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ETH Zürich kommt: Wie der Schweiz-Coup die Unistadt Heilbronn verändert

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Die Schweizer Hochschule gründet mit Geld der Dieter-Schwarz-Stiftung einen Ableger in der Region. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

 Foto: Marijan Murat

Die Nachricht ist für die Bildungslandschaft in Heilbronn von großer Tragweite: Mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich holt die Dieter-Schwarz-Stiftung ein Schwergewicht nach Heilbronn. Die ETH gilt als eine der besten Universitäten weltweit. Allerdings sind bislang nur wenige Details bekannt.

 

Wofür steht die ETH?

Die Wurzeln der technisch-naturwissenschaftlichen Hochschule reichen ins Jahr 1855, sie versteht sich als treibende Kraft für die Schweizer Wirtschaft. Die staatliche Hochschule spricht von 22 Nobelpreisträgern aus ihren Reihen. Die Studiengebühren betragen 730 Schweizer Franken pro Semester. Im Wintersemester 2022/2023 waren 24 390 Studierende immatrikuliert.

 

Wann gibt es ETH-Studenten in Heilbronn?

Laut Absichtserklärung soll der Studienbetrieb 2025 in Heilbronn anlaufen.

 

Werden dann Studiengebühren auch in Heilbronn fällig?

Das ist noch offen. ETH-Präsident Joël Mesot sagt, diese Frage müsse noch geklärt werden. Er verweist aber darauf, dass die ETH die günstigste unter den Top- 20-Universitäten weltweit sei.

 

Wo kommt die ETH auf dem Campus unter?

Auch das ist laut Stiftung offen. Der Standort wird im Rahmen der geplanten Erweiterung West entstehen. Auch die Technische Universität München (TUM) wird dort ein weiteres Gebäude belegen. Deren Pläne seien aber von der neuen Kooperation nicht tangiert, heißt es.

 

Wie sieht die Kooperation mit der ETH aus?

Die Dieter-Schwarz-Stiftung wird 20 Professuren finanzieren, davon sollen 15 in Heilbronn angesiedelt sein. Dabei werden sowohl Forschung als auch Lehre berücksichtigt. Man wolle neue Wege gehen und "neue Lehrformen auf der grünen Wiese" entwickeln, sagt Joël Mesot. Bereits im kommenden Jahr sollen zwei Professuren in Zürich eingerichtet werden. Der Ausbau soll schrittweise erfolgen.

 

Was kostet das Projekt?

Über Investitionskosten schweigt die Stiftung grundsätzlich. Geschäftsführer Reinhold Geilsdörfer zitierte unlängst Stifter Dieter Schwarz mit den Worten, "Zahlen zu nennen, halte ich für Angeberei". Damit würde man sich den Freundeskreis verderben. Als grober Richtwert veranschlagt die "Neue Zürcher Zeitung" eine Million Franken pro Jahr für eine Professur, doch das ist Spekulation. Schweizer Medien sprechen von der "mit Abstand größten Zuwendung, die alle Schweizer Hochschulen und Universitäten je von Privaten erhalten haben". Schätzungen, die der "Tagesanzeiger" nennt, gehen von über einer halben Milliarde über 30 Jahre aus.

 

Ist eine solche Finanzierung üblich?

Die private Finanzierung von Lehrstühlen ist keine Seltenheit. Laut Statistischem Bundesamt flossen in Deutschland 2018 1,3 Milliarden Euro aus Unternehmenskassen in Forschungsprojekte staatlicher Hochschulen. Allein die TUM erhielt laut "Deutschlandfunk" 2019 gut 88 Millionen Euro. Deutschlandweit gibt es mehr als 800 privat geförderte Professuren. Kritiker stellen die Freiheit der Lehre infrage. Stiftungs-Geschäftsführer Geilsdörfer betont die Bedeutung der Hochschulautonomie: "Wir haben uns zu keinem Zeitpunkt in eine Berufung eingemischt." Die Stiftung finanziert unter anderem 41 TUM-Professuren und kooperiert mit weiteren Universitäten in Oxford oder Stanford.

 

Die ETH Zürich wird vom Schweizer Bund betrieben. Wie reagierten Schweizer Medien?

Die Hochschule selbst spricht von einem Glücksfall für die Schweiz, Deutschland und Europa. Der "Schweizer Tagesanzeiger" wundert sich zwar, dass über die Geldsumme ein großes Geheimnis gemacht wird, bleibt aber gelassen: "Die - unbekannte - Summe dürfte im Bereich eines Prozents des Gesamtbudgets der ETH liegen und wird die Hochschule nicht grundlegend verändern." Trotzdem fordert der Kommentator Transparenz und nennt den Deal merkwürdig, weil dessen einziger Grund sei, dass ein Mäzen seine Heimatstadt fördern wolle.

 

Welche Kritik gibt es sonst?

Der Verein "Transparency International" schlägt in dieselbe Kerbe. "Es muss offen gelegt werden, wie viel Geld da fließt", fordert Christoph Bohlens, Leiter der Arbeitsgruppe Wissenschaft.

 

Welche Themen umfasst die Kooperation?

Die Zusammenarbeit konzentriert sich auf die strategischen Felder verantwortungsvolle digitale Transformation und Datenwissenschaften. Insbesondere Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Investitionsschwerpunkt der Stiftung. Konkret soll es mit der ETH um Themen wie Künstliche Intelligenz, Cybersicherheit, Bioinformatik oder Kreislaufwirtschaft gehen.

 

Wie viele Studenten sollen auf dem Heilbronner Campus künftig einen Platz finden?

Aktuell gibt es in Heilbronn 7600 Studierende, in in ferner Zukunft rechnet die Stiftung mit je etwa 5000 Studierenden an den Universitäten ETH und TUM. Zusätzlichen planen DHBW, DHBW Cas, Hochschule Heilbronn und die Programmierschule 42 mit einem Zuwachs. Perspektivisch gehen die Verantwortlichen deshalb von 15 000 Studenten in Heilbronn aus. Auf dem Bildungscampus hat die DHBW aktuell 1544 Studenten, vergangenes Jahr gab es 405 Absolventen. Die TUM kommt auf 680 Studenten (159 Absolventen), das Center for Advanced Studies der DHBW auf 1583 (384 Absolventen). Größter Magnet ist die Hochschule mit 3600 Studenten auf dem Bildungscampus.

 

Was sagt die Landespolitik, dazu, dass der Bildungscampus überwiegend durch private Unterstützung wächst?

Man befinde sich mit der Dieter-Schwarz-Stiftung im Austausch, sagt Wissenschaftsministerin Petra Olschowski auf Anfrage unserer Zeitung. Die private Unterstützung spreche aber für den KI-Standort Baden-Württemberg. "Wenn die Kopperation mit der ETH Zürich gut läuft, dann profitiert nicht nur Heilbronn, sondern ganz Baden-Württemberg." Wichtig sei die Vernetzung untereinander. 

 
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