Einser-Flut beim Abitur im Land - auch in der Region?
Statistiker registrieren bundesweit immer mehr Einser-Abi. Wie bewerten das die Schulleiter in der Region? Kultusminister arbeiten an Änderungen beim Abi.

Das Abitur soll bundesweit noch vergleichbarer werden. Genau darum soll es Medienberichten zufolge bei einer Kultusministerkonferenz im März gehen. Vergleichbar sind die reinen Zahlen, und beim Abitur hat es zuletzt deutlich mehr Einser-Abschlüsse als zuvor gegeben. Der Haken: Bei der kürzlich veröffentlichten Übersicht der Kultusministerkonferenz haben nahezu alle Bundesländer die Noten des Jahrgangs 2022 geliefert, nur Baden-Württemberg nicht. Stuttgart brachte sich in die Statistik mit den Abiturienten 2021 ein. Von einer Einser-Schwemme ist unter Schulleiter in der Region aber kein Rede.
Weinsberger Abiturienten 2021 waren ein guter Jahrgang

Wegen Corona gab es vor zwei Jahren Lockerungen bei den schriftlichen Prüfungen, zudem griff erstmals die neue gymnasiale Oberstufe mit Leistungs- und Basisfächern: Der Notenschnitt 2021 im Land lässt sich deshalb schwer mit Vorjahren vergleichen. Jürgen Kovács vom Justinus-Kerner-Gymnasium Weinsberg (JKG) warnt außerdem davor, sich bei Abi-Noten allein auf die eigentlichen Prüfungen zu konzentrieren. "Sie bilden nur einen kleinen Anteil", sagt der Schulleiter. Am JKG seien im Jahr 2021 die Abiturienten mit einem sehr guten Schnitt abgegangen, auf zu leichte Prüfungen will es der Direktor nicht zurückführen. "Wir hatten einen außergewöhnlich guten Jahrgang".
ASG-Schulleiter will Einser-Auswertung nicht überbewerten
Ähnlich lautet die Einschätzung von Marco Haaf, der in der Region die Schulleiter von Gymnasien als Sprecher vertritt. Mit Vorsicht blickt er auf die Statistik der Kultusministerkonferenz. "Ich würde es nicht überbewerten." Marco Haaf, der in Neckarsulm das Albert-Schweitzer-Gymnasium leitet, sieht keine Einser-Schwemme - auch nicht bei sich an der Schule im vergangenen Jahr. Für ihn sei es ein normaler Jahrgang gewesen. "Es pendelt sich ein."
Am Jagsttal-Gymnasium in Möckmühl hat sich in den vergangenen Jahren der Schnitt ebenfalls nicht verändert. Eine Auffälligkeit hat Direktor Marcus Dunke im Vorjahr ausgemacht. Der Schnitt sei geblieben, allerdings änderte sich die Verteilung der Noten. "Die Spitze war nicht so stark vertreten", sagt er. "Dafür hatten wir ein breites Mittelfeld." Ob die gestellten Aufgaben im Jahr 2021 leichter als in Vorjahren gewesen seien, kann er nicht bewerten. Für das Fach Wirtschaft weiß er: "Die Prüfung war machbar."
Bundesweit soll das Abitur vereinheitlicht werden
Bis zum Jahr 2030 sollen in Deutschland einheitliche Regeln fürs Abitur gelten. Offenbar haben sich die Kultusminister auf Eckpunkte verständigt. Zuerst hatte "Table.Media" darüber berichtet. Demnach soll in der Oberstufe für die Anzahl der Leistungskurse gelten: von zwei bis drei Fächern auf erhöhtem Niveau ist die Rede. Außerdem soll die Anzahl der verpflichtend zu belegenden Halbjahreskurse bei 40 liegen. Für Baden-Württemberg dürfte sich damit wenig ändern, denn schon jetzt sind drei Leistungsfächer Pflicht. Außerdem fließen in die Abitur-Note unter anderem 40 Kurse ein.
Einheitliche Regelungen begrüßt Marcus Dunke vom Möckmühler Gymnasium. Er sieht es dabei vor allem aus Sicht der Jugendlichen: Wenn sie in den letzten beiden Schuljahren umziehen und dabei ein Bundesland wechseln, wären einheitliche Vorgaben praktisch. Einheitlichkeit gibt schon jetzt in einigen Prüfungsfächern, die Länder wählen Prüfungen aus, die bundesweit zur Verfügung stehen.
Jürgen Kovács vom Weinsberger Gymnasium spricht sich ebenfalls für eine bundesweite Vergleichbarkeit der Allgemeinen Hochschulreife aus. Er schiebt zugleich ein Aber hinterher: In Baden-Württemberg sei es für Jugendliche manchmal auch nicht einfach, mal kurz nach einem Umzug an einem anderen Gymnasium problemlos weiterzumachen. Beispielsweise spiele eine Rolle, ob es ein G8- oder ein G9-Gymnasium sei.
Frank Schuhmacher vom Hohenlohe-Gymnasium in Öhringen bedauert, dass der Blick lediglich auf die letzten Schuljahre gelegt werde. "Die Pläne müssten ganz unten ansetzen", sagt der Schulleiter - sprich für die Gymnasien in Klasse fünf. Dass für die Oberstufe vor wenigen Jahren neue Regeln erlassen wurden, begrüßt er. Es sei richtig gewesen, von den Präsentationsprüfungen wegzukommen. Jugendliche könnten sich jetzt besser spezialisieren. Es gebe mehr Wahlmöglichkeiten, eine größere Individualisierung.
Berufliche Gymnasien sehen eigene Stärke
Manches allgemeinbildende Gymnasien blickt kritisch auf berufliche Gymnasien, wo Jugendliche auch die Allgemeine Hochschulreife erhalten können - der Abschluss sei nicht vergleichbar, so die Kritik. Christoph Franz, der die Peter-Bruckmann-Schule in Heilbronn leitet, lässt dieses Argument nicht gelten. "Leichter ist es bei uns auf keinen Fall", sagt er und betont: "Unsere Stärke ist der berufliche Bereich."
Christoph Franz wünscht sich, dass es in Schulen generell nicht nur darum gehen solle, Wissen auswendig zu lernen und wiederzugeben. Methodik ist seiner Ansicht nach entscheidend. Zudem findet er, dass manche dem Abitur eine zu große Bedeutung beimessen. Es sei zwar der Eintritt in den nächsten Lebensabschnitt. Nur: Spätestens nach vier bis acht Wochen an einer Universität spiele es keine Rolle mehr, wo man Abitur gemacht habe.