länge Teile des südöstlichen Landkreises Heilbronn. Zwischen den Heilbronner Stadtteilen Horkheim und Sontheim mündet der Fluss in den Neckar.

Das Schozachtal zwischen Ilsfeld und Talheim steht seit 1983 unter Landschaftsschutz.

 
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Kommentare

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am 05.04.2019 15:37 Uhr

Warum hat die Spedition nicht sofort entsprechende Maßnahmen ergriffen, um diese Umeltkatastrophe zu verhindern? Hoffentlich wird dieses Verhalten entsprechend geahndet.

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am 05.04.2019 11:34 Uhr

Der / die Verursacher / Verursacherin dieser Umweltkatastrophe muss die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen, kein Pardon für solche Umweltverbrecher.

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